Agwe
Kopfgeldjäger Boss
In der Nacht bevor sie die Insel sehen konnten hatte es einen fürchterlichen Sturm gegeben. Derartige Wetterkapriolen waren selten auf dem East Blue und die ganze Zeit über war Agwe sich sicher gewesen, dass auf anderen Blues oder gar der Grand Line dieses Wetterereignis kaum mehr als ein Schulterzucken hervorgerufen hätte. Das änderte allerdings nichts an den Tatsachen. Das Schiff hatte geschwankt als würde es jeden Moment einen Überschlag machen, zahllose Fetische und Ritualgegenstände waren aus aus den Regalen gefallen und die Hühner hatten gekreischt wie am jüngsten Tag. Alles in allem war Agwe froh dass die Nacht vorbei war und vor allem dass sie rasch vorwärts gekommen waren, denn er hatte den Verdacht dass das Meer um den Schauplatz dieses Gewitters herum eine unangenehm grünliche Färbung angenommen haben musste. Aber seine Gebet an den Loa der See, mit dem er seinen Namen teilte, waren erhört worden und bis auf ein paar unappetitliche Flecken wo es jemand nicht rechtzeitig zur Reling geschafft hatte war das Schiff unversehrt geblieben. Es erschien ihm fast wie ein Wunder, andererseits war es auch nicht wirklich überraschend. Die Loa selbst hatten ihm dieses Schiff zuerkannt und wenn es kaputt ging, dann sicher nur aus wichtigen, ja nahezu göttlichen Gründen. Andere hätten diese Philosophie vielleicht einen Tick zu sorglos gefunden, gerade für jemanden der nicht mehr schwimmen konnte, aber Agwe konnte dank ihr ruhig schlafen. Und das obwohl die Hühner manchmal ein wenig zu oft an den Dielen herumpickten.
“LAAAAAAAAAND!“, riss ihn Momos Stimme jäh aus seinen Gedanken, die wieder einmal zu den Hühnern gewandert waren, kombiniert mit der Frage ob er ihnen für diese Unpässlichkeiten ein wenig mehr opfern sollte als sonst. “LAND IN SICHT!“ Hastig kletterte Agwe den Hauptmast hoch, auf dessen oberster Rahe Momo hockte und die Aufseherin gab. Da sie keinen wirklichen Beruf hatte der an Bord des Schiffes von Nutzen hätte sein können, hatte Agwe sie aufgrund ihrer scharfen Augen und ihres losen Mundwerks zum Ausguck ernannt. Und auch wenn sie ab und an einige anzügliche und höchst unpassende Kommentare über vorbeiziehende Wolken oder auffällige Felsformationen von sich gab, so machte sie ihren Job doch sehr gut. Auch wenn es bisher nicht wirklich viel zu sehen gegeben hatte, an dem sie ihre Fähigkeiten hätte demonstrieren können. Doch die Idee war Agwe so selbstverständlich gekommen dass er nicht an ihr zweifelte. Vielleicht war sie ihm ja sogar von den Loa diktiert worden, die Wege dieser Götter waren selbst für ihn nicht immer ganz durchschaubar. Auf dem Weg nach oben wäre er mehr als einmal fast gestürzt, denn Klettern gehörte nicht zu den täglichen Übungen des Voodoopriesters. Trotzdem schaffte er es, sich nach oben zu begeben und dort auf der Rah neben Momo innezuhalten, erst einmal zu Atem kommend. “Now then, lemme see, man“, meinte er nach einer Weile und blickte in die Richtung, in welche Momos Zeigefinger deutete, wobei er die Augen ein wenig zusammenkniff. “Was haben deine Augen denn gefunden?“
Es hatte in Agwes Leben wenige Augenblicke gegeben in denen er von der Natur wirklich beeindruckt gewesen war. Einer davon war gewesen, als auf seiner Heimatinsel ein Smoker binnen weniger Sekunden ein ganzes Schaf gegrillt hatte. Buchstäblich gegrillt, denn sein Opa hatte das tote Tier an einen Stock gebunden und über den Krater gehalten, wo die ausgestoßene Rauchwolke das Tier sofort knusprig werden ließ. Ein anderer war gewesen als er zum ersten Mal allein in die Sümpfe gegangen war und einen Stinkmangrovenbaum gesehen hatte, der heiligste Baum aller Loa. Doch nun wurde diese zugegeben sehr kurze Liste um einen weiteren Punkt erweitert und fast spürte Agwe, wie ihm die Tränen bei diesem Anblick kamen.
