K
Käpt'n Flint
Guest
Erster Akt: Auf dem South Blue.
Sie waren nun bereits drei Tage und Nächte auf offener See. Und innerhalb der Mannschaft wurde das Gefühl, verfolgt zu werden, immer stärker. Ständig behauptete der eine oder andere, ein Schiff am Horizont gesehen zu haben. Doch lies sich das nie bewahrheiten. Flint stellte allerlei Vermutungen darüber an und letztendlich schien ihm der Gedanke, dass seine eigene Tante jemanden auf ihn angesetzt hatte, am wahrscheinlichsten. Wenn dem wirklich so war, dann sollte er ab jetzt nur noch mit besonderer Vorsicht handeln und vor allem vor der Crew die Ruhe bewahren. Wenn sie es bis nach Grandmole schafften, bevor der potentielle Verfolger sie eingeholt hatte, dann waren sie so oder so nicht mehr aufzufinden. Dafür war die Insel einfach wie geschaffen. Das war der Plan, auf den Flint sich vorerst stützen konnte.
Nun stand er an Deck, hinter dem Steuerrad und genoss das gute Wetter. Dem Wind zum Trotze waren keine Wolken am Himmel zu sehen. Es war warm und die Möwen kreisten am Horizont. Das nächste Fleckchen Erde konnte also nicht mehr allzu weit entfernt sein. Geoffrey kam ebenfalls an Deck und stieg dann die Treppe hinauf, um sich wortlos zu seinem Käpt’n zu stellen. Er war nicht der Gesprächigste und das war auch gut so. Flint hätte ihn schließlich nicht zu seinem ersten Maat ernannt, wenn er nicht jeden Befehl ohne zu murren ausführen würde. „Die Crew ist fähiger, als ich erwartet hatte“, dachte er sich.
Plötzlich kam Unruhe unter den Männern auf und riss Flint aus seinen Gedanken. Als er nach dessen Ursache suchte, bemerkte er, dass sich einige der Crewmitglieder über die Reling lehnten und zum Heck des Schiffes hin nach etwas Ausschau hielten. „Da ist es wieder! Was hab ich euch gesagt?! Es verfolgt uns doch!“ Der Käpt’n fuhr herum. „Geoffrey, übernimm du das Steuer“, sagte er und wandte sich dem vermeintlichen Verfolger zu. Schnell zog er ein kleines Fernrohr hervor und spähte hindurch: Und wirklich – da war es wieder. Es war ohne Zweifel dasselbe Schiff, wie von vor zwei Tagen. Jedoch war es noch meilenweit weg. Dennoch herrschte nun eine gewisse Anspannung innerhalb der Besatzung, der auch Flint sich nicht entziehen konnte. Einige wurden laut und fluchten, andere gerieten in Panik, und wieder andere wurden bloß kreideweiß im Gesicht. „Immer mit der Ruhe, Männer!“ rief Flint ihnen zu, „Das ist nur ein Handelsschiff, nichts weiter! Kein Grund, die Beherrschung zu verlieren!“ Er hatte sich wirklich zu früh gefreut, was seine Crew betraf. „Das Schiff verfolgt uns schon seit drei Tagen!“ brüllte einer dazwischen und stieg die Treppe hinauf zu Flint, „Das sag ich doch die ganze Zeit! Wir haben ein Schiff gestohlen und nun macht der Eigentümer Jagd auf uns! Und wir haben kaum Waffen an Bord!“ Ein paar der Leute stimmten ihm zu. „Das ist noch längst nicht gesagt“, entgegnete Flint, um den Mann zu beruhigen, „Das Schiff hat offensichtlich nur denselben Kurs wie wir.“ „Leeres Geschwafel!“ fuhr ihn sein Gegenüber an, „Wir hätten den Kurs ändern sollen, als wir noch die Zeit dazu hatten! Hättet ihr bloß auf mich gehört!“ Der Kapitän drehte sich weg, atmete tief durch und meinte dann: „Geoffrey, entferne diesen Mann. Er soll unter Deck warten bis sich die Sache erledigt hat.“ Der Kahlkopf seufzte und wollte dem gerade nachkommen, als der andere mit einem Mal eine Pistole in der Hand hielt und auf den Käpt’n richtete. „Hier muss sich etwas verändern, ,Käpt’n’, sonst sind wir alle erledigt!“ sagte er, einen irren Blick in den Augen. Geoffrey sprang auf den Meuterer los und konnte gerade das wohl Schlimmste verhindern. Doch der Pistolenschuss traf dennoch. Flint konnte nicht schnell genug reagieren. Die Kugel traf ihn in die linke Schulter. Der Weißhaarige sank auf die Knie und hielt sich den Arm. „Nehmt den Mann fest“, ächzte Flint und versuchte dabei, möglichst ruhig zu bleiben. Sofort wurde der Angreifer von Geoffrey und ein paar anderen überwältigt und in Gewahrsam genommen.
Als Flint seinen Mantel abstreifte, um seine Schulter zu untersuchen, bohrte sich der Schmerz ein zweites Mal wie ein Speer durch seinen Arm. Er stöhnte auf. Die Kugel war stecken geblieben. Zwei Männer halfen ihm auf und stützten ihn beim Gehen. „Wartet“, sagte er, „Bringt mir die Karte… In meiner Kajüte… liegt eine Karte auf dem Tisch…“ Als die Männer ihn nur ungläubig anschauten, rief er: „Die Karte! Schnell!“ Augenblicklich herrschte wieder Tumult an Deck. Der Kapitän musste behandelt werden, so gut es ging; das Schiff durfte nicht vom Kurs abkommen und nun musste auch noch einer der eigenen Leute weggesperrt werden. Flint wurde unter Deck ins Lazarett gebracht. Und obwohl die Kugel noch immer in seinem Arm steckte, beharrte er zuerst auf seine Karten. Mit Schweißperlen auf der Stirn wies er Geoffrey an, den Kurs in Richtung der Insel Viktor zu ändern. „Die Insel liegt ganz in der Nähe… keinen halben Tag entfernt… Und es gibt Ärzte dort… Du hast jetzt das Kommando.“ „Aye, Käpt’n“, meinte Geoffrey und machte sich auf den Weg nach oben. „Ihr beide“, befahl er den nächst besten Matrosen, die ihm über den Weg liefen, „Holt diese verdammte Kugel raus und brennt die Wunde aus. In der Kammer steht Rum. Damit könnt ihr alles sauber halten…und dem Käpt’n die größten Schmerzen ersparen.“ Damit lies er sie und Flint zurück und ging an Deck.