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II. En Passant

Lucian

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Von all den Besitztümern der Familie de Villefort gehörte die Miss Ann’s Trophy noch zu denen, die Lucian am meisten mochte. Man konnte sich der Luxuriösität und der Eleganz dieser Yacht nur schwer verschließen, welche schnell und mit kaum einem Geräusch über das Meer segelte. Dank der paranoiden Seite seines Vaters befand sich an Bord alles, was man für eine Reise brauchte, oder zumindest fast alles. Verderbliche Nahrungsmittel hatte man natürlich nicht eingelagert, ebenso wenig waren die Frischwasserfässer gefüllt. Aber immerhin gab es genug haltbaren Ersatz, dass niemand Hunger schieben musste und auch genug Alkohol und sonstige, in Flaschen abgefüllte, Getränke. In den Schränken befanden sich Kleidung, sowohl für den Comte de Villefort selbst, als auch für seine beiden Söhne. Es bereitete Lucian zweifellos Freude, jeden einzelnen, maßgeschneiderten Anzug, Mantel und Gehrock seines Vaters einzeln über Bord zu werfen und ihnen dabei zuzusehen, wie sie langsam von den Wellen verschlungen wurden. Im Anschluss hatte er mit seine eigenen, wenigen Besitztümern und Kleidungsstücken die große Kabine im Bug der Yacht in Besitz genommen. Die etwas einfacheren aber trotzdem recht kostspieligen Anzüge seines kleinen Halbbruders überlies er gönnerhaft Marlon, der in etwa die selbe Statur hatte und diese somit auftragen konnte, bis er sich bei nächster Gelegenheit selber eindecken konnte.
Nachdem Pisce das Steuer übernommen hatte, waren die drei sehr Schnell aus den Gewässern von Monte Gomero heraus gekommen und hatten seither gut fahrt gemacht. Zugegeben, die Fischmenschenfrau verstand so einiges von der Seefahrt und der Navigation, dazu kamen noch das perfekte Wetter und der stetige Rückenwind, der sie ihrem Ziel in Windeseile näher brachte. Das ganze kam jedoch mit einem fast unerträglichen Preis einher; Sie hielt einfach NIE ihren Mund. Man hielt es einfach nicht an Deck aus, solange sie am Steuer stand und selbst beim Essen schaffte sie es, wie ein Wasserfall zu plappern. Dabei litt Marlon wohl noch mehr als er selbst unter ihrer unfreiwilligen Navigatoren, denn Pisce schien das eine oder andere Auge auf ihn geworfen zu haben. Auf jeden Fall begann sie immer zu schnurren und zu säuseln, wenn sie den Koch sah und nahm wesentlich häufiger Körperkontakt auf, als es notwendig gewesen sei. Marlon auf der anderen Hand war ein wirklicher gewinn für Lucian. Das es sich bei dem ehemaligen Mafioso um einen guten Kämpfer handelte, hatte er ja bereits mit eigenen Augen erkennen können, doch als Koch war er fast eben so gut wie die Köche seines Vaters. Als Anerkennung dafür überließ Lucian seinem Gefolgsmann nach der ersten Mahlzeit auch die Kajüte des Chefkochs, die sich neben der seinen im Bug befand. Zwar hatte der Vicomte Pisce auch gestattet, eine der verbleibenden zwei Zimmer zu beziehen, doch sie zog es vor an Deck zu übernachten, wenn sie denn überhaupt schlief.

Nach einigen Tagen schließlich, rief Pisce, die wie immer am Steuer stand, die beiden Männer an Deck, wo sie wortlos zum Horizont deutete. So sehr sich Lucian auch anstrengte, er konnte nicht das geringste erkennen. Erst etwa eine Viertelstunde später waren die Umrisse einer Insel zu erkennen, die sich aus dem North Blue erhob. Entweder hatte der Fischmensch deutlich bessere Augen als er, oder sie hatte gewusst, dass die Insel bald auftauchen würde. Der Vicomte fragte nicht, was von beidem zutraf und sah stattdessen nur der Insel zu, wie sie immer größer und die Silhouette immer deutlicher wurde. Zuerst hatte er noch gedacht, dass sie auf einen Wald zusteuerten, denn nur Rot- und Grüntöne waren erkennbar. Es dauerte noch einmal eine weile, bis er seinen Irrtum bemerkte. Das was er dort sah war kein Bildnis der Natur, sondern eine Stadt, die von Rost und Patina völlig verfärbt war! Der Weißhaarige war in seinem Leben noch nie auf Steam gewesen und hatte auch nicht die geringste Ahnung, was er dort anfangen sollte. Alles was er wusste war, dass die Insel eine einzige Pleite und fast alle Firmen insolvent waren. Opfer einer Wirtschaftskrise, hieß es. Er konnte sich nur noch vage daran erinnern, dass sein Vater recht fröhlich gewesen war, als er vom Niedergang der steamer Industrie vernommen hatte. Wahrscheinlich hatte der gerissene Fuchs daraus einen Nutzen gezogen und gar in irgendeiner Weise dazu beigetragen. Was jemand wie Pisce an diesem Ort wollte, war Lucian absolut schleierhaft. Sein eigener Plan lautete die Fischmenschin abzusetzen, frische Vorräte zu besorgen und sofort wieder in See zu stechen. Irgendwo hin, wo er sich ein paar nützliche Männer besorgen konnte. Von arbeitslosen Werftarbeitern und Tagelöhnern hatte er keinen nutzen.
Es dauerte noch einmal einige Stunden, dann wies Pisce die beiden Männer an, die Segel zu reffen und steuerte einen Hafen an. Kaum war die weiße Luxusyacht in Sichtweite, da begannen sich bereits Schaulustige und Dockarbeiter an dem Pier zu versammeln, den die Trophy ansteuerte. Die meisten hofften wohl auf einen reichen Adeligen und damit verbunden auf viel Geld. Zumindest in Hinsicht auf letzteres würde Lucian sie enttäuschen müssen, denn wäre die Reisebörse seines Vaters erst einmal aufgebraucht, dann säßen sie auf dem Trockenen. Und die Hafensteuer war bereits eine Frechheit! Am liebsten hätte Lucian den untersetzten Fettsack ins Meer geworfen, der 12.000 Berry pro Tag verlangte! Er bezahlte schließlich, lies das Schiff von den Dockarbeitern vertauen und verließ mit Marlon und Pisce die Trophy.

„Da wären wir alsoooo ... Steam!“, säuselte die Fischmenschenfrau und setzte die schwere Kiste ab, die sie während der ganzen Überfahrt kein einziges mal geöffnet hatte, wenn Marlon oder Lucian in der nähe gewesen waren. Ab und zu hatte der Vicomte jedoch gehört. Wie sich darin etwas bewegt hatte und sie war stets mit den letzten Resten ihres Essens nach oben an Deck gegangen, woraus er schloss, dass wohl Tiere in der Kiste waren. „Ich werde nun meinen Freund Eulogy suuuuchen. Vielleicht sieeht man sich ja üüüüüürgendwann mal wieder? Bis dahin macht es gut ihr zweiiiii!“ Damit drückte sie Marlon einen Kuss auf die Wange, schulterte die Kiste und verschwand im Menschengetümmel. “Was für eine verdammte Nervensäge ... Aber immerhin hat sie uns sicher zur Insel gebracht. Jetzt komm, ich will nicht länger als nötig hier belieben, vor allem wenn der Kerl uns Morgen wieder soviel Geld stehlen will. Zum Markt, Essen und Wasser kaufen und dann zurück aufs Meer.“ Mit einem Kopfnicken deutete der Vicomte in eine Gasse, die von der Richtung her am weitesten von der Fischmenschin wegführte und setzte sich in Bewegung. Die ärmlichen Bewohner der Gasse wichen ihm respektvoll aus, aber immer wieder einmal waren leises Gelächter zu hören und Arme zu sehen, die auf ihn und Marlons deuteten. Je tiefer sie ins Innere der Stadt aus Stahl und Kupfer kamen, desto mehr häuften sich die Lacher. Lucian war gewiss nicht für seine Geduld oder seine Großmütigkeit bekannt und so dauerte es nicht lange, bis bei ihm der Geduldsfaden riss. Als sie endlich so etwas wie einen Markt erreichten, wagte es ein stoppelgesichtiger Mann glucksend seinen Nachbarn anzustoßen und auf Lucian zu deuten. Bevor der Steamer wusste, wie ihm geschah, hatte sich Lucians rechte Hand um dessen Hals geschlossen und ihn vom Boden gehoben. “Ich würde auch gerne Lachen! Was ist denn so witzig!?“ Auch wenn Lucian ganz ruhig sprach, so war er inzwischen aufs äußerste gereizt. Die fröhliche Stimmung war einer totenstille gewichen. „In der ... in der Zeitung,“ würgte der Mann hervor, während er versuchte, sich aus Lucians Griff zu befreien, „Sie stehen in der Zeitung!“
Der Griff des Vicomtes löste sich und der Mann viel schmerzhaft zu Boden. Sofort sprang er wieder auf, riss seinem Freund die Zeitung aus den Armen, blätterte darin und hielt seinem Angreifer einen Ausschnitt vors Gesicht, bevor dieser ihn wieder an der Kehle packen konnte. Lucian nahm das Papier entgegen und bemerkte das kleine Foto seiner selbst darauf. Während er den kurzen Artikel durchlas, machte sich sein unschuldiges Opfer schleunigst aus dem Staub. “Ich stehe auf der Witzseite ...“ erklärte er Marlon neutral und grinste dann kurz über sich selbst. Galgenhumor oder etwas in der Art, zumindest konnte man nur noch lachen. “Betrunkener Erbgraf stiehlt seinem Vater die Yacht,“ fasste er den Artikel kurz zusammen, “Der besorgte Comte de Villefort setzt eine Belohnung für diejenigen aus, die seinen Erben wohlbehalten zurück nach Monte Gomero bringen.“ Er zerknüllte die Zeitung in der Hand und warf sie auf den Boden. Dann brüllte er einmal kurz auf. Inzwischen waren die meisten Passanten verschwunden. “Sie machen sich über mich lustig! Sie machen mich zur ...“ Der Wind war durch die Zeitung gegangen und hatte die meisten Blätter mitgenommen. Was jetzt noch vor ihm im Straßendreck lag, war die Titelseite und es war der Leitartikel, der Lucian hatte verstummen lassen. “Neue Verhandlungen mit Steam; Weltregierung schickt wichtige Marinemitglieder zu Verhandlungen.“ Er hob die Zeitung erneut auf und überflog die Nachricht. Ein raubtierhaftes Grinsen breitete sich in seinen Zügen aus. Wenn es stimmte, dann war die Gesandtschaft heute Angekommen und die Verhandlungen würden morgen beginnen. Mit deutlich gehobener Laune drückte er Marlon die Seite in die Hand. “Diese wertlose Insel ist soeben deutlich interessanter geworden. Ich denke wir sollten diesen Mitgliedern der Marine unsere Aufwartung machen, wenn wir schon hier sind.“
 
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Kaum dass sie Monte Gomero verlassen hatten, hatte Marlon innerlich Bilanz gezogen: Seine Klinge war in Mitleidenschaft gezogen worden, seine Ehre war beschmutzt worden, er war ein gesuchter Krimineller und auch von Kriminellen gesucht und würde sich vermutlich nie wieder auf seiner Heimatinsel blicken lassen können ohne sein Leben zu riskieren. Und am Schlimmsten: Sein Anzug war vollkommen ruiniert worden und Lucian schien nichts besseres zu tun zu haben, als lauter feines Tuch über Bord zu werfen! Was für ein Affront! Glücklicherweise ließ sein Kapitän einige halbwegs brauchbare Anzüge heil und Marlon konnte spüren, wie seine Sicht auf die Lage sich deutlich verbesserte, kaum dass er wieder in feinen Zwirn gekleidet war. Als sich dann auch noch eine Dame, Fischmensch zwar aber innerhin recht niedlich, sich zu ihnen gesellte, war Marlons Tag fürs erste gerettet und er hatte sich daran gemacht, etwas zu Essen zuzubereiten. Immerhin hatte er Lucian seine Dienste geschworen und das bedeutete auch, dass er für ihn kochen würde. Ein Mann wie Lucian und selbstverständlich auch eine Dame wie Pisces verdienten es, ordentlich bekocht zu werden. Aus Respekt vor der Fischmenschendame verzichtete er allerdings auf Meeresfrüchte, was zur Folge hatte, dass der Lagerraum bald voller Stockfisch und einer Spezialität namens Sürströmming war, die ungefähr so gut roch, wie sie hieß.

Steam also. Nun, Marlon hatte von dieser Insel gehört, doch weder der Don noch seine Untergebenen schienen viel darauf zu geben, was dort geschah. Entweder also war die Präsenz der Marine dort zu stark, um irgendetwas "interessantes" zu tun, oder die Insel war schlicht und ergreifend arm. Und wie man schnell sah, war zweiteres der Fall. Früher einmal musste hier die Industrie enorm floriert haben, aber davon waren mittlerweile nicht mehr als halb verrostete Ruinen übrig, für die Marlon nicht mehr als ein abfälliges Zungenschnalzen übrighatte. Lucian tat gut daran, Eile zu gebieten, kein Leibwächter der etwas auf sich hielt hätte seinen Schützling länger als nötig hier gelassen. Natürlich war Marlon sich bewusst, dass Lucian sich durchaus selbst verteidigen konnte, doch das hieß nicht, dass ein zusätzliches Paar Augen und Ohren sowie eine weitere Waffe ihm geschadet hätten. Gerade wenn man so weitreichend plante wie sein Kapitän, sein neuer Don, brauchte man jede gute Hilfe, die man kriegen konnte. "Widerlich", dachte Marlon bei sich, als er seinen Blick über die Menschenmenge schweifen ließ. Hohle, trostlose Gesichter. Manch ein Mensch hätte es sicherlich traurig gefunden, aber Marlon war abgebrüht und realistisch genug, um sie für ihre träge Art eher zu verurteilen. Wer nichts tat, als sich über sein hartes Leben zu beschweren, der würde es nie ändern. Dann besser bei dem Versuch sterben, es irgendwie doch noch zu ändern.