Die Insel selbst war mehr zu erahnen als wirklich zu sehen, kaum mehr als ein Schattenriss im Nebel. Dieser jedoch schwebte über dem Meer wie eine titanische Dunstglocke von sicherlich einigen Kilometern Durchmesser. Von weitem sah er aus als hätte jemand ein Stück eines Gemäldes noch einmal ausradiert um von vorne zu beginnen, ein bewegungsloser, unscharf abgegrenzter weißer Fleck, doch je näher sie ihm kamen, desto deutlicher wurde es dass der Nebel ständig in Bewegung war, wie ein weißer Vorhang der vom Wind gebauscht wurde. Da die Sonne gerade erst aufging und noch rötlich schimmerte färbte diese Farbe stellenweise auf den Nebel ab, der dadurch an einen Edelstein erinnerte, der langsam verdampfte um seine Schönheit in die Luft zu malen. Es war wahrlich ein erhabener Anblick der schon zahllose Künstler inspiriert haben musste und der sich auf ewig in die Herzen derer einbrannte, die ihn sahen.
Agwe spürte, wie sein Mund sich öffnete und die Zigarette darin nach unten fiel, direkt auf ein Huhn welches empört aufgackerte. “Halten wir darauf zu, man“, befahl er mit einer Stimme, die klang als habe er soeben ein Wunder gesehen. Was bedingt ja durchaus stimmte. “Ich will diese Insel näher betrachten.“
Je näher sie diesem Juwel kamen, desto mehr gefiel Agwe was er sah. Reiche grüne Wiesen, schon aus der Ferne zu sehen als der Nebel sich langsam lichtete. Das Meer brach sich an den hohen Klippen die das Schiff des Mojo Bunchs entlangsegelte und auch wenn es ein wenig kälter war als Agwe es aus seiner Heimat gewohnt war, so gefiel ihm das Klima hier doch ausnehmend gut. Das Schiff wurde während seiner Fahrt durch den Nebel ein wenig von Tau benetzt. Ja, diese Insel gefiel Agwe sehr und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr schien sie es regelrecht darauf anzulegen, ihm zu gefallen. “Wenn eine Insel schleimen könnte, man, dann würde sie hier das definitiv tun.“ Wieder versuchte er sich eine Zigarette anzuzünden, doch der übriggebliebene Nebel hatte sowohl seine Zigaretten als auch seine Streichhölzer so stark durchnässt, dass an Rauchen nicht mehr zu denken war. Als er den Versuch zu rauchen schließlich entnervt aufgab, grinste Edward ihn ein wenig belustigt an. “Ich fand ja schon von weitem, dass diese Insel gesund aussieht. Gute Luft und so. Aber das hier übertrifft echt alle meine Erwartungen.“ Genervt steckte Agwe sich die angefeuchtete Zigarette in den Mund und begann trotzig, auf ihr herumzukauen. Schon eilte er wieder zur Reling und opferte erneut den Wogen, wie es im Seemansjargon so schön hieß. Unverbrannter Tabak, noch dazu feucht, schmeckte einfach widerlich.
Nach etwa einer halben Stunde, der Nebel hatte sich mittlerweile vollends gelichtet, sahen sie schließlich einen Hafen. Auch wenn das Wort „Hafen“ ein wenig übertrieben war. Es handelte sich um einen Kai, der bereits einige Schiffe beherbergte und von dem aus eine lange, steinerne Treppe eine steile Klippe hinaufführte, zu etwas das aussah wie eine riesige Ansiedlung aus Backsteinhäusern. “Alles klar, people, wir gehen hier vor Anker!“, rief Agwe laut und begab sich sofort ans Steuerrad. Diese verantwortungsvolle Aufgabe war ihm zugefallen, jedenfalls bis sie jemanden fanden der dafür besser geeignet war. Aber alles zu seiner Zeit. Vorsichtig steuerte Agwe auf eine freie Stelle zu, die seltsamerweise von den Schiffen gemieden wurde.. und dann ging, zum wiederholten Mal an diesem Tag, ein mächtiger Ruck durch das Schiff. Momo wäre um ein Haar von der Rahe gefallen, Edward verschüttete den Schnaps den er sich gerade eingegossen hatte und Agwe flog jäh über das Steuerrad, mitten in den Hühnerstall. Einzig und allein Haydee schaffte es, das Gleichgewicht mit einer seltsamen Pendelbewegung beizubehalten und blickte ihren Kapitän mit ausdruckslosen Augen an, während dieser sich Federn und Hühnerdreck aus der Kleidung herauszupfte. “...ich glaube wir sind da...“, meinte sie mit einer Stimme, die ebenso gelangweilt wie sarkastisch klang. “...so setzt man also ein Schiff auf...?“ Agwe gab eine Antwort die man unmöglich wiederholen konnte und sprang vom Schiff heraus direkt auf den Steg, vor dem die Dschunke zum Stehen gekommen war.
“EH! Was war das 'enn? Ihr setzt ja auf wie ein Albatross! Ein betrunkener Albatross! So fährt man doch kein Schiff, innit?“ Ein breitschultriger Kerl mit feuerroten Haaren, der sogar den nicht gerade kleinen Agwe um Haupteslänge überragte, mit Zylinder wohlgemerkt, kam auf die seltsame Truppe zu und besah sich das Schiff. An seinen Händen, mit denen er jeden ihrer Köpfe zerquetschen könnte wie eine Traube waren mächtige Schwielen zu sehen und bis auf eine abgewetzte Arbeiterhose und ein einfaches ärmelloses Hemd voller Flecken trug er anscheinend garnichts. Noch nicht einmal Schuhe. Sein feuerrotes Haar war bereits stark gelichtet und schien sich zu dem mächtigen Schnurrbart verdichtet zu haben der seinen Mund regelrecht verdeckte, sodass es aussah als würde er durch diesen sprechen. Sorgfältig besah er sich das Schiff, auf dem die Hühner immer noch panisch herumliefen. Dann glitten seine kleinen Augen zu dem mächtigen Leck, welches sogar ein Laie als fatal beurteilen konnte. “Also eigentlich sind wir ja überbelegt. Aber so kann ich euch wohl kaum wegschicken, eh? Mit dem Ding geht ihr schneller unter als 'ne alte Kartoffel in Schnaps. Und den Anlegeplatz benutzt sowieso keiner. Ich sag' euch was, ihr könnt hierbleiben bis ihr das Schiff wieder auf Vordermann bekommen habt. Da oben wohnen einige gute Zimmerleute, die biegen das für euch hin, eh?“ Mit seiner schwieligen Pranke deutete er über seine Schulter nach oben auf die Ansammlung von Häusern, die hoch oben auf der Klippe lag. “Das ist Battery City, innit? Geht zu dem großen Haus mit dem Anker und sagt Ryan Fitzpatrick schickt euch, dann machen sie euch nen Sonderpreis. Jetzt muss ich aber los, diese verdammten Ratten fangen sich nicht von alleine.“ Damit drehte er dem Priester und seinem Gefolge den Rücken zu und ließ sie allein an dem nebligen Hafen.
Während er dem Mann der sich als Ryan Fitzpatrick vorgestellt hatte nachsah, legte Agwe die Stirn in Falten. “Mann, der Kerl redet merkwürdig“, ging es ihm durch den Kopf ehe er in die Hände klatschte um die Aufmerksamkeit seiner Leute zu erregen. “Alright, people, listen! Wir werden uns später um das Schiff kümmern! Erst einmal sollten wir uns hier ein wenig umsehen. Und Geld verdienen. Wir haben kaum noch was, man, jedenfalls wenn ich Eddies Analyse gestern richtig verstanden habe. Ich schlage vor wie suchen uns ein paar Sünder auf die Geld ausgesetzt ist und schlagen ihnen den Schädel ein. Wer ist dabei?“ Noch bevor irgendjemand eine Antwort geben konnte, nickte er. “Great, man. Und jetzt lasst uns erstmal einen trinken gehen! Ich bezahle!“ Damit drehte er sich schwungvoll um und ging auf die in den Felsen geschlagene Treppe zu. Die Feder an seinem Hut wippte munter vor sich her und zeigte den anderen somit den Weg. Das Huhn, welches munter gackernd hinter ihm herwatschelte schien Agwe überhaupt nicht zu bemerken.