Das Gelächter und Gekicher im Bezug auf ihn selbst und Lucian entging Marlon natürlich ebenso wenig wie seinem Kapitän. Im Gegensatz zu diesem allerdings unterdrückte er den Wunsch, einfach jemandem an die Kehle zu springen. Dass Lucian das selber tat, nahm ihm viel ab, denn der Nahkampf war seine Sache nicht. Wenn er das Pech hatte, an einen halbwegs kräftigen Arbeiter zu geraten, dann war es das für ihn. "Ich stehe auf der Witzseite...", kommentierte Lucian trocken und zeigte Marlon den Artikel. Dieser nickte nur. Es machte Sinn. Gib' ja nicht zu, dass dein Feind dir überlegen war. Oder dass er dich ausgetrickst hat. Stell' ihn als Witzfigur hin und du verleitest ihn zu unüberlegten Taten. Manche Kämpfe gewann man durch Informationen. Oder, wie in diesem Fall, Fehlinformationen. Bewussten Fehlinformationen. "Hälst du das für eine so gute Idee, Lucian?", kommentierte er den Plan seines Kapitäns, als dieser vorschlug, die Mitglieder der Marine, welche auf dieser Insel stationiert waren, zu attackieren. "So eine Gesandschaft wird einige gute Leibwächter haben und selbst wenn es uns gelingen sollte, sie auszuschalten..." Der Blick, den Lucian ihm zuwarf, hätte andere Männer zusammenschrumpfen lassen, doch für Marlon war er eine bloße Information: Tu' was ich dir sage! Er verbeugte sich daher leicht und ging einen Schritt zurück, sodass er hinter seinem Kapitän ging, ein Zeichen höchster Unterwürfigkeit. "Natürlich, Kapitän. Doch zumindest sollten wir ihre Bewachung und dergleichen genau ausspähen, bevor wir handeln und uns mit allen wichtigen Dingen eindecken, damit wir sofort fliehen können."
 

Igraine

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Zu behaupten, Igraine habe in dieser Nacht gut geschlafen, wäre eine Lüge, da sie ebenso wenige Augen hatte zu machen können, wie die vorherige oder die davor. Der Grund dafür war ihre schrecklich gute Vernetzung auf dieser Insel und der damit einhergehende Informationsvorsprung, den sie vor den meisten anderen, lesenden Individuen hier hatte.
Neue Verhandlungen mit Steam. Die Schlagzeile konnte sie selbst durch den Rauch in der Werkstatt noch recht deutlich lesen, da die Zeitung aufgeschlagen neben der Werkbank lag, auf der sie gerade einige Bleche zurecht bog. Es war kein ungewöhnlicher Anblick, solche Papiere an ihrem Arbeitsplatz vorzufinden, denn entgegen der Angewohnheit vieler Steamer und vor allem vieler ihrer Mitarbeiter, war sie eine eingefleischte Zeitungsleserin, selbst wenn das bedeutete, dass ein schmerzlicher Teil ihres Lohnes dafür drauf ging. Informationen waren Wissen und Wissen war Macht – sie wäre dumm, wenn sie sich nicht informiert halten würde. Sie hatte nicht vor, noch besonders lange auf dieser Insel zu verweilen, weil sie genau das war, was so viele ihrer Einwohner an ihr schätzten: Eine Oase des Friedens inmitten einer grausamen Welt und eines stürmischen Ozeans. Es war zwar eine vom Pleitegeier angefressene Oase, aber nichtsdestotrotz gefiel die Geldknappheit vielen der freundlichen Bewohner weitaus besser, als sich der gewaltvollen Realität da draußen beugen zu müssen. Sie waren gerne weitestgehend uninteressant für alles Gefährliche und könnten gut und gerne darauf verzichten, sich jemals von hier wegzubewegen. Ihr Beruf war zu ihrer Berufung geworden und wenngleich er recht wenig abwarf, so erfüllte er sie doch zur Gänze. Igraine fand diese Einstellung zum Leben irgendwie bewundernswert, aber dennoch bedeutete Isolation auch das Fernbleiben eben jener Menschen, gegen die sie sich wenden wollte und war daher für sie nicht mehr als ein vorübergehender Zustand, in dem sie sich hatte sammeln und vorbereiten können. Diese Zeitung hier, auf die sie alle paar Minuten einen langen Blick warf, war nur ein Vorgeschmack dessen, was sich in der winzigen Wohnung der jungen Frau befand. Sie hatte einen Habitus daraus entwickelt, die Artikel, welche sie interessierten, auszuschneiden und aufzuhängen. Das gesamte Zimmer, in dem sie schlief, war mit Drähten vollgespannt, an denen Artikel über die Marine und ihr Vorgehen hangen, säuberlich sortiert nach Motiven und Strategien. Man musste seinen Feind kennen, wenn man es mit ihm aufnehmen wollte, also hatte sie genau damit begonnen, während sie tagein, tagaus schlecht bezahlter Arbeit nachging. Immerhin, musste man gestehen, war die Gesellschaft aushaltbar. Der Großteil ihrer Mitarbeiter war zwar nicht unbedingt helle, aber zumindest angenehm freundlich und da sie mit dem Meister der Waffenschmiede gut zurecht kam, musste sie sich wenigstens nicht durch den Alltag quälen. Das einzige, was sie wirklich bedauerte, war das Fehlen weiblicher Kollegen, die die Aufmerksamkeit von ihr ziehen könnten. Sie war wirklich gut darin, sich unauffällig zu verhalten, aber als Frau fiel sie hier nun einmal auf wie ein Schwan im Pinguingehege. Andererseits konnte man auch daraus Vorteile schlagen und sei es nur das ein oder andere spendierte Mittagessen.
Weltregierung schickt wichtige Marinemitglieder zu Verhandlungen. Metallene Iriden fuhren zum ungefähr hundertsten Mal über die Worte, ehe Igraine eines ihrer Bleche in die vor ihr angebrachte Schraubklemme einlegte und festdrehte. Mit einem kleinen Hammer („Was ist denn das, ein Hammer für Mäuse?“) begann sie, die gefrästen Stücke in Form zu hauen, was eine zwar stupide Arbeit, aber auch ungemein entspannend war. Wer wünschte sich nicht, ab und an einfach allen Frust ablassen zu können? Was gab es da besseres, als stur auf Metall herumzuschlagen? *Auf andere Dinge einzuhauen, vielleicht?* Wieder ein Seitenblick auf die Zeitung. Es war keine Überraschung für sie gewesen, als sie den Artikel in der Zeitung gelesen hatte, auch wenn sie sicherlich so getan hatte, als würde es sie freuen, dass Steam vielleicht in Zukunft an mehr Geld kommen würde. Schon vor ein paar Tagen hatte sie die Information über das Interesse der Marine an der Insel voller Recycelkünstler einem reichlich betrunkenen Mann entlockt, der ein wenig zu fremd wirkte, als dass er ein Einheimischer hätte sein können. Von da an hatte sie nicht mehr stillgestanden, was man der müden Mattheit ihrer Augen inzwischen ansah, hatte statt ausreichend zu schlafen, lieber herumgewerkelt und nachgedacht, stundenlang über Plänen der Stadt gebrütet. Ihr war immerhin sehr schnell klar gewesen, was sie zu tun hatte, direkt nachdem sie die Neuigkeiten vernommen hatte: Ein Vertrag mit Steam würde der Weltregierung helfen, da die Insel ihres Wissens mehr zu bieten hatte, als man auf den ersten Blick erahnte, sodass sie es nicht dazu kommen lassen würde. Gleichsam bedeutete das aber auch, dass es nur eine Möglichkeit gab, wie sie ihr Ziel erreichen konnte: Wo keine Botschafter waren, war keine Botschaft. Wo diese fehlte, gab es kein Übereinkommen, sondern mit etwas Glück nur ein paar Anfeindungen beider Seiten mehr. Sie mochte die Bevölkerung von Steam, aber sie wollte noch mehr, dass die Marine endlich in ihre Reichweite rückte. Die Landschaft von Steam war perfekt für Hinterhalte, das hatte sie schon früh geahnt und nun erst richtig bemerkt, als sie sich mit dieser Theorie befasste. Unendliche, metallene Gassen, kleine Schleichpfade, derer man nur als Ortskenntlicher bewusst war – Fremde hatten hier verloren. Mit etwas Glück würde sie nicht in die Verlegenheit geraten, sich mit einem halben Heer anzulegen, denn dann wäre sie so oder so gekniffen… in diesem Falle würde sie wohl einfach ihr Schiff sabotieren und darauf hoffen, dass das die nötigen Konsequenzen mit sich zog. Und mit Sabotieren meinte sie spontan in seine Einzelteile zerlegen.
Mit den fertigen Blechen unter dem Arm, durchquerte sie die große Halle und legte sie auf den Stapel, der sich bereits neben dem Arbeitsplatz eines braunhaarigen Mannes mit knatschvioletter Brille und Ziegenbart gebildet hatte. Sie war der festen Überzeugung, dass der Kerl sie entweder einer gestrandeten Dragqueen abgekauft hatte oder vollständig farbenblind sein musste, aber solange er damit glücklich war… Mit einem Seufzen zog sie die Handschuhe aus, die ihr locker bis zu den Ellbogen reichten und ihr obenrum aufgrund fehlender Muskelbepackung an den Unterarmen mehr als nur zu groß waren und stopfte sie in ihre linke Tasche. Langsam wäre wohl Zeit für eine Mittagspause – die sie entweder mit Essen oder Schlafen verbringen würde, weil sie beides parallel trotz angeblicher Multitaskingfähigkeit nicht zustande brachte.
 

Lucian

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Eigentlich kam Lucian nicht gut mit Wiederworten klar, aber auf der anderen Seite hatte er auch noch nie jemanden an seiner Seite gehabt, der solche hätte geben können. Abschätzig betrachtete der Vicomte seinen Kameraden von oben herab, der daraufhin auch immer leiser wurde und schließlich sogar einen Schritt zurück wich und einlenkte. Lucian sah zu Boden und seufze schließlich leise. Er müsste unbedingt an seiner Geduld arbeiten und nicht immer direkt so aufbrausend reagieren. Marlon versuchte nur konstruktive Kritik einzubringen, mehr nicht. Mit einer Armbewegung rollte sein Ärmel wieder herunter und bedeckte die Hand, mit der er zuvor den Passanten angegriffen hatte. “Die Gesandtschaft der Marine direkt anzugreifen wäre nicht nur gefährlich, sondern auch dumm und würde uns – mir – keinen Nutzen bringen.“ Er bewegte den Kopf ruckhaft nach links und rechts und brachte dabei seine Nackenknochen zum knacken, ehe er sich wieder in Bewegung setzte, weiterhin Stadteinwärts. “Wenn wir die Marine angreifen lenken wir nur die Aufmerksamkeit auf uns und das ist das Letzte, was wir brauchen,“ erklärte er im gehen und ohne nach hinten zu sehen, ob Marlon ihm folgte. Von seiner „Leibwache“ erwartete er das. “Aber wenn Steam selbst die Botschafter angreifen würde ... dann könnte es zu einer Eskalation kommen. Kämpfe um die Insel, ein kleiner Krieg, zumindest jedoch eine Besatzung oder dergleichen.“ Je weiter sie ins Stadtinnere kamen, desto deutlicher wurde die Armut. Die metallenen Bauten hatten früher einmal bestimmt beeindruckend ausgesehen, doch Zeit, Regen und mangelnde Pflege hatten sie verrotten lassen. Lucian blieb vor einem mehrstöckigen Haus stehen, dessen Frontfassade ein Künstler mit ausgefallenen Reliefs verziert hatte, die durch den Rost kaum noch zu erkennen waren. Mit der Hand fuhr er über die künstlerische Arbeit und Spuren des rotbraunen Metalls blieben an seinen Fingern haften. “Diese Insel ist klein, unbedeutend und voller Bauern,“ murmelte er fast schon angewidert, verzog die Miene und wischte seine Hand an der Stoffwand eines Standes ab. “Wenn alles klappt und mit etwas Glück werden genügend Truppen von Monte Gomero abgezogen, dass mein Vorhaben einfacher wird. So hat diese nutzlose Insel doch noch einen Nutzen.“
Auch wenn er ohne irgendwelche besonderen Absichten, ja nicht einmal geplant nach Steam gekommen war, so stand sein Entschluss, nun seinen Vorteil aus dem Aufenthalt zu ziehen doch fest. Sicher, sein Plan war weder besonders ausgereift noch sicher, aber es war im Grunde wie beim Schach. Die Insel war ein Feld, die Bewohner ein Bauer. Er würde den Bauern opfern und so eine wichtige Figur des Gegners auf ein Feld locken, dass nicht weiter von Bedeutung war. Wenn der Gegner die Falle bemerkte, würde es längst zu spät sein. Jetzt ging es nur noch ums richtige Timing und darum, die richtigen Informationen zu bekommen. Denn Marlon hatte durchaus recht gehabt, sie müssten erst einmal die Lage kennen und bereit für eine schnelle Flucht sein. Als sie an einer Kreuzung kamen, blieb er stehen, zückte die Geldbörse und zählte die verbliebenden Geldscheine ab. Eins war klar, eine Söldnertruppe, Ausrüstung oder Kriegsmaschinerie würde er dafür nicht bekommen. Die Hälfte der Berrys drückte er Marlon in die Hand, die andere verschwand wieder in den Untiefen seiner weiten Ärmel. Dann löste er Mugetsu aus seinem Gürtel und überreichte es ebenfalls. “Sieh zu dass du genügend Vorräte bekommst und sorg dafür, dass sie auf das Schiff gebracht werden. Und dann mach irgendeinen Schmied glücklich und lass dass Schwert schleifen. Mit dem restlichen Geld mach was du willst.“ In anderen Worten „du darfst gerne deine eigene Waffe richten lassen und dir danach versuchen einen besseren Anzug zu bekommen“. Eigentlich brauchte der Shirasaya nicht mehr Aufmerksamkeit, als Lucian selbst ihr jeden Abend zukommen lies. Aber fürs erste sollte wenigsten der Anschein gewahrt bleiben, dass Marlon komplett in seinem Auftrag handelte. “Wir treffen uns dann später auf dem Schiff.“

Mit diesen Worten lies er den Mafioso stehen und ging den rechten Weg hinunter, der von mehr Kneipen- und Gasthausschildern gesäumt war, als die anderen. Für gewöhnlich war eine Bar immer der beste Ort um an Neuigkeiten zu gelangen, auch wenn es den Weißhaarigen nicht wirklich erfreute, ein solches Etablissement zu betreten. Er musste dann auch recht schnell feststellen, dass die ganzen Schilder irreführend waren. Die meisten Türen und Fenster waren barrikadiert, hier und da fand man sogar Nachrichten, dass dieses oder jenes Lokal pleite gegangen war. Schließlich entdeckte er eines, dass anscheinend noch geöffnet war. Das Schild über dem Eingang zeigte einen einzelnen Stern, dessen weiße Farbe gesplittert war und langsam abblätterte. ’Passent …’ Das Innere des Gebäudes war genau so erbärmlich, wie der Rest der Straße. Der typische Kneipengeruch blieb allerdings aus, was Lucian bestimmt gewundert hätte, wenn er darauf geachtet hätte. Aber wie das nun einmal so war, wenn etwas fehlte bemerkte man das niemals so schnell, wie wenn es da war. In einer Ecke saßen ein paar zusammengesunkene Gestalten in zerlumpten Mänteln an einem Tisch zusammen. Einer schnarchte leise, der andere nahm hin und wieder noch einen Schluck aus einer fast leeren Weinflasche ohne Etikett. Der Vicomte musterte beide kurz mit abschätzendem Blick, dann wollte er sich an den Tresen setzen, zuckte jedoch erst einmal zurück. Grund dafür war der Barkeeper, der daraufhin ein blechernes Lachen von sich gab. „Kehkekeke, hast wohl noch nie einen Fischmenschen gesehen, wo du her kommst, was kleiner Prinz?“ Mindestens zweieinhalbe Meter groß, dickbäuchig, mit einem feuerroten Bauch und zwei Scherenartigen Händen stand ein Fischmensch hinter dem Tresen, der enorme Ähnlichkeit mit einem Krebs hatte. “Eher das Gegenteil,“ meinte der junge Mann kühl und setzte sich auf einen wackeligen Barhocker. “Ich wundere mich eher über die große Anzahl, die ich in den letzten Tagen zu Gesicht bekomme. Und wie kommst du darauf, ich sei ein Prinz!?“
Die Stielaugen des Wirts zogen sich kurz zusammen und er stellte den Humpen ab, den er bis dahin poliert hatte. Wie er das mit seinen Krebsklauen schaffte, ohne das Glas oder den Lappen zu beschädigen, wollte Lucian gar nicht wissen. Dann hellte sich seine Miene wieder auf und er gab abermals sein gackerndes Lachen von sich. „Sieh dich an men Jung! Dein schicker Fetzen kostete sicher mehr als die meisten hier in einem Jahr verdienen. Was natürlich die Frage aufkommen lässt, was so ein pikfeiner Herr wie du überhaupt auf dieser Insel sucht ...“ Ohne Aufforderung holte er eine Flasche unter der Theke hervor. Mit einem Schnappen seiner Klaue kappte er das obere Ende glatt ab und goss den Inhalt in ein Glas, welches er Lucian zuschob. Den Rest entlehrte er in seine eigene Kehle. Wortlos starrte der Vicomte auf den Grund der dunkelroten Flüssigkeit, bei der es sich wohl um Wein handeln musste. Er konnte nicht behaupten, sich in der Gegenwart der Krabbe wohl zu fühlen. “Informationen,” antwortete er kurz angebunden und nahm unter dem Lachen des Wirtes einen kleinen Schluck. Es schmeckte besser als Erwartet. “Ja, ja, wer auf Steam landet, der hat entweder einen großen Plan oder keine Hoffnung mehr. Zu welcher Sorte du wohl gehörst ...?“ Der Säufer, der bis eben geschlafen hatte, wachte mit einem erstickten Schrei auf und bekam als Antwort sofort eine Flasche von dem Krebsmenschen gegen den Kopf. Sie zerschellte und der Mann viel zurück in seligen Schlummer. Lucian zog eine Augenbraue hoch, woraufhin die Krabbe mit den Schultern zuckte. “Und du?“ gab er die Frage des Barkeepers zurück, da dieser Augenscheinlich auch nicht von hier kam. „Ich? Ich Fall aus der Reihe men Jung. Ich warte hier nur.“ “Warten, worauf?“
„Na darauf dass hier mal etwas interessantes passiert!“ Wieder erklang das gackernde Lachen und der fette Fischmensch kam hinter der Bar hervor. Er ging auf zwei ungewöhnlich kurzen Beinchen und hatte anscheinend keine Füße. Wie ein Krebs eben. „Könnt’ schon bald soweit sein,“ meinte er in verschwörerischem Ton zu Lucian, der den Rest des Weins herunter schüttete. „Genau in diesem Moment legt nämlich eine Gesandschaft der Marine an. Wohlgemerkt nur die Botschafter, denn die Aufpasser wurden auf Kaba aufgehalten, kehkekekeke. Man flüstert, die Gesandschaft würde versuchen wenig aufzufallen und direkt durch das Schmiedeviertel zur Trashreederei gehen.“ Mit einer unerwartet hohen Geschwindigkeit stand der Krebs plötzlich genau neben ihm und presste ihn mit einer seiner Klauen gegen sich und flüsterte: „Aber das sind sicherlich nicht die Informationen, die du suchst, oder?“ Mit einem Ruck stieß der Fischmensch Lucian von seinem Hocker auf den Boden und brüllte dann laut „Speerstunde ihr Säufer, ich mach den Laden für heute zu!“ Wütend und in seiner Ehre verletzt, (ganz zu schweigen davon, dass der Eigengeruch der Krabbe wirklich widerwärtig war) verließ Lucian die Spielunke mit den anderen beiden Säufern. Am liebsten hätte er die Krabbe in ein Becken mit kochendem Wasser geworfen. Aber diese Situation war einfach zu surreal gewesen. Es schien fast so, als hätte der Krebs gewusst, was Lucian vorhatte. Aber immerhin hatte er sofort erfahren, was er wissen wollte. Jetzt hieß es nur noch, schnell ins Schmiedeviertel zu kommen, ehe die Abgesandten es zur Reederei schafften!


Die Marine hatte einen eigenen, kleinen Hafenteil für sich allein. Leider war er im vergleich zu anderen Inseln wirklich sehr klein, denn mehr als zwei Marineschiffe konnten nicht gleichzeitig anlegen. Kapitän Kranich betrachtete die Insel und den kleinen Dockbereich, den man für ihn reserviert hatte, mit abschätzenden. Es war nicht seine Entscheidung gewesen, einen Vertrag mit Steams Werfen einzugehen, er war nur für die Verhandlungen geschickt. Und eins stand fest, da würde er hart durchgreifen. Missmutig verschränkte er die Arme auf dem Rücken und sah dabei zu, wie seine Matrosen das Schiff fest machten. Man hatte ihm nur ein halbes Dutzend gegeben! Nur!! Dabei war seine eigentliche Mannschaft bedeutend größer! Aber nein, dieser miese Versager aus dem South Blue hatte seine Männer bekommen, um einen unbedeutenden Piraten aufzuhalten! Der in Ungnade gefallene. Dabei war er eigentlich als Verstärkung und Bewacher gedacht! Jetzt waren sie hier und von dem Großmaul war keine Spur zu sehen. Der Kapitän richtete seine Uniform und vor allem den teuren, pompösen Hut in Kranichform, der so gut zu seinem Namen passte. Diese Bettler sollten sehen, mit wem sie es zu tun hatten. Damit verstieß er zwar gegen den direkten Befehl, Inkognito zu bleiben, aber das war es ihm wert. Er würde vor diesem pack nicht verbergen, wie wichtig er war! Es war schlimm genug, dass sie nicht die Hauptstraße nehmen durften, sondern durch das armselige Schmiedeviertel mussten. Die Sorge war jedoch durchaus berechtigt. Einige wenige Steamer waren mit dem kommenden Bündnis nicht zufrieden, im Gegenteil. Sie gaben der Weltregierung die Schuld an ihrer Wirtschaftskrise und bemängelten zuwenig Hilfe. Aber der Teil war zu gering um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Niemand wusste, welche Route sie nehmen würden, also war ein Hinterhalt oder ein Angriff nicht zu befürchten. Und selbst wenn, er war der große Kapitän Kranich! Er brauchte keinen Wachhund aus dem Sout Blue! Der Marinekommandant warf einen letzten Blick aufs Meer, aber von dem zweiten Schiff fehlte weiterhin jede Spur. Wenn das so weiter ging, würden sie zu spät kommen. Sein Entschluss war gefasst. „Määänner,“ kreischte er mit seiner schrillen Stimme, „Wir brechen auf!“
 
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Nickend hörte Marlon dem Plan seines Kapitäns zu. Er war simpel, effektiv und vollkommen gnadenlos, drei Punkte, die noch weiter für den weißhaarigen Adeligen als Marlons Kapitän sprachen. Gewiss, er würde nicht ohne Opfer ablaufen, namentlich die Bewohner dieser Insel, doch was das anbelangte, spürte Marlon nicht den Hauch eines Gewissensbisses. Die Welt war ein Schlachtfeld und wenn man sich von solchen Dingen wie dem eigenen Gewissen oder Mitleid ausbremsen ließ, dann blieb man auf der Strecke. Es war nicht fair, gewiss nicht, aber das hatte auch niemand behauptet. Das Leben war hart, entbehrungsreich und unfair und je eher man sich damit abfand, desto eher konnte man daran arbeiten, doch ein wenig davon zu profitieren. Aber das funktionierte eben nur, wenn man sich Mitleid und Güte für ein paar wenige Personen aufsparte. Namentlich die eigene Familie und wirklich, wirklich enge Freunde.

"Sieh zu dass du genügend Vorräte bekommst und sorg dafür, dass sie auf das Schiff gebracht werden. Und dann mach irgendeinen Schmied glücklich und lass dass Schwert schleifen. Mit dem restlichen Geld mach was du willst. Wir treffen uns dann später auf dem Schiff." Mit diesen Worten überreichte sein Kapitän Marlon eine stolze Summe Berry sowie eines seiner beiden Schwerter. Kurz zählte Marlon die Summe nach und nickte. Auf anderen Inseln hätte man für diese Summe gerade einmal eines von Beidem erledigen können, doch die niedrigen Preise bei gleicher Qualität auf Steam waren berüchtigt. Mit etwas Glück blieb sogar noch etwas für ein neues Parfüm übrig oder das Richten lassen seiner Klinge. Wenn er so darüber nachdachte, dann hatte zweiteres sogar Vorrang, immerhin planten sie hier einen Anschlag. Da durfte kein Detail ausgelassen werden. Auch wenn es auf Kosten seines Erscheinungsbildes ging. Dazu gehörte auch der Geruch! "Aye aye, Kapitän", erwiderte er mit einem kurzen, zackigen Salut. Dann machte er sich daran, einen Schmied zu suchen, der kompetent und doch arm genug aussah, um ihm einen guten Preis aus den Rippen zu leiern. Gute Qualität musste nicht teuer sein.

Es hatte ein wenig gedauert, doch schließlich hatte Marlon gefunden, wonach er gesucht hatte. Ein kleiner, kaum frequentierter Schmied, dessen ausgestellte Waren Marlon als Sohn einer Waffenhändlerin sofort als "brauchbar" einstufen konnte. Der Schmied war klein, alt und trug ein geblümtes pinkes Hemd, ein modischer Fauxpas, wie er auf dieser Insel öfter zu begutachten war. Aber er machte seine Arbeit billig, schliff Lucians Shirasaya und begradigte Marlons Klinge zu einem Spottpreis und war dabei so höflich, dass Marlon fast gelacht hätte. Er schien vollständig in seinem Beruf aufzugehen und gab freimütig zu, dass er mit seinem Geschäft kaum genug zum Leben machte, aber ihm das auch ziemlich egal war, so lange er tun konnte, was er liebte. Marlon schüttelte im Weitergehen den Kopf. Glücklicher Spinner. Doch er wollte sich nicht beklagen, denn das Schwert seines Kapitäns war perfekt geschliffen, seine eigene Wurfklinge begradigt und er hatte immer noch eine gute Summe Berry zu seiner freien Verfügung. Wenn er auf dieser Insel jetzt noch eine gute Boutique finden würde...

"Haach, willkommen, willkommen. Ach Gottchen, so ein staatlicher Herr! Ich bin Federico Federini, Schneider und Parfümeur, stets zu Diensten!" Emsig wuselte die hochgewachsene, schlacksige Gestalt in tadellos sitzendem Gehrock um Marlon umher, der einen Geruch von Flieder und Aprikosen wahrnahm, während Federini seine Maße nahm. Offensichtlich war er direkt in eine erlesene Boutique für Herren von Geschmack gestolpert, denn im Gegensatz zu den meisten Gebäuden dieser Insel hatte das "Federfez" schon von Außen prächtig gewirkt, ein Eindruck, der sich im Inneren nur noch fortsetzte. Der Besitzer verstand sein Handwerk augenscheinlich sehr gut, erzählte Marlon munter, wie er Herren sämtlicher Coleur einkleidete, doch selten dazu kam, sein wahres Talent zur Entfaltung zu bringen. Eine Tatsache bei der der Koch ihm schon nach kurzer Schau recht geben musste, denn der Anzug, den Federini kurz darauf aus einer Klamottentruhe zauberte, war von erlesener Qualität. Ebenso das Parfüm, welches er Marlon dazu anbot. Eine eigene Kreation von moi, es heißt Meeresschaum. Ideal für den Herren, der viel zur See unterwegs ist und nach mehr riechen will als Salzwasser und Möwen." Marlon kaufte beides, Anzug und Parfüm, auf der Stelle. Als er sich schließlich nach draußen begab trug er einen Anzug aus schwarzer Seide mit helltürkiser Krawatte und roch nach exotischen Kräutern mit einem Hauch von See darin, ein angenehmer Geruch ohne Zweifel. Federini winkte ihm zum Abschied und überschlug sich fast vor Freude über das ganze Geld, welches Marlon ihm zusätzlcih dagelassen hatte. Mehr als fünfzig Prozent des Geldes, welches Lucian ihm gegeben hatte war für diese beiden Neuanschaffungen verpulvert worden, doch Marlon sah es mitnichten als Verschwendung an. Ein Mann, der nach nichts aussah, war nichts wert. Jetzt würde er nur noch Vorräte einkaufen müssen und sich dann am Schiff wieder einfinden können, zwecks Besprechung der Lage und Taktik.

Während Marlon in Gedanken bereits seine Einkaufsliste zusammenstellte machte er sich auf den Weg zum großen Markt. Viel zu spät bemerkte er die unauffällige Gestalt, die in abgetragenen Arbeitsklamotten einherschritt und deren Weg sich genau mit seinem kreuzte. "Hoppla!", brachte Marlon gerade noch hervor, ehe er mit der Gestalt zusammenstieß. Die weiche, sanfte Berührung ließ dabei für ihn keinen Zweifel, dass es sich um eine Frau handelte und so bewegte er sich vollständig instinktiv: Anstatt zur Seite zu treten und sein Gegenüber fallen zu lassen, umschloss er es sanft mit seinen Armen und bewahrte es so davor, zu Boden zu stürzen. "Verzeihung", lächelte er, während er der Dame wieder auf die Füße half und sich leicht verbeugte. "Ich habe wohl nicht auf meinen Weg geachtet. Meine innigste Entschuldigung, werte Dame. Marlon Barino ist mein Name, zu Euren Diensten." Er lächelte ein leicht verschmitztes, leicht zuvorkommendes Lächeln und offerierte ihr seine Hand, wie um ihn mit zu schleifen, damit er ihr sofort zu Diensten sein konnte, bei was auch immer sie welche benötigte.
 

Igraine

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Die Wahl war auf ein kurzes und dabei dennoch ungemein erfrischendes Nickerchen gefallen, das sie in einer provisorischen Hängematte aus Planen unter dem Dach der Werkstatt abgehalten hatte. In Anbetracht ihrer weiteren Pläne für den Tag, hatte sie ihre Konzentrationsfähigkeit einem angenehmen Sättigungsgefühl vorgezogen und lieber in Kauf genommen, dass ihr der Magen gefühlt in den Kniekehlen hing, als dass sie spontan auf Schnarcher anstelle von anderen Waffen umsatteln musste. Nichts wäre ärgerlicher gewesen, als sich nach ein paar durchgemachten Tagen auf die Lauer zu legen und schließlich die Ankunft der Menschen zu verpassen, die man sich zum Ziel auserkoren hatte, weil man dummerweise eingeschlafen war. Entsprechend wirkte sie nicht mehr vollends wie ein Panda, sodass sie unter Menschen sicherlich nicht mehr als sonst auch auffallen würde, was ihr gerade recht war. Es war bereits eine Herausforderung, sich auf Steam zu tarnen, wenn man nicht ganz so enthusiastisch Schrott gegenüber war, aber im Gegensatz zur Mond Insel liefen hier die Leute hier auch einigermaßen ausgeschlafen und fröhlich herum, wie bitterarm sie auch sein mochten. Sicherlich konnte sie sich deutlich komplizierte Szenarien vorstellen, aber wenn man gerade über Mord und Totschlag nachdachte, musste man wenigstens wach sein, damit man sich nichts anmerken ließ. Nach ihrem Nickerchen suchte sie einen ihrer Mitarbeiter auf und nahm sich fünf Minuten kostbarer Zeit, um ihn zu bequatschen, dass er ihre Spätschicht mit übernahm, wenn sie dafür den nächsten Morgen für ihn deckte. Unter anderen Umständen hätte sie sich vielleicht sogar ein brauchbares Alibi besorgt, aber sie war sich sicher, dass sie es nicht brauchen würde, egal, wie die ganze Geschichte denn nun ausging: Wurde sie erwischt, war es sowieso aus, also wurde diese Option erst gar nicht bedacht; kam man auf die Idee, sie des Mordes zu bezichtigen, würde sicher jeder ihrer Kollegen dem Kläger den Vogel zeigen und ihn fragen, ob er sie noch alle hatte. Der Trick lag darin, unter dem Deckmantel eines gut aufgebauten Images das genaue Gegenteil zu sein und so zu handeln, wie niemand erwarten würde. Igraine war nett, freundlich und konnte keiner Fliege etwas zu Leide tun, also würden das um die zwanzig Männer sicherlich bestätigen, auch wenn sie genau wussten, dass sie im betreffenden Zeitraum nicht bei ihnen gewesen war. Menschen waren im Grunde ihres Herzens vertrauensselig, weil sie sich in diesem Zustand wohl fühlten und die junge Frau wusste das sehr genau, da es ihr ebenso ging. Der große Unterschied zwischen ihren und den Gefühlen anderer war also nicht, dass sie diese nicht kannte oder gar mit fehlendem Respekt behandelte, sondern einfach, dass sie sich nicht von ihnen leiten lassen würde. Es wäre sehr schön, wenn sie sich auch nur auf einen einzigen Menschen auf dieser Insel vollkommen verlassen könnte, aber sie wusste genau, dass sie das nicht vermochte. Natürlich gab es Individuen, die sie schätzte, weil sie freundlich, nett oder hilfsbereit waren, aber sie würde den Teufel tun und jemandem erklären, was wirklich Sache war. Zumindest die Menschen auf dieser Insel waren nämlich so friedliebend, dass sie mit derart groß angelegten Plänen, die nur dazu dienten, eine definierte Anzahl von Menschen ihres Lebens zu berauben, einfach nicht klarkommen würden. Sie schätzten die Ereignislosigkeit und Abgeschiedenheit der Insel – Igraine würde daran noch irgendwann zu Grunde gehen. Sie schnappte sich zwei bereits zuvor gepackte Taschen, knotete sie an ihrem Gürtel fest und machte sich aus dem Staub.

Der Weg in Richtung Hafen war mit Menschen gefüllt, was zum einen sehr vorteilhaft war, weil man in der Menge untergehen konnte, sich zum anderen allerdings auch als nervig herausstellte, da sie zwischen Körpern hindurchmanövrieren musste, die nicht alle ihre direkte Richtung ansteuerten und ihr daher ein, zweimal in die Quere kamen. Normalerweise sah man Leute ja auch kommen, wenn sie sich auf allzu krassem Kollisionskurs mit einem befanden, nicht etwa wie die Person, die kurz vor Einbiegen ins Hafengebiet auf einmal aus einem toten Winkel auftauchte und einen Zusammenprall somit unmöglich machte. Da sie bereits geistig einen Schritt weiter und ihr Blick in eine andere Richtung gerichtet gewesen war, kam der erste Eindruck des mobilen Hindernisses nicht auf optischem, sondern auf olfaktorischem Wege und irritierte sie bereits maßlos. Zwar kam sie nicht von Steam, aber sie hatte inzwischen lange genug hier gelebt, um sich an die Bewohner der Insel zu gewöhnen, sodass sie sofort wusste, noch ehe sie darüber nachdachte, dass dieser Kerl nicht auch nur im Geringsten von der Insel stammte. Er roch einfach nicht danach und das sagte sie, obwohl sie es nicht darauf anlegte, besonders intensiv an ihm herumzuschnüffeln. Wahrscheinlich war das gewollt, war daher ihr erster Gedanke, um sich sofort und ohne Zweifel von der armen Bevölkerung abzuheben. Sie kannte solche Leute, auch wenn sie eher selten auf der Insel waren, da es hier einfach nichts zu holen gab, wenn man nicht gerade leidenschaftlich gerne Schrott sammelte oder vielleicht auch Kunst, die aus solchem gezimmert worden war. Das war der erste Minuspunkt, den der Fremde in der ersten Sekunde zu sammeln in der Lage war. Kompensiert wurde das jedoch durch die Tatsache, dass er keine Anstalten machte, sie von sich zu stoßen und ihr Schmähungen hinterher zu rufen, weil sie es gewagt hatte, seine teure Kleidung riskiert zu haben – was bei solchen Leuten aus Erfahrung gesprochen durchaus passieren konnte – sondern sie festhielt und sich entschuldigte. Damit startete er also summa summarum auf einem neutralen Nullpunkt und wurde eine Sekunde kurz gemustert. Eigentlich wirkte er ja ganz in Ordnung. Um genau zu sein wirkte er sogar viel zu sehr in Ordnung und genau das war es, was Igraine ein wenig misstrauisch machte. Sicherlich nicht auf die Art, die sie Messerstecher hinter jeder Ecke vermuten lassen würde, sondern in der Sparte, die unter weibliche Intuition fallen würde: Dieser Marlon gebärdete sich so perfekt galant, dass sie nicht glauben konnte, dass das nicht wenigstens halbwegs einstudiert war. Stimmte das wiederum, dann war er jemand, der mit seinen Umgangsformen beeindrucken oder manipulieren wollte und solche Menschen – zu denen sie übrigens in gewisser Weise auch zählte – verfolgten damit oft ein Ziel. Allerdings hatte sie diesen Mann noch nie gesehen und konnte ziemlich genau einschätzen, dass sie weder nach dem perfekten Opfer für Raubüberfälle aussah, noch das High End der Attraktivität auf dieser Insel war, sodass ihr nichts einfiel, was das Ziel in diesem Fall sein konnte. Dennoch sagte ihr etwas, dass sie Worte in diesem Fall besser nicht auf die Goldwaage legte – allein schon, weil sie mehr von einem Kanalarbeiter als einer Dame hatte. Mit Ausnahme des Geruchs wahrscheinlich. Die metallenen Iriden der jungen Frau huschten zum Schluss ihrer Musterung zu den hellbraunen Augen des Blonden und verweilten dort eine ganze, lange Sekunde, ehe ihr Blick weiter sprang und irgendwo drei Meter von ihr entfernt auf dem Boden verweilte. Na dann war ja alles klar, da hatten sie ihr Ziel ja doch.

„Aber nicht doch, das war mein Fehler. Verzeihen Sie bitte, ich war mit meinen Gedanken woanders.“ Zwar hob sie den Blick wieder, während sich ein Lächeln auf ihren Lippen breit machte, aber ihre Augen näherten sich den seinen nicht weiter als fünf Zentimeter und blieben stattdessen kurz auf seinem Jochbein hängen, ehe sie wieder ein wenig absackten. Vielleicht hätte sie sich an einem anderen Tag aus Spaß die Zeit genommen, dem feschen Blonden ein wenig auf den Zahn zu fühlen, aber gerade jetzt war der Zeitpunkt reichlich ungünstig. Sie hatte in sehr naher Zukunft anderes zu tun, also wandelte sich ihr Gesichtsausdruck in Bedauern, damit er sich nicht abgespeist fühlte und sie seufzte: „So gerne ich Ihre Dienste in Anspruch nehmen würde, habe ich leider einen Termin und bin daher vollkommen verplant. Es geht sozusagen…“ Einen Moment herrschte Stille, ehe eine Sekunde lang, beinahe wie ein Gespenst, ein schiefes Grinsen über ihr Gesicht huschte, halb verdeckt von kurzen schwarzen Haaren. „…um Leben und Tod.“ „So?“ Der Fremde hob eine Augenbraue in einer Geste, die sich wahrscheinlich zwischen Neugier und Amüsement einordnen ließ, ehe er seine Hand zurück zog und verkündete: "Dann lassen Sie sich von mir nicht aufhalten. Was für ein Mann wäre ich, einer Frau in Nöten im Weg zu stehen? Aber wenn wir uns zufällig noch einmal über den Weg laufen, dann muss ich darauf bestehen, Sie einmal zum Essen einzuladen um mich in angemessener Form zu entschuldigen." Igraines Magen rebellierte bei dem Gedanken an Essen, also verkniff sie sich einen Kommentar dazu und lächelte nur erneut, ehe sie den Blick dieses Mal wenigstens kurz über Marlons Augen wischen ließ und sich mit einem „Bis zum nächsten Mal dann… vielleicht?“ verabschiedete, ehe sie in die nächste Seitenstraße bog. Ihre Gedanken waren innerhalb weniger Sekunden bereits wieder von dem sonderbaren Fremdling in dem schicken Anzug und seinen hübschen hellen Haaren zu dem gewandert, das sie hier irgendwo erwarten würde.
 

Lucian

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Auf den ersten Blick war es schwer, Unterschiede zwischen den einzelnen Stadtteilen von Steam zu erkennen. War man gerade noch in einer Markpassage, so war die nächste Abzweigung bereits wieder ein Wohnviertel. Alles war aus Stahl, alles war von den Gezeiten gezeichnet. Aber wenn man näher hin sah, so merkte man doch kleine Unterschiede, zumindest wenn man darauf achtete. So hatte Lucian eben die ersten Ausläufer des Schmiedeviertels erreicht und konnte feststellen, dass die metallenen Gebäude hier ein kleines wenig besser in Schuss als in den anderen Gebieten, die der Adelige bisher gesehen hatte und auch ein wenig mehr verziert. Immer wieder blitzte hier auch frisch angebrachtes Eisen auf, dass noch gräulich und silbern glänzte und frei von Rost war. Doch für all das hatte der Vicomte nur wenig Aufmerksamkeit übrig, denn mit seinen Gedanken war er ganz woanders. Wenn dieser widerliche Krebsmensch recht hatte, dann wäre die beste Möglichkeit, die Gesandtschaft zu töten doch kein wohl ausgefeilter Plan, sondern das Nutzen der Gunst der Stunde. So ganz wollte er es nicht glauben, aber die Hoffnung blieb. Das größte Problem, vor dem er stand, wenn der Barkeeper recht behalten sollte, war dass er es alleine mit den Botschaftern aufnehmen müsste. Er kannte diese verdammte Stadt nicht und es war mehr als unwahrscheinlich, dass er Marlon noch rechtzeitig genug finden würde. Mit etwas Glück führte der blonde Kämpfer gerade seinen Auftrag aus und befand sich in irgendeiner der Schmieden, weswegen er immer wieder kurz langsamer wurde um in diese oder jene Einrichtung zu spähen. Aber dieser Ort hieß sicherlich nicht ohne Grund „Schmiedeviertel“, denn davon gab es einfach zu viele. Er würde es darauf ankommen lassen und es alleine versuchen. Insgeheim nagte es noch immer sehr an Lucians Selbstvertrauen, dass er es nicht geschafft hatte, Artos alleine zu erlegen. Nein, wenn man es genau nahm, war es letzten Endes auch nicht er, sondern Marlon, der den obersten Aufseher getötet hatte.

Seine Schritte wurden langsamer und schließlich blieb er stehen, als er an einem Laden vorbei kam, der Spiegel verkaufte. Keine aus Silber, selbstverständlich, sondern aus poliertem Stahl, aber auch diese waren auf dieser Insel bestimmt ein Luxusgut. Nachdenklich besah er sich in einem mannshohen Exemplar und blickte an sich selbst herab. Zumindest in einem hatte die Krabbe auf jeden fall recht, in seinen Kleidern fiel er auf wie ein bunter Hund. Das war schlecht, mehr als schlecht. Es würde überhaupt nichts bringen, wenn jeder mögliche Zeuge bestätigen konnte, dass der Mörder der Marineabordnung ein weißhaariger Mann in einem kostspieligen, weißen Seidenkimono gewesen sei. Jedem Idioten würde dann klar sein, dass es niemand von dieser Insel gewesen war, sondern ein Fremder. „Ein paar Berrys für einen armen Gefallenen?“ In einer Spalte zwischen dem Laden und dem Nachbargebäude hockte ein älterer Bettler der Lucian Hoffnungsvoll einen Zinnkrug entgegen reckte. Er trug einen langen, deutlich abgenutzten Umhang in einer neutralen, grau-braunen Farbe, die fast perfekt zu den umstehenden Gebäuden passte. Der Adelige hatte bereits eine ablehnende Beleidigung auf den Lippen, aber dann überlegte er es sich anders. Musternd betrachtete er den Mann. Dann holte er ein paar Geldscheine aus seinem Ärmel, eine ganz ansehnliche Summe für einen Bettler. "Gehört alles dir," meinte er mit einem vielversprechendem Lächeln, zog aber im selben Moment den Arm zurück. "Aber dafür will ich deinen Umhang." Der Alte wirkte einen Augenblick verwirrt und sah an sich herab, aber dann nickte er zufrieden und kam mühsam in die Höhe. Er begann bereits sich das Kleidungsstück über den Kopf zu streifen, aber Lucian hob die Hand. "Nicht hier, dort drüben," meinte er und nickte in eine Seitengasse. Der Bettler folgte ihm in den Durchgang der so schmal war, dass sie nicht nebeneinander hätten stehen können. Abseits von neugierigen Augen legte der Mann nun seinen Umhang ab und reichte diesen an den Adeligen weiter. Der Vagabund war größer als man auf den ersten Moment annahm und der Umhang, den sich Lucian umband, verhüllte diesen fast bis zu den Füßen. In diesem Augenblick war es wirklich passend, dass er keine Schuhe trug. Der Alte, der nun nur noch dünne Unterkleider trug, streckte mit einem zahnlückigen Lächeln seinen Bettlernapf aus, während sich der weißhaarige die Kapuze über den Kopf zog."Natürlich, deine Belohnung ..." Schnell griff er den Mann an Schädel an Schulter und rammte ihn mit aller Kraft gegen die Seitenmauer. Es knackte unangenehm und der Unglückselige brach zusammen. Den Mantel hatte er gebraucht, einen Zeugen der sagt woher er ihn hatte hingegen nicht. Mit einem schwachen Lächeln trat er aus der Gasse und betrachtete sich abermals in dem selben Spiegel wie zuvor. Zufrieden stellte er fest, dass er sich nun kaum mehr von den restlichen Steamern unterschied, höchstens darin, dass seine Kleidung oberflächlich betrachtet noch einmal ein Stück weit erbärmlicher war. Dafür nahm er sogar den unangenehmen Geruch in kauf. Das eine Schwert, dass noch in seinem Gürtel steckte, war durch den Umhang verhüllt. Im Grunde perfekt.

Gemächlicher, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ging der „Bettler“ Lucian weiter die Straßen entlang, die in etwa zum Hafen führte. Die Marinekämpfer würden von dort kommen und je näher er diesem war, desto unwahrscheinlicher wäre es, die Botschafter zu verpassen. Er bog gerade in eine befülltere Straße ein, als eine kleine Person plötzlich in seine Seitengasse wollte und gegen ihn prallte. Steam selbst war vielleicht groß, aber diese Welt war dennoch klein. Dass Igraine, kaum dass sie mit Marlon kollidiert war, nun gegen Lucian stieß, war wirklich ein ungewöhnlicher Zufall. Wie schon sein Gefolgsmann zuvor streckte auch der Vicomte den Arm aus und umklammerte den dünnen Arm der jungen Frau, aber im Gegensatz zu dem adretten Mafioso war er nicht so freundlich und charmant. "Kannst du denn nicht ...," setzte er an, als er sich die Dunkelhaarige genauer ansah. Irgendetwas an ihrem Gesicht, etwas, dass er nicht genauer bezeichnen konnte, schürte die Wut in seinem Inneren. Mit der freien Hand ergriff Lucian das Gesicht der Frau und reckte es mit mehr oder weniger sanfter Gewalt hin und her. Sie kam ihm irgendwie vertraut vor, ganz vage nur, aber etwas an ihr kam ihm sehr bekannt vor. "Habe ich dich schon einmal getroffen?" fragte er geistesabwesend und stieß Igraine dabei von sich weg. Dann bemerkte er Marlon, der einen nagelneuen Anzug trug und in diesem fast ebenso auffällig war, wie er selbst es bis vor kurzem gewesen war. "Marlon, komm her!", zischte er leise, aber eindringlich und bedeutete dem Mann mit einer Geste näher zu kommen. "Ich habe ein Gerücht gehört, dass die Botschafter jeden Augenblick hier lang kommen werden UND dass sie auf ihre Aufpasser verzichten müssen. Wenn das stimmt, ist es ein wahrlich glücklicher Umstand! So wie du gekleidet bist, erregst du zu viel Aufsehen. Geh zum Hafen. Wenn du das Marineschiff findest, dann geh an Bord und bringe jeden um, den du dort findest. Ich will nicht ..." Was genau er nicht wollte, blieb er Marlon schuldig, da in diesem Augenblick der kleine Tross der Gesandtschaft sich lauthals einen Weg durch die menge bahnte. „Macht Platz, Bewohner von Steam. Ich, der große Kapitän Kranich, verlange durchlass im Auftrag der Marine und der Weltregierung!“ Die Menge teilte sich, kaum dass die Soldaten in den imposanten Uniformen nahe kamen. In nicht einmal einem Meter abstand ging der Kapitän an ihm vorbei, als er in die Seitenstraße abbog, während Lucian nur glotzen konnte. Mit so einen Mann hatte er nicht gerechnet. Wenn der so weitermachte, dann würden die Steamer ihn tatsächlich selbst umbringen ...
"Geh, los. Damit werde ich alleine fertig. Sieh zu, dass keine Verstärkung mehr kommt und schalte die Teleschnecke aus!" Mit diesen Worten schlug er dem Anzugträger gegen die Schulter und folgte dann Kranich und seinen wenigen Männern.
 
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Andere Männer hätten der Dame vielleicht nachgestellt oder sich ihr Gesicht gemerkt, doch Marlon war weder ein Stalker noch ein Kopfgeldjäger. Für ihn war diese Begegnung gerade eben weder vom Schicksal diktiert gewesen noch hatte sie irgendeinen tieferen Sinn - es wäre sicherlich nett gewesen, wenn sich etwas daraus ergeben hätte, doch er war auch mit dem Verlauf, den die Ereignisse so genommen hatten zufrieden. Jetzt war ohnehin erst einmal Einkaufen an der Reihe. "Wir sind viel unterwegs, also vor allem haltbare Waren", begann er zu überlegen. So würde er seien Einkaufsliste zusammenstellen müssen: Nach Bedarf. Sie waren hier nicht längerfristig, also würde er Fehler in der Einkaufsliste später nicht mehr korrigieren können. Da galt es jetzt, doppelt und dreifach gründlich zu sein. "Andererseits muss ein ordentlicher Mix aus verschiedenen Nährstoffen gewährleistet sein. Eingelegtes Fleisch, Räucherfisch, Butter, Salz, haltbares Gemüse und Obst... Vielleicht auch ein wenig Frisches, um Lucian bei Laune zu halten..." Ja, das klang vernünftig. Er würde ein paar Luxusgüter kaufen, wenn er das Geld dafür später noch besaß, damit er Lucian zumindest für einen oder zwei Tage ernähren konnte wie dieser es vermutlich gewohnt war, bevor sie auf die im Vergleich eher karge Seemanskost zurückgreifen mussten. Marlon verstand genug vom Kochen um zu wissen, dass sogar der Geist mitaß, vermutlich sogar noch mehr als das Auge.

"Marlon, komm her!" Darüber, seinen Kapitän zu sehen, wunderte Marlon sich nicht halb so sehr wie darüber, wen er gepackt hielt: Die junge Frau von vorhin! Diese Insel war wahrhaftig klein. Zeit dazu, diesen Zufall zu kommentieren fand Marlon jedoch nicht. Lucian hatte Befehle für ihn und diese waren ausgesprochen klar: Geh' zum Hafen, finde das Schiff der Marine, töte jeden der sich darauf befindet und sorg' dafür, dass kein Nachschub mehr kommt. Kurz, knapp, verständlich. "Aye, Käptn. Viel Erfolg. Ach übrigens, in Weiß hast du mir besser gefallen." Mit diesen Worten verschwand der kämpfende Koch durch eine Seitengasse und machte sich auf den Weg zum Hafen. Sein Kapitän hatte Recht, in dieser Stadt fiel er auf wie ein bunter Hund und das konnte er jetzt nicht gebrauchen, nicht in so einem Auftrag. Aber er würde diesen Anzug, ein wahres Meisterstück, um nichts in der Welt hergeben oder auch nur riskieren, dass ihm etwas geschah!

Ebenso wie Marlon war das Schiff der Marine im Hafen kaum zu übersehen. Der blaue Rumpf, die weißen Segel mit der mächtigen Möwe darauf und die patroullierenden Soldaten waren ebenso gut wie ein entzündetes Leuchtfeuer oder ein Nebelhorn. Zu dumm nur, dass das Eindringen bei weitem nicht so leicht sein würde, wie dieses Schiff zu finden. Doch Marlon war kein Anfänger auf diesem Gebiet und auch wenn er sich einen fatalen Fehler erlaubt hatte, der ihn erst in diese Situation gebracht hatte, war er ein Profi. Dieses Schiff war imposant, groß und gut bewacht, doch je größer etwas war, desto mehr Raum hatte es für Schwachstellen. Und es war Marlons Aufgabe, eine dieser Schwachstellen zu finden und auszuweiten, bis er hindurchschlüpfen konnte, um seinen Auftrag durchzuführen.
Das Krähennest desSchiffes war ein wenig unbequem, doch Marlon beschwerte sich nicht. Offensichtlich transportierte das Schiff genau neben dem der Marine Waren, denn nach kurzer Inspektion hatte Marlon mehrere Kisten mit verschiedenen Nummern darauf gefunden, aus denen es stark nach Heu roch. Landwirtschaftliche Produkte, vermutete er. Mit geschickten Fingern hatte er sich das völlig unbewachte Fernrohr gestohlen und war damit auf den ebenso unbewachten Mast geklettert, um von dort aus das Schiff in Augenschein zu nehmen. Mit einigem Erfolg. Die Wachen hatten offensichtlich feste Routen bei ihrer Patroullie eingehämmert bekommen. Sehr gründlich, das wohl, aber entweder hatte der Planer geschlafen oder es fehlte ein Mann, denn die Wächter hatten sich nicht gegenseitig im Auge, jedenfalls nicht ständig. Es gab, wenn einer von ihnen eine kleine Treppe neben der Kapitänskajüte passierte, ein Zeitfenster von fast zwei Minuten, in denen man ihn nicht sehen und, so vermutete Marlon, auch nicht hören konnte. Darüber hinaus war genau dort, wo er die Wache am besten treffen konnte, eine Tür, die vermutlich in ein Zimmer genau neben der Kajüte des Kapitäns führte und damit genug Gelegenheit bot, sich umzusehen. Ein riskanter Plan, das war Marlon bewusst, und unter normalen Umständen hätte er ihn niemals gewagt. Das Dumme war nur, dass Lucian vermutlich genau jetzt mit seinem Plan begann, er also nicht die Zeit hatte, sich einen Besseren zu überlegen. Also legte er das Fernrohr unachtsam zur Seite und kletterte den Krähenmast hinunter, um Operation "Möwennest" zu beginnen.

Zack. Seine Wurfklinge traf sein Opfer sauber zwischen den Schulterblättern, genau als es den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte. Kein Schrei, kein Schmerz, wenig Blut, ein perfekter Wurf, für den Marlon fast eine Minute lang gezielt hatte. Vermutlich hatte der arme Soldat nicht einmal Schmerzen verspürt. Doch für Bedauern hatte der Koch jetzt keine Zeit. Er musste handeln und das so schnell wie möglich. Mit Anlauf sprang er von der Reling des Handelsschiffes auf das der Marine, packte den Griff seiner Wurfklinge und hob sie zusammen mit dem toten Soldaten hoch. Mit einem widerlichen Schmatzen zog er die Klinge aus dem leblosen Körper und warf diesen über Bord. Das Platschen würde durch das Getöse der Wellen gegen den Kai nicht zu hören sein. Betend, dass die Tür nicht verschlossen war, presste Marlon sich mit dem Dreieck aus Schulter und Ellbogen dagegen und ließ ein erleichtertes Seufzen hören, als sie geräuschlos aufglitt. Marineschiffe waren doch alle Gleich.
Wie vermutet fand Marlon sich in einer kleinen Kabine wieder, die an der des Kapitäns angrenzte. Dem Aussehen nach zu urteilen gehörte sie dem Vizekapitän oder vielleicht auch dem Navigator, an den Wänden hingen zahlreiche hübsch gezeichnete Seekarten und diverse Fotos, überwiegend von, wie Marlon vermutete, ehemaligen Akademiekollegen. Ein kurzer Blick offenbarte ihm, dass sich außer ihm niemand hier befand und so konnte er direkt zu Teil 2 seines Plans übergehen. Der Plan war nicht besonders kompliziert. Eigentlich gab es nur vier Schritte und den ersten hatte er soeben beendet: Töte den ersten Marinesoldaten und verschaff' dir Zutritt zum Schiff.
Zwei Minuten später trug Marlon eine etwas verknitterte Uniform, die er aus einem Schrank in dieser Kajüte gezogen hatte. Sein eigener Anzug hatte kurzfristig ihren Platz dort eingenommen, doch, wie Marlon hoffte, nicht für lange. Mit einer letzten Geste zog er sich die Schirmmütze über den Kopf, um sein Gesicht im Schatten des Schirms zu verbergen, und zählte innerlich herunter. Er hatte gerade den bulligen Marinesoldaten mit der Narbe über dem rechten Ohr an der Kajüte vorbeigehen sehen, mit anderen Worten er hatte noch genau 170 Sekunden, bis er hinaustreten konnte um den toten Soldaten auf seiner Patroullie zu ersetzen. 152...151... Kurz tastete er nach seiner Hosentasche, um sicher zu gehen, dass sich der kleine, rechteckige Gegenstand darin nicht verabschiedet hatte. Erleichtert stellte er fest, dass das nicht der Fall war. Das Gewehr, welches er sich auf den Rücken geschnallt hatte, schlug ein wenig gegen Marlons Schulter. 80...79...

3...2...1... Null! Genau so lautlos wie zuvor stieß Marlon die Tür auf und setzte "seine" Patroullie fort als wäre nichts gewesen. Sein Plan würde aufgehen müssen, auch wenn er hier zur Hälfte riet. Der Koch spürte, wie sich Schweiß auf seiner Stirn ansammelte, während er ins Blickfeld zweier anderer Soldaten trat. Doch keiner von ihnen schien ihn zu verdächtigen. Das war gut.
Kaum dass er wieder aus dem Sichtfeld seiner Kollegen verschwunden war, beschleunigte Marlon seinen Schritt. Für das, was er als nächstes vorhatte, brauchte er fünf Sekunden, mindestens, und die musste er sich erkaufen. Wich er von seinem Pfad ab, drohten Schwierigkeiten. Doch zum Glück schaffte er es, rechtzeitig am Mast des Schiffes anzukommen und ihn zu öffnen. Die darin liegende Teleschnecke sah in verdutzt an, doch rührte sich nicht, selbst dann nicht, als er sie packte und unter seinen Mantel zog. Tür zu und weiter! Als nächstes blickte er durch das Bullauge zur Kapitänskajüte, doch weder auf dem Tisch dort noch irgendwo sonst konnte er eine Teleschnecke sehen. Ausgezeichnet. Zeit für Teil vier, den letzten Teil des Plans.
Eine Minute dauerte es, bis Marlon an der Pulverkammer vorbeikam. Vorsorglich hatte er sein Gewehr geöffnet und ließ nun eine kleine Pulverspur austreten, die bis zu einem bestimmten Punkt laufen würde. An diesem Punkt war eine nicht entzündete Lampe mit einer Kerze darin aufgestellt, die Marlon im Vorbeigehen mit einem Streichholz entflammte. Dann ging es wieder zu der Kajüte, in der sein Anzug versteckt lag. Schnell schlüpfte er hinein, dankbar, dass niemand ihn sah. Diese Patroullien waren eng, aber Fehler rächten sich. Immer.

Weitere zwei Minuten später stand Marlon wieder an Bord des Handelsschiffes und zielte auf die brennende Lampe. Was er vorhatte war nicht besonders schwierig: Die Lampe würde fallen, die Pulverspur entzünden und die daraus entstehende Flamme würde das Schiff hochjagen. Immer vorrausgesetzt dass die Pulverspur noch existierte. Was, wenn gerade Putzzeit war? Marlon hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Mit einem "Ho!" warf er seine Klinge und sah zu, wie diese auf die Lampe zuflog, sie streifte, zum Fallen brachte und...

Die Explosion erschütterte den ganzen Hafen, Schreie waren zu hören, Flammen schossen so hoch empor, dass sie noch am anderen Ende von Steam zu sehen sein mussten. Leute riefen durcheinander, Feuerglocken gellten, es herrschte Chaos. So viel Chaos dass niemand den elegant gekleideten Mann bemerkte, der sich hastig aus dem Staub machte, ohne auch nur einmal nach dem Inferno zu sehen ,das sich hinter ihm abspielte. Er hatte keine Zeit dafür. Mission erledigt.
 

Igraine

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Da hatte man auf der einen Seite Marlon, der demonstrierte, wie man einen Zusammenstoß formvollendet lösen konnte und auf der anderen Lucian, der wohl nicht einmal Interesse daran haben würde, sich diese Fähigkeit anzueignen. Da Igraine allerdings bereits die Wahrscheinlichkeit, an diesem Tage noch einmal mit jemandem zusammen zu prallen, als sehr niedrig eingestuft hatte, war sie nicht überrascht davon, dass sie nicht noch ein zweites Mal solches Glück dabei hatte. Wie die hoch standen die Chancen wohl, dass man innerhalb von drei Minuten zweimal mit zwei verschiedenen Männern zusammen prallte, die sich daraufhin auch noch beide entschuldigten? Ob sie wohl höher lagen, als die kombinierte Wahrscheinlichkeit, dass sich besagte Hindernisse dann auch noch kannten? Sie hatte keine Zeit, in dieser Hinsicht tatsächliche Zahlen zu schätzen, also begnügte sie sich mit einem einfachen "Unwahrscheinlich.", welches sie mit unbefangen freundlicher Stimme in Richtung des Weißhaarigen lächelte und dabei zu ignorieren versuchte, dass der seine Griffel in ihrem Gesicht hatte. Einen tieferen Grund gab sie dieser Sache sicherlich nicht, denn es kam nun einmal vor, dass sich Menschen ähnlich sahen, obwohl sie nichts miteinander zu tun hatten. Sie für ihren Teil war sich jedenfalls sehr sicher, dass sie diesen Mann ebenso wenig wie den Blonden schon einmal gesehen hatte, da er nicht zu den Personen gehörte, die man schnell vergessen würde: Um es mit einem Wort zu sagen, so wirkte dieser Kerl alles in allem farbentsättigt. Seine Haut war so hell, dass man sie beinahe als weiß bezeichnen könnte, von dem Ton etwa, den man in Geschichten verwunschenen Prinzessinnen zusprach. Zumindest war das so in den Märchen, die man den Kindern auf Steam erzählte, müsste man seinen Teint mit einem für ihre Heimatinsel typischeren Vergleich beschreiben, wäre es wohl eine Leiche gewesen. Allerdings enthielten seine Haare, die ihm bis auf die Schultern eines schäbigen Mantels fielen, wohl noch weniger Pigmente, denn sie waren schlohweiß und unterschieden sich damit in keinster Weise von den fahlen Iriden, die sie nur einen halben Augenblick streifte, ehe sie betont an ihm vorbei blickte. Nicht eine Sekunde fiel sie auf das fleckige und zerrissene Gewand des Riesen herein, weil es einfach nicht ins Bild passte. Wenn dieser Mann ein Bettler war, war ihre Mutter eine Königin gewesen oder so etwas in der Art... spätestens seine Reaktion hatte doch das genaue Gegenteil bewiesen. Wenn die Bettler auf Steam grantig wurden und sich so gebärdeten, dann roch man ihnen den Alkohol noch über Meter weit an und auch wenn sie vielleicht eine kleine Note zu erahnen glaubte, war das noch lange nicht genug. Also blieb die Frage im Raum stehen, wer dieser Mann war, wenn er sich ganz offenbar als jemand anderes auszugeben schien oder zumindest nicht erkannt werden wollte. Steam war eine friedliche, kleine Insel, auf der selten etwas großes geschah, da wurde so eine Begebenheit nicht einfach mit einem Achselzucken abgetan - da machte sie neugierig.

Nachdem der weißhaarige Grobian sie losgelassen und von sich gestoßen hatte - So sammelte man schon einmal keine Pluspunkte - rieb sie sich den Kiefer und wollte bereits ihren Weg fortsetzen, als sie einen Namen aufschnappte, der ihr vage bekannt vorkam. Sie war sich zwar nicht sicher, ob der Blonde, mit dem sie zuvor zusammengerasselt war, nun Marvin, Marlon, Martin oder doch Mando geheißen hatte, aber ein kurzer Blick zur Seite bestätigte, dass es sich ganz offenbar um dieselbe Person handelte. Sie kannten sich also, was die Theorie mit der Tarnung sogar noch untermauerte. Dieser Matthias kam eindeutig nicht von Steam, also tat es der Weiße auch nicht - ganz einfach. Sie hockte sich hin und überprüfte die seitliche Schnürung ihrer Stiefel, fummelte ein wenig an ihren Taschen herum, schließlich sollten diese ja auch halten und horchte dabei angestrengt auf die Unterhaltung der beiden Männer, die gerade deutlich interessanter als ihre Umgebung waren. Leider machten ihr die Hintergrundgeräusche einen Strich durch die Rechnung, sodass sie nicht jedes Detail verstand, aber es reichte aus, um einen zündenden Gedanken in ihrem Kopf zu entfachen. *Kaaatching! Sündenböcke!* Ganz offenbar hatten diese zwei Männer vor, die Gesandtschaft der Marine anzugreifen. Ihre Motivation blieb unklar, aber diese interessierte die junge Frau auch überhaupt nicht. Viel wichtiger waren die Taten selbst oder zumindest die, welche sie planten. Andere wären nun vielleicht auf die grandiose Idee gekommen, zu fragen, ob irgendwie Hilfe benötigt wurde, nicht aber Igraine. Vielleicht hätte sie so gehandelt, wenn der Weiße ein wenig freundlicher gewesen wäre, so aber schätzte sie die beiden als einen unkalkulierbaren und daher zu großen Risikofaktor ein, von dessen Anwesenheit man allerdings dennoch profitieren konnte. Wenn die Sache schief gehen würde - und das war, Optimismus beiseite, durchaus möglich - dann hatte sie mit diesen beiden Fremden eine perfekte Möglichkeit, die Schuld auf andere zu schieben. Das war unmoralisch und sicherlich nicht fair, aber darüber würde sie sich schon nicht allzu sehr grämen müssen, wenn sie dafür mit heiler Haut aus der Sache heraus kam. Die Steamer brauchten ihre Zeit, um Fremde in ihren Reihen willkommen zu heißen und obgleich sie es durch ihre Freundlichkeit geschafft hatte, bezweifelte sie das bei den Umgangsformen des Weißen sehr stark. Noch bevor die Anweisungen des Größeren geendet hatten, war sie bereits in die Seitengasse verschwunden. Die vollmundige Ankündigung der Passage der Marinesoldaten bekam sie deswegen nicht zur Gänze mit, blieb aber auch nicht stehen, weil sie sonst ihren geringen Vorsprung eingebüßt hätte. Sie ging zwei der größeren Gassen weiter und stellte sich danach in einen überschatteten Hauseingang.

Die Warterei war der schlimmste Teil dieser Geschichte. Solange man sich bewegte oder etwas aktiv tat, hatte man wenigstens das Gefühl, dass die Zeit vorüber ging, aber so dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis der Marinetrupp sie passierte. Ach herrjee, um diesen aufgeblasenen Typen würde es ihr nun wahrhaftig nicht Leid tun müssen... wie konnte man nur bereits so krass von sich selbst überzeugt aussehen? Vielleicht übte er dieses Getue abends heimlich vor dem sicherlich viel frequentierten Spiegel, damit er es so gut hinbekam. Zumindest, wenn man gut in diesem Falle als abstoßend, widerlich oder eitel interpretieren wollte. Jedenfalls spielte er seine Rolle sehr überzeugend. Es waren insgesamt sieben Männer, wenn man den Kerl mit dem aufgeplusterten Federhut mitzählte. Igraine war sich nicht sicher, ob sie diese Anzahl freuen oder einschüchtern sollte, aber davon durfte sie sich sowieso nicht beeinflussen lassen. Das Eichhörnchen ernährte sich nun einmal mühselig und sie würde diese Leute einzeln nacheinander ausschalten müssen, egal, wie viele es waren. Höchste Zeit, damit zu beginnen! Sie stieß sich von der Tür ab und begann ihnen zu folgen, bis sie gerade an der Einmündung einer weiteren Gasse vorbei kamen. Ein paar kurze Blicke, niemand in Sichtweite. Igraine schob die Hand in die rechte Tasche, die an ihrer Hüfte baumelte und zog eine geladene Steinschlosspistole heraus. Sie stellte sich direkt an die Ecke der Gasse, visierte einen der Männer an, die ihr praktischerweise den Rücken zukehrten und holte tief Luft. Jetzt musste sie schnell sein, sonst hätte sie verloren, bevor das ganze überhaupt begonnen hatte. Die junge Frau drückte ab und schwenkte den Arm in derselben, einstudierten Bewegung zurück, sodass die Waffe außer Sichtweite geriet und in die Gasse hinein geschleudert wurde. Ab dem Moment, in dem sie die Pistole nicht mehr im Sichtfeld der Soldaten wähnte, also praktisch sofort nachdem der Schuss abgegeben worden war, stieß sie einen markerschütternden Entsetzensschrei aus und barg das Gesicht in ihrer freien Hand, die weniger als eine Sekunde später von ihrer zweiten ergänzt wurde. "Oh mein GOTT! Er muss wahnsinnig sein!", setzte sie mit der zitternden Stimme einer unter Schock stehenden Frau hinterher und drehte sich mit vor Schrecken geweiteten Augen in das Dunkel der Gasse um. "Er... er... oh nein, ist er etwa tot? Das kann doch nicht wahr sein!" Die Marinesoldaten waren wie erwartet bei dem peitschenden Knall des Schusses auseinander gestoben, doch da sie sich denjenigen ausgesucht hatte, der aufgrund seiner im Weg stehenden Kameraden weder nach links, noch nach rechts, sondern nur zu Boden konnte, hatte sie dennoch getroffen. Zum Glück hatte sich manche, dem Beispiel des inzwischen Toten folgend, auf den Boden geworfen, sodass sie genug Zeit brauchten, um sich umzudrehen und auch die anderen bemerkten sie erst, als sie ihr Schauspiel bereits begonnen hatte. Natürlich waren einige sofort auf sie - oder besser gesagt, die Gasse - zu gerannt, doch der Mann, dessen Kranichhut durch einen gewagten Hechtsprung inzwischen ein wenig in der Mauser schien, pfiff sie sofort zurück. *Hm?* Doch nicht überzeugend genug? Noch konnte sie wegrennen, denn sie hatte sich absichtlich keine Sackgasse, sondern den Eingang zu einem wahren Straßenlabyrinth für ihre Aktion ausgesucht. Ein Irrweg, welchen sie kannte, diese Männer aber nicht. Doch Herr Kranichhut machte sich gar nicht erst die Mühe, sich mit ihr zu unterhalten, sodass sie weiterhin die vollständig Aufgelöste spielte und es sogar fertig brachte, ein paar Tränen in ihre Augen zu quetschen, ehe er zwei Soldaten mit einem knappen Befehl mit der Sicherstellung der Gasse beauftragte und dem Rest seiner Leibgarde den Befehl zum Weitermarsch gab.

Es war nicht besonders nett, eine in Tränen aufgelöste Frau zu ignorieren und auch wenn der aufgeplusterte Gockel - pardon, Kranich - diese Kunst mit Bravour beherrschte, einer der beiden Abkommandierten schaffte das nicht. Während sein Kollege pflichtgetreu dem Befehl seines Kapitäns nachging und in die Gasse stürmte, machte der andere kurz nachdem er diese betreten hatte Halt und drehte sich zu ihr um. "Machen Sie sich keine Sorgen, werte Dame, wir werden diese Wahnsinnigen finden und kurzen Prozess mit ihm machen!" Er wirkte so wunderbar überzeugt in seiner jugendlichen Euphorie, war auch noch nicht besonders alt und immerhin nett genug, ihr zu versichern, dass sie sich kümmern würden. War das nicht der Leitspruch der Marine? Dass sie "Gerechtigkeit" verbreiteten? "Das beruhigt mich...", meinte sie mit leiser, immer noch leicht zitternder Stimme und trocknete ihre Augen, trat einen Schritt auf ihn zu und damit von der Hauptgasse weg, "Am Ende greift dieser Kerl noch irgendwelche anderen, unschuldigen Menschen an... oder Kinder! Stellen Sie sich vor, er würde in einer Schule eine dieser abscheulichen Dinger ziehen und um sich schießen und..." Erneut kamen ihr die Tränen und ihr schmaler Körper krümmte sich ob der schrecklichen Vorstellung. Das war sie allerdings. Sie hatte gelesen, dass solche Dinge auf anderen Inseln passierten, wusste es von ihrer Heimat und fand es jedes Mal wieder so schlimm, dass es ihr dieses Mal deutlich leichter fiel, in Tränen auszubrechen. Wie konnte man nur etwas tun, das war abscheulich, das war... "Aber nicht doch, bleiben Sie ruhig, er wird sein Unwesen nicht mehr lange treiben!" Wie lieb von ihm. Er war sogar noch ein wenig auf sie zugekommen, legte ihr die Hand aufmunternd auf die Schulter, ehe er mit dem Daumen über die Schulter wies und sich mit einem "Ich sollte dann auch..." umdrehte, im Begriff, seinem Kollegen zu folgen.
In einer einzigen Bewegung griff Igraine mit der linken Hand unter ihre Jacke, fasste mit der rechten tief in ihre nach wie vor offene Tasche hinein und glitt in den dort befindlichen Schmiedehandschuh hinein. Ein flinkes Vorschnellen genügte und sie drückte dem Mann von hinten die lederbewährte Rechte auf den Mund, um ihn am Schreien zu hindern, ehe ihre Linke eine schneidende Bewegung vollführte und der Dolch in ihrer Hand glatt durch die Kehle des Marinesoldaten fuhr. Sie presste ihren Handschuh weitere fünf Sekunden auf das Gesicht des Mannes, ehe sie sich ihrer sicher war und ließ ihn danach fallen. Mit interessiertem Gesichtsausdruck wischte sie die Klinge an seiner Uniform ab und steckte sie wieder zurück in die Innenseite ihrer Jacke, ehe sie den Handschuh verstaute und die Gasse hinunter joggte. Da musste noch einer herumlaufen und um den würde sie sich kümmern müssen, bevor sie die verbliebenen vier anging.
 

Lucian

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Er hatte den Abstand zwischen sich und den Marinesoldaten absichtlich immer größer werden lassen, um keine Aufmerksamkeit zu erzeugen. Noch war es dafür zu früh, es gab einfach zu viele Passanten, die sich eventuell auf die Seite des Feindes schlagen könnten, wenn er nun einen Angriff startete. Sei es aus einem tatsächlichen Zugehörigkeitsgefühl, einem starkem Sinn für Gerechtigkeit oder sonst einem Grund, wenn sich unter den Toten auch unbewaffnete Zivilisten befinden würden, könnte dies Misstrauen unter jenen erwecken, die später einmal den Zwischenfall untersuchen würden. Aus diesem Grund versuchte er die ganze Zeit über eine Abbiegung hinter dem Konvoi zu bleiben. Wahrscheinlich würde man einem Bettler nicht einmal besonders viel Aufmerksamkeit schenken, aber sicher war sicher. Glücklicherweise schlug die Gesandtschaft tatsächlich einen Weg ein, der im immer weniger besuchte Straßen führte. Das wichtige war jetzt nur, sie nicht zu verlieren, bis der beste Zeitpunkt eingetreten war, wie auch immer dieser Aussehen möge. Der Vicomte setzte da völlig auf seine Intuition, denn viel mehr konnte er bei einem so improvisierten Manöver nicht tun, nicht ohne die genaue Route der Männer zu kennen, die er verfolgte. Einfach nur ... Ein Schuss halte durch die Straßen. Sofort tauchte Lucian in die nächste Seitengasse ab und drückte sich gegen einen Türrahmen. Die Abordnung war eine, höchsten zwei Abbiegungen vor ihm. Der Schuss konnte also nicht ihm gegolten haben. Allerdings konnte er auch nicht sagen, ob es überhaupt die Marinesoldaten waren oder eine unbekannte, dritte Partei. Er wartete auf irgendwelche Befehle, einen flüchtigen Schützen, etwas, aber das einzige, was kam, war ein Frauenschrei. Sein Herz pochte vor Aufregung aber er versuchte sich selbst zu beruhigen. Im Scherz hatte er sich ja gedacht, dass irgendjemand die Gruppe angreifen könnte, aber das es wirklich jemand tat... Einen Moment lang wartete er noch, aber da er nichts weiter hören konnte, ging er langsam weiter, um ja den Anschluss nichts zu verlieren. Dabei buckelte er leicht und hatte das kapuzenbedeckte Gesicht dem Boden zugewandt.

Kaum bog er um die Ecke, tat am anderen Ende der Gasse ein Marinesoldat genau das selbe. Lucian biss die Zähne zusammen und schwenkte zur Häuserwand, um dem Soldaten den Weg frei zu machen. Noch hatte dieser seine Waffe locker im Arm und betrachtete ihn nur abschätzig. Als die Beiden dann auf selber Höhe waren, schnellte der Arm des Soldaten vor und packte den Vicomte an der Schulter. „Wo ist der Schütze hin, Bettler? Los sag schon!“ Der unrasierte, ranglose Marinekämpfer blaffte ihn mit dem selben Respekt an, mit dem Lucian einen Obdachlosen bedacht hätte, aber nicht der Tonfall irritierte ihn, sondern die Frage. An ihm war kein Flüchtling vorbei gekommen und selbst wenn er in die andere Richtung abgebogen wäre, hätte er einen solche gesehen. Unschlüssig, was er sagen sollte, sah Lucian nach links und rechts. „Oder habe ich ihn bereits?“, fragte der Soldat und entblößte mit einem bösen Grinsen seine gelben Zähne. ’Nein bin ich nicht, aber ich wäre es gerne.’ Er sprach es nicht aus, umklammerte aber ruckartig das Handgelenk des Arms, der nun mit kräftigem Druck auf seiner Schulter ruhte. “Falscher Mann. Pech für dich, denn du passt mir nicht in den kram!“ Ruckartig verpasste Lucian dem Mann eine Kopfnuss, woraufhin dieser leicht zusammensackte und seinen Griff lockerte. Lucian hingegen lies nicht los, sondern riss im gleichen Moment den Soldaten an sich rann und sein Knie nach oben. Es traf den Soldaten genau in den Magen, der keuchend zusammen brach. “Nutzloses Soldatenpack,“ spie Lucian aus und lies seinen Fuß auf den Hals des am Boden liegenden nieder rasen. Er brach ihm zwar nicht das Genick, aber zerquetschte dafür die Luftröhre. Röchelnd verendete sein Gegner, während Lucian sich die Kapuze richtete und weiter ging. Er schlug die Straße ein, aus welcher der Sterbende gekommen war und war überrascht, als ihm plötzlich eine andere Person entgegen kam, eine mit der er nicht gerechnet hätte. Die junge Frau mit den schwarzen Haaren, die vorhin in ihn herein gelaufen war, kam ihm entgegen. Dieses mal kam es nicht zur Kollision, da beide rechtzeitig stehen blieben. Der Adelige glaubte nicht an Schicksal, sondern schrieb es auf puren Zufall, ihr bereits zum zweiten mal an einem Tag zu begegnen, so wie es Zufall war, wenn man hintereinander zwei Sechserpaschs würfelte. Sie war auch nicht interessant genug, um sich weiter mit ihr zu beschäftigen, so dass er eigentlich wortlos an ihr vorbei gehen wollte, bis er etwas hinter ihr sah. Dort in der Gasse lag nicht nur einer, sondern zwei Töte, wenn auch in einigem Abstand. Die Leiche, die weiter weg lag, war augenscheinlich das Opfer des Schusses. Der andere hatte eine aufgeschlitzte Kehle und das war das merkwürdige. Die Schusswunde, gut, das war ein Überraschungstreffer aus der Entfernung, aber um jemanden den Hals aufzuschlitzen, musste man ganz nah an ihn heran kommen, ohne Argwohn zu wecken. Außerdem hatte sein eigenes Opfer auch nur nach einem Schützen gefragt, was darauf schließen lies, dass der andere erst danach gestorben war. “Das warst du ...“ stellte er fest, während er sich den Frauenschrei ins Gedächtnis rief. Seine Augen verengten sich, während er die kleine, unscheinbare Frau ansah. “Wer zur Hölle bist du? Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl mit dir.“ Er zischte mehr, als das er sprach, während seine rechte Hand langsam zu der Stelle wanderte, wo sich unter seinem Lumpengewandt der Griff seiner Waffe befand. Manchmal war es besser eine Figur aus dem Spiel zu nehmen, bevor sie zu einem Problem wurde ...

Eine Explosion erhallte irgendwo im Hafen und das Echo wurde durch die metallenen Bauten bis tief ins innere der Insel getragen. Es rumpelte leicht und sofort sah Lucian in Richtung Ursprung des Lärms. Das musste man auf der halben Insel gehört haben! “Verflucht, was treibt dieser Kerl nur!?“ Er konnte sich gut vorstellen, dass Marlon der Grund für diese Explosion gewesen war. Oder besser gesagt, er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Leibwächter da NICHT seine Finger im Spiel hatte. Der Silberhaarige sah auf die Frau vor sich herab und ballte seine Hand zur Faust, unschlüssig was er nun tun sollte. “Wenn du mir mein Spiel ruiniert hast, wirst du das bereuen!“ bläute er ihr ein und spurtete dann an ihr vorbei. Er hatte schon zuviel Zeit verplempert und inzwischen war es egal, was er tat. Der Botschafter und seine verbliebenden Männer waren inzwischen doppelt gewarnt, weswegen es keinen Grund mehr gab, auf Heimlichkeit zu achten. Darauf achtend nicht in eine der Blutlachen zu treten, rannte er die Straßen entlang und versuchte die Gesandtschaft einzuholen. Der Weg war nun sehr eindeutig, da es nur eine einzige Straße gab, die im Zickzack durch die Gebäudekomplexe führte. Nach ein paar Minuten hatte er endlich die Männer in den weißen und blauen Uniformen eingeholt, die so dreist waren, nicht einmal auf ihren Rücken zu achten, obwohl sie bereits von einem Verlust wussten. ’Denk, denk, DENK!’, brüllte er sich innerlich an. Es ging nicht darum alle zu töten, es ging um eine Botschaft. Schließlich riss er eine vom Rost halb zerfressene Ziselierung von einer Wand ab und schleuderte sie den Soldaten nach. Sie traf den hintersten in den Rücken, der keuchend nach vorne fiel und damit die anderen alarmierte. ’Ihre Aufmerksamkeit habe ich jetzt!’ Er holte tief Luft und hoffte, dass sein spontaner Plan gelingen würde. “Für Steams Freiheit!“ brüllte er, Für Steams Unabhängigkeit!“ Damit rannte er auf den Konvoi zu, der zu perplex schien, um rechtzeitig seine Waffen zu heben und zu schießen. Als sie ihre Überraschung überwunden hatten, war Lucian bereits unter ihnen. Den ersten, der in seine Nähe kam, packte er mit beiden Händen am Arm und trat mit dem Knie gegen den Ellenbogen. Es knackte widerlich, als das Gelenk zwischen Ober- und Unterarm brach und der Soldat fiel schreiend zu Boden. Aber jetzt hatten auch die restlichen beiden Soldaten ihre Waffen gezogen, während Kranich langsam zurück wich. Aber mit den beiden einfachen Kadetten machte Lucian kurzen Prozess. Dem ersten entwendete er nach einem Schlag in den Magen seine Waffe um damit den Schwerthieb des Zweiten. Dem Unbewaffneten verpasste er einen Tritt in den Magen um sich etwas Raum zu verschaffen, drehte sich herum und hieb mehrfach mit brutaler Kraft auf den anderen ein. Mehrfach tödlich getroffen sank der Mann zusammen, ohne einen weiteren Mucks von sich zu geben. Im Fallen entriss Lucian ihm das Schwert und benutzte nun beide erbeuteten Klingen wie eine Schere, um den Unbewaffneten zu enthaupten.

Schließlich richtete Lucian seine Aufmerksamkeit auf Kranich, warf dem Mann, dem er den Arm Zertrümmert hatte, aber einen kurzen Seitenblick zu. Dieser war aus dem Geschehensbereich heraus gekrochen und schien kein Interesse daran zu haben, sich Lucian noch einmal zu nähern. Gut, denn damit stand und fiel alles. Kranich sah inzwischen zu jedem seiner Männer, von denen keiner mehr kämpfen konnte und spuckte dann auf den Boden. „Du dreckiger Steamer! Wie könnt ihr Bettler es wagen, mich und meine Männer anzugreifen? Ihr seid es nicht wert, der Weltregierung zu dienen!!“ Er überschlug sich bei seinem Gekeife und hatte eine hohe Fistelstimme angenommen. Inzwischen standen einige Fenster offen und Leute beobachteten das Geschehen in der Gasse. Und kaum einem gefiel es, wie Kranich da gesprochen hatte. “Wir Bewohner von Steam haben zu viel Stolz, um euch solchen Leuten wie der Marine zu unterwerfen!“ konterte Lucian und erntete damit leise Zustimmung der Schaulustigen. “Wir lassen uns nicht von der Weltregierung versklaven!“ Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie der Soldat, den er „verschont“ hatte, sich aufrappelte und in seine Seitengasse verschwand. Für einen Augenblick lächelte der Vicomte. „So lass ich einen Vagabunden nicht mit mir reden! Ich bin der großartige Kapitän Kranich! Ich bin der Stolz der North Blue Marine!!“ Mit diesen Worten zog er ein lächerlich verziertes Schwert blank und fuchtelte ein paar mal damit durch die Luft. Der Adelige lies die erbeuteten Waffen fallen und lockerte seine Schultermuskeln. Kranich stolperte nach vorne. Es kostete Lucian keine Anstrengung, dem kümmerlichen Angriff auszuweichen. Stolz der Marine, pah. Dieser Mann hatte noch nie wirklich gekämpft! Lucian riss den rechten Arm nach hinten und konzentrierte seine ganze Kraft in einen einzigen Hieb.“Insei!“ Seine Handfläche schnellte nach vorne und traf den Kopf des Marinekapitäns. Aber damit stoppte er nicht, sondern trieb diesen weiter, bis der Schädel gegen eine Häuserwand knallte. Ein widerliches Geräusch später und der Kapitän sank leblos zu Boden, während er sich rosa Masse von der Hand schlackern musste. Einige Leute applaudierten, andere buhten ihn aus, doch dafür hatte er keine Ohren. Der erste Schritt war getan. Ohne weitere Worte lief er den Weg zurück, den er gekommen war. Kaum das er aus dem Sichtfeld des Orts des Geschehens weg war, riss er sich den Umhang vom Körper und achtlos in eine Ecke. Er wollte zurück zur Trophy, denn jetzt war es wichtig, sich mit Marlon zu koordinieren. Und dabei ging es nicht nur um die Marine, sondern auch um diese Unbekannte, die ihm dazwischen gefunkt hatte. Wenn er die in seine Finger bekam dann ... er wusste nicht einmal was er dann tun würde. Er schüttelte stattdessen leicht den Kopf, um selbigen wieder klar zu kriegen und begann damit, sich einen Weg zurück zum Hafen zu suchen. Hoffentlich hatte Marlon inzwischen alles soweit vorbereitet, dass sie ablegen konnten!
 
L

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"Groß. Gebräunt. Und gut aussehend."
Marine Kapitän Gaston ließ die angenehm kühlen Briesen des North Blue durch sein gesundes, strammes Haupthaar wehen und bewunderte sich fortwährend selbst. Er schwenkte dafür einen zierlichen Handspiegel immer wieder langsam von rechts nach links und anschließend von oben nach unten, um auch ja keinem Detail seines Gesichts zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken. "Niemand hat so ein Lächeln wie Gaston.", strahlte der in der Tat attraktive Mann und fuhr sich mit der Zunge über seine nahe zu schneeweißen Zähne. In Gastons Gebiss prangte seit kurzem ein aufwendig gearbeiteter Goldzahn - ein kleines Souvenir an seinen letzten wirklichen Kampf. Er focht diesen mit einem Dorftrottel, einem Auftragskiller und einer wahrhaftigen Bestie aus... die eigentlich keine war. Alles in allem eine recht komplizierte Geschichte, die sich im South Blue ereignete, und obwohl Gaston die Auseinandersetzung von Anfang an dominierte, verlor er den Kampf am Ende doch. Der Kapitän büßte einen Schneidezahn ein, weil er dummerweise von den Teufelskräften des wuschelhaarigen Idioten überrascht worden war.
Und dann war da noch die andere Verletzung.
Gaston legte den guten Handspiegel schließlich zur Seite und tätschelte sich verdrossen über die breite, muskulöse Brust. Er hatte sich gegen Ende dieses besagten Kampfes eine Kugel eingefangen, abgefeuert aus einem, so vermutete Gaston, Jagdgewehr. Die Verletzung war ernst gewesen, vielleicht sogar so etwas wie tödlich! Doch Glück, erstklassige medizinische Versorgung und vor allem, weil natürlich niemand so zäh wie Gaston ist, war es zu verdanken, dass der Marinekapitän sich rasch von seiner schlimmsten Niederlage erholte. Er bekam sogar eine zweite Chance, sich zu beweisen - immerhin lagen dem Hauptquartier Gastons hervorragende Reverenzen vor. Und so wurde ihm zwar die Befehlsgewalt über den South Blue Stützpunkt "Korallendorf" aberkannt aber Gaston wurde im Zuge dessen auch in den North Blue versetzt.
Die Mission war einfach: Bei Steam vor Anker gehen oder sich mit dem Flottenschiff in den Gewässern direkt vor der Insel aufhalten... Hauptsache Gaston würde dafür Sorge tragen, dass alle Fahrzeuge versenkt werden würden, die versuchen, von der Insel zu kommen.
"Kapitän Gaston!", salutierte der Maat vor seinem Offizier und erstatte Bericht, "Steam ist gesichtet, in Fakt, wir müssen uns entscheiden, ob wir anlegen wollen oder in Abstand zum Festland verharren."
"Niemand entscheidet so gut wie Gaston!"
"Eh... Sir?"
"Ich sage, wir gehen vor Anker. Ich brauche Landgang."
"Sir,aye, aye, Sir!", brüllte der Marinesoldat mit erneuten zackigen Salut und machte sich daran, dafür Sorge zu tragen, alle nötigen Schritte in die Wege zu leiten, beziehungsweise leiten zu lassen.

Nahe Steam meldete sich das Krähennest: "Manövrierunfähiges Schiff auf zwei Uhr. Herkunft: Marine!?" Sofort eilte ein Groß der Besatzung an die Reling, genauso wie Gaston. Das Wrack war kaum noch als solches zu erkennen, denn einer Seits war es zu sehr demoliert und anderer Seits eh schon beinahe gänzlich im Wasser versunken. Lediglich der Mast ragte noch zur gänze, wenn auch diagonal, gen Himmel und zeigte den entsetzten Marineangehörigen die rauchenden Überreste von dem, was mal die Flagge des Marine H.Q. gewesen sein mochte.
Gaston überlegte nicht lange und befahl, die eigenen Bordkanonen zu laden und auch ansonsten auf Gefechtsstation zu gehen. Dazu bemühte er sich nicht einmal, einem Unteroffizier seine Befehle einzeln mitzuteilen. Nein, Gaston holte einfach einmal tief Luft und brüllte dann so markerschütternd laut, dass selbst die Männer unter Deck, vielleicht sogar noch Menschen auf dem nahe liegenden Festland, seine Stimme vernehmen konnten!? Ein einstimmiges "Aye,Aye!" war die Antwort und sofort ging jeder dem Befehl nach.
Gaston hatte schon immer ein erstaunliches Charisma, weswegen ihm seine neue Crew scheinbar, wie auch schon zuvor seine Bewunderer auf Korallendorf im South Blue, blind aufs Wort gehorchten, beziehungsweise aus der Hand fraßen. Außerdem waren sie bestimmt ausnahmslos von seiner Kampfkraft im allgemeinen begeistert. Als Hüne von locker über zwei Metern Größe und einem Körper, der scheinbar nur aus stahlharten Muskeln zu bestehen schien, konnten Gaston nur wenige Verbrecher in den Blues das Wasser reichen - ohne Zweifel auch ein Grund für sein mindestens riesiges Ego! "Niemand fährt Gaston an den Karren. Nicht schon wieder!"
Als die Planken des Steamer Hafens in Greifbarer Nähe waren, sprang Gaston als erster von Deck. Die Anlegebrücke knarkste unter dem massigen Gewicht des muskelbepackten Schwergewichts knirschend. Triumphierend warft er dann seinen rabenschwarzen Pferdeschwanz in den Nacken, verschränkte die baumstammartigen Arme vor der mächtigen Brust und jodelte ein Gesang gleiches Lachen!
 
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"Die Anderen auf dieser Insel mögen ja Idioten sein, aber ich nicht! Geld gibt den Dingen Wert! Zehn Millionen für alles zusammen oder wir kommen nicht ins Geschäft!" Mit einem Seufzen massierte Marlon sich die Schläfen. Bisher waren die Bewohner auf dieser Insel enorm zuvorkommend gewesen, was das Geld anging und so hatte er auch in der großen Markthalle, wo es allerlei Nahrungsmittel gab, sein Budget perfekt einhalten können. Er hatte genug Trockenobst, Pökelfleisch und geräucherten Fisch, dazu einige weniger haltbare Waren wie Brot, Eier und Butter, um damit bis zur Grand Line zu segeln, aber hier beim einzigen Delikatessenhändler auf dem ganzen Markt, stieß er auf taube Ohren. Dieser Mann, dessen Laden den Namen "Feinkost Drakobert" trug, war geiziger als seine Nonna und gieriger als sein früherer Don. Und auch ungefähr so alt, wie beide zusammen.
"Geld an sich ist überhaupt nichts wert", erklärte Marlon dem Delikatessenhändler geduldig. Normalerweise vermied er es, Leute gegen sich aufzubringen, aber hier konnte er einfach nicht anders. "Papier, Tinte oder halt auch der Materialwert der Münzen ist bedeutend niedriger als der Wert, den wir ihnen zuweisen. Geld erlangt erst durch die Übereinkunft Wert, dass man es gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen kann. Wenn auf einmal keiner mehr Berrys akzeptieren würde, würd' ich mir damit höchstens noch den Kamin anheizen. Bestenfalls." Drakobert schnaubte verächtlich. "Ihr junges Volk habt doch überhaupt keine Ahnung", konstatierte er und wandte Marlon demonstrativ den Rücken zu. So kam der Mafiosi hier definitiv nicht weiter. Er hatte trotz all seiner Ausgaben zwar immer noch eine hübsche Stange Geld zur Verfügung, aber um diese lächerlich überhöhten Preise für ein wenig frisches Obst, Gemüse und Zutaten für eine üppige Nachspeise zu decken war es eindeutig nicht genug. Dafür hätte auch Marlons komplettes Budget nicht ausgereicht. Es war zwar schade, aber so war da nichts zu machen. Dann würde Lucian eben auf den Luxus frischer Nahrungsmittel verzichten müssen. Womöglich war das allerdings auch besser so, denn was wenn er sich daran gewöhnt hätte, jeden Tag wie ein Adeliger zu speisen, nur um dann eines Abends eine eher magere Fischsuppe vorgesetzt zu bekommen?

Wenn man einen mächtigen Karren voller haltbar gemachter Lebensmittel zog, kam man nicht sonderlich schnell voran. So hatte Maron Zeit, den Gesprächen der Leute um ihn herum zu lauschen und sich auf die allgemiene Stimmung, die auf Steam herrschte, einzupendeln. Es war sehr wichtig, dass man nicht all zu sehr auffiel und obwohl Marlon mit seinem eleganten Haarschnitt, dem gestutzten Bart, seiner gepflegten Ausstrahlung und insbesondere dem perfekt sitzenden Anzug hervorstach wie ein bunter Hund, so konnte er sich dennoch selbst unter eine noch ärmere Menschenmenge mischen, wenn er nur Zeit gehabt hatte, sich auf ihre Stimmung einzufühlen. Und genau das tat er jetzt.
Natürlich sprachen fast alle über die heftige Explosion, die sich vor kurzem ereignet hatte. Bisher wussten nur wenige, was genau explodiert war und niemand von ihnen, wieso, aber das hinderte natürlich nicht die Gerüchte daran, wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Auch das hatte Marlon schon oft genug gesehen. Töte einen Menschen und der Pöbel macht zehn daraus. Jag ein leerstehendes Lagerhaus in die Luft und der Feind wird seine Ware zwei Wochen lang nicht los, weil alle glauben dass er blufft und sie nicht wirklich besitzt. Das Gerücht war eine mächtige Waffe, oh ja, und wer sich seiner Macht verschloss, der brachte sich sehenden Auges um einen wertvollen Spießgesellen.
"Nach dem was ich gehört habe sind fünfzig Leute umgekommen." "Ich bin sicher, das war die Marine!" "Hast du gehört? Anscheinend war einer der Toten..." "Mein Vater hat mir gerade erzählt, irgendjemand hätte Kranich angegriffen."
Und dergleichen mehr. Kaum jemand sprach über irgendetwas anderes als diese seltsame Explosion, doch egal wo er hinhörte, Marlon konnte nichts von einem Anzugträger oder irgendeiner verdächtig wirkenden Gestalt erhaschen. Das war gut, aber erfahrungsgemäß dauerte es nie lange, bis doch irgendein unangenehmer Zeuge auftauchte. Und wenn das geschah, dann hielt er sich besser bedeckt. Doch noch war Zeit.

"...und nicht zu vergessen drei Kisten Äpfel." Nachdem Marlon sämtliche Nahrungsmittel an Bord verstaut und sorgfältig Inventur gemacht hatte, war es nun an der Zeit, ein wenig davon zu gebrauchen. Er und Lucian hatten noch einiges vor und so wie die Lage momentan stand, würden sie kein üppiges Essen veranstalten können. Was sie brauchten, war etwas schnelles und energiereiches, was man auch zwischendurch essen konnte. Schon hatte Marlon einige Eier, Butter, Brot, Zwiebeln, Knoblauch und Käse hervorgeholt und sich in die Küche begeben.
Die Küche auf der Trophy war so luxuriös ausgestattet, dass Marlon garnicht lange suchen brauchte, bis er alles hatte, was er noch benötigte. Einen Löffel, ein Messer, Salz- und Pfefferstreuer und natürlich den Backofen.
Nicht einmal zehn Minuten später war Marlon fertig, der Geruch nach mit Käse überbackenem Brot lag in der Luft. Gerade als er dabei war, die Happen in Brotpapier einzuwickeln, betrat Lucian die Küche und sah.. gelinde gesagt nicht sehr erfreut aus. Aus Gewohnheit nahm Marlon Haltung an. "Auftrag erledigt, Käptn. Außerdem habe ich das hier vorbereitet." Er hielt dem weißhaarigen eines der Pakete hin, aus denen es verführerisch duftete. "Zeit für ein richtiges Essen haben wir nicht, aber auf Energie sollten wir trotzdem nicht verzichten. Also hab' ich das hier gemacht. Eiertoast. Lässt sich schnell im Gehen essen und bringt trotzdem Energie. Vier für dich, vier für mich."
 

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Igraines wohl herausragendste Fähigkeit, war ihre beinahe stoische Ruhe, die zu allem Überfluss auch noch mit so erdrückender Freundlichkeit angereichert war, dass sie wirklich verunsichern konnte. Die Pyrotechnikerin war zwar körperlich und geistig vollkommen in Balance, aber sie war nicht leichtsinnig. Außerdem war sie im Krieg geboren und aufgewachsen und kannte daher, anders als die friedlichen Steamer, die Abgründe der menschlichen