Als diese merkwürdige Truppe gerade außer Hörweite war, sah Ryan Fitzpatrick ihnen noch einmal kopfschüttelnd nach. Irgendwie taten sie ihm ja leid, dass sie gerade jetzt hier angekommen waren. Aber wenn sie sich aus all dem heraushielten.. vielleicht würden sie dann noch einmal ungeschoren davonkommen. Es hätte ja ohnehin keinen Sinn gehabt sie zu warnen, redete Ryan sich ein während er begann, Rattenfallen aufzustellen und dabei vor sich hin brummte. Nein, überhaupt keinen Sinn, sie wären ja ohnehin nicht mehr rechtzeitig weggekommen und auf den alten Ryan hätten sie ja ohnehin nicht gehört.
“LAAAAAAAAAND!“, riss ihn Momos Stimme jäh aus seinen Gedanken, die wieder einmal zu den Hühnern gewandert waren, kombiniert mit der Frage ob er ihnen für diese Unpässlichkeiten ein wenig mehr opfern sollte als sonst. “LAND IN SICHT!“ Hastig kletterte Agwe den Hauptmast hoch, auf dessen oberster Rahe Momo hockte und die Aufseherin gab. Da sie keinen wirklichen Beruf hatte der an Bord des Schiffes von Nutzen hätte sein können, hatte Agwe sie aufgrund ihrer scharfen Augen und ihres losen Mundwerks zum Ausguck ernannt. Und auch wenn sie ab und an einige anzügliche und höchst unpassende Kommentare über vorbeiziehende Wolken oder auffällige Felsformationen von sich gab, so machte sie ihren Job doch sehr gut. Auch wenn es bisher nicht wirklich viel zu sehen gegeben hatte, an dem sie ihre Fähigkeiten hätte demonstrieren können. Doch die Idee war Agwe so selbstverständlich gekommen dass er nicht an ihr zweifelte. Vielleicht war sie ihm ja sogar von den Loa diktiert worden, die Wege dieser Götter waren selbst für ihn nicht immer ganz durchschaubar. Auf dem Weg nach oben wäre er mehr als einmal fast gestürzt, denn Klettern gehörte nicht zu den täglichen Übungen des Voodoopriesters. Trotzdem schaffte er es, sich nach oben zu begeben und dort auf der Rah neben Momo innezuhalten, erst einmal zu Atem kommend. “Now then, lemme see, man“, meinte er nach einer Weile und blickte in die Richtung, in welche Momos Zeigefinger deutete, wobei er die Augen ein wenig zusammenkniff. “Was haben deine Augen denn gefunden?“
Es hatte in Agwes Leben wenige Augenblicke gegeben in denen er von der Natur wirklich beeindruckt gewesen war. Einer davon war gewesen, als auf seiner Heimatinsel ein Smoker binnen weniger Sekunden ein ganzes Schaf gegrillt hatte. Buchstäblich gegrillt, denn sein Opa hatte das tote Tier an einen Stock gebunden und über den Krater gehalten, wo die ausgestoßene Rauchwolke das Tier sofort knusprig werden ließ. Ein anderer war gewesen als er zum ersten Mal allein in die Sümpfe gegangen war und einen Stinkmangrovenbaum gesehen hatte, der heiligste Baum aller Loa. Doch nun wurde diese zugegeben sehr kurze Liste um einen weiteren Punkt erweitert und fast spürte Agwe, wie ihm die Tränen bei diesem Anblick kamen.
Die Insel selbst war mehr zu erahnen als wirklich zu sehen, kaum mehr als ein Schattenriss im Nebel. Dieser jedoch schwebte über dem Meer wie eine titanische Dunstglocke von sicherlich einigen Kilometern Durchmesser. Von weitem sah er aus als hätte jemand ein Stück eines Gemäldes noch einmal ausradiert um von vorne zu beginnen, ein bewegungsloser, unscharf abgegrenzter weißer Fleck, doch je näher sie ihm kamen, desto deutlicher wurde es dass der Nebel ständig in Bewegung war, wie ein weißer Vorhang der vom Wind gebauscht wurde. Da die Sonne gerade erst aufging und noch rötlich schimmerte färbte diese Farbe stellenweise auf den Nebel ab, der dadurch an einen Edelstein erinnerte, der langsam verdampfte um seine Schönheit in die Luft zu malen. Es war wahrlich ein erhabener Anblick der schon zahllose Künstler inspiriert haben musste und der sich auf ewig in die Herzen derer einbrannte, die ihn sahen.
Agwe spürte, wie sein Mund sich öffnete und die Zigarette darin nach unten fiel, direkt auf ein Huhn welches empört aufgackerte. “Halten wir darauf zu, man“, befahl er mit einer Stimme, die klang als habe er soeben ein Wunder gesehen. Was bedingt ja durchaus stimmte. “Ich will diese Insel näher betrachten.“
Je näher sie diesem Juwel kamen, desto mehr gefiel Agwe was er sah. Reiche grüne Wiesen, schon aus der Ferne zu sehen als der Nebel sich langsam lichtete. Das Meer brach sich an den hohen Klippen die das Schiff des Mojo Bunchs entlangsegelte und auch wenn es ein wenig kälter war als Agwe es aus seiner Heimat gewohnt war, so gefiel ihm das Klima hier doch ausnehmend gut. Das Schiff wurde während seiner Fahrt durch den Nebel ein wenig von Tau benetzt. Ja, diese Insel gefiel Agwe sehr und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr schien sie es regelrecht darauf anzulegen, ihm zu gefallen. “Wenn eine Insel schleimen könnte, man, dann würde sie hier das definitiv tun.“ Wieder versuchte er sich eine Zigarette anzuzünden, doch der übriggebliebene Nebel hatte sowohl seine Zigaretten als auch seine Streichhölzer so stark durchnässt, dass an Rauchen nicht mehr zu denken war. Als er den Versuch zu rauchen schließlich entnervt aufgab, grinste Edward ihn ein wenig belustigt an. “Ich fand ja schon von weitem, dass diese Insel gesund aussieht. Gute Luft und so. Aber das hier übertrifft echt alle meine Erwartungen.“ Genervt steckte Agwe sich die angefeuchtete Zigarette in den Mund und begann trotzig, auf ihr herumzukauen. Schon eilte er wieder zur Reling und opferte erneut den Wogen, wie es im Seemansjargon so schön hieß. Unverbrannter Tabak, noch dazu feucht, schmeckte einfach widerlich.
Nach etwa einer halben Stunde, der Nebel hatte sich mittlerweile vollends gelichtet, sahen sie schließlich einen Hafen. Auch wenn das Wort „Hafen“ ein wenig übertrieben war. Es handelte sich um einen Kai, der bereits einige Schiffe beherbergte und von dem aus eine lange, steinerne Treppe eine steile Klippe hinaufführte, zu etwas das aussah wie eine riesige Ansiedlung aus Backsteinhäusern. “Alles klar, people, wir gehen hier vor Anker!“, rief Agwe laut und begab sich sofort ans Steuerrad. Diese verantwortungsvolle Aufgabe war ihm zugefallen, jedenfalls bis sie jemanden fanden der dafür besser geeignet war. Aber alles zu seiner Zeit. Vorsichtig steuerte Agwe auf eine freie Stelle zu, die seltsamerweise von den Schiffen gemieden wurde.. und dann ging, zum wiederholten Mal an diesem Tag, ein mächtiger Ruck durch das Schiff. Momo wäre um ein Haar von der Rahe gefallen, Edward verschüttete den Schnaps den er sich gerade eingegossen hatte und Agwe flog jäh über das Steuerrad, mitten in den Hühnerstall. Einzig und allein Haydee schaffte es, das Gleichgewicht mit einer seltsamen Pendelbewegung beizubehalten und blickte ihren Kapitän mit ausdruckslosen Augen an, während dieser sich Federn und Hühnerdreck aus der Kleidung herauszupfte. “...ich glaube wir sind da...“, meinte sie mit einer Stimme, die ebenso gelangweilt wie sarkastisch klang. “...so setzt man also ein Schiff auf...?“ Agwe gab eine Antwort die man unmöglich wiederholen konnte und sprang vom Schiff heraus direkt auf den Steg, vor dem die Dschunke zum Stehen gekommen war.
“EH! Was war das 'enn? Ihr setzt ja auf wie ein Albatross! Ein betrunkener Albatross! So fährt man doch kein Schiff, innit?“ Ein breitschultriger Kerl mit feuerroten Haaren, der sogar den nicht gerade kleinen Agwe um Haupteslänge überragte, mit Zylinder wohlgemerkt, kam auf die seltsame Truppe zu und besah sich das Schiff. An seinen Händen, mit denen er jeden ihrer Köpfe zerquetschen könnte wie eine Traube waren mächtige Schwielen zu sehen und bis auf eine abgewetzte Arbeiterhose und ein einfaches ärmelloses Hemd voller Flecken trug er anscheinend garnichts. Noch nicht einmal Schuhe. Sein feuerrotes Haar war bereits stark gelichtet und schien sich zu dem mächtigen Schnurrbart verdichtet zu haben der seinen Mund regelrecht verdeckte, sodass es aussah als würde er durch diesen sprechen. Sorgfältig besah er sich das Schiff, auf dem die Hühner immer noch panisch herumliefen. Dann glitten seine kleinen Augen zu dem mächtigen Leck, welches sogar ein Laie als fatal beurteilen konnte. “Also eigentlich sind wir ja überbelegt. Aber so kann ich euch wohl kaum wegschicken, eh? Mit dem Ding geht ihr schneller unter als 'ne alte Kartoffel in Schnaps. Und den Anlegeplatz benutzt sowieso keiner. Ich sag' euch was, ihr könnt hierbleiben bis ihr das Schiff wieder auf Vordermann bekommen habt. Da oben wohnen einige gute Zimmerleute, die biegen das für euch hin, eh?“ Mit seiner schwieligen Pranke deutete er über seine Schulter nach oben auf die Ansammlung von Häusern, die hoch oben auf der Klippe lag. “Das ist Battery City, innit? Geht zu dem großen Haus mit dem Anker und sagt Ryan Fitzpatrick schickt euch, dann machen sie euch nen Sonderpreis. Jetzt muss ich aber los, diese verdammten Ratten fangen sich nicht von alleine.“ Damit drehte er dem Priester und seinem Gefolge den Rücken zu und ließ sie allein an dem nebligen Hafen.
Während er dem Mann der sich als Ryan Fitzpatrick vorgestellt hatte nachsah, legte Agwe die Stirn in Falten. “Mann, der Kerl redet merkwürdig“, ging es ihm durch den Kopf ehe er in die Hände klatschte um die Aufmerksamkeit seiner Leute zu erregen. “Alright, people, listen! Wir werden uns später um das Schiff kümmern! Erst einmal sollten wir uns hier ein wenig umsehen. Und Geld verdienen. Wir haben kaum noch was, man, jedenfalls wenn ich Eddies Analyse gestern richtig verstanden habe. Ich schlage vor wie suchen uns ein paar Sünder auf die Geld ausgesetzt ist und schlagen ihnen den Schädel ein. Wer ist dabei?“ Noch bevor irgendjemand eine Antwort geben konnte, nickte er. “Great, man. Und jetzt lasst uns erstmal einen trinken gehen! Ich bezahle!“ Damit drehte er sich schwungvoll um und ging auf die in den Felsen geschlagene Treppe zu. Die Feder an seinem Hut wippte munter vor sich her und zeigte den anderen somit den Weg. Das Huhn, welches munter gackernd hinter ihm herwatschelte schien Agwe überhaupt nicht zu bemerken.
Als diese merkwürdige Truppe gerade außer Hörweite war, sah Ryan Fitzpatrick ihnen noch einmal kopfschüttelnd nach. Irgendwie taten sie ihm ja leid, dass sie gerade jetzt hier angekommen waren. Aber wenn sie sich aus all dem heraushielten.. vielleicht würden sie dann noch einmal ungeschoren davonkommen. Es hätte ja ohnehin keinen Sinn gehabt sie zu warnen, redete Ryan sich ein während er begann, Rattenfallen aufzustellen und dabei vor sich hin brummte. Nein, überhaupt keinen Sinn, sie wären ja ohnehin nicht mehr rechtzeitig weggekommen und auf den alten Ryan hätten sie ja ohnehin nicht gehört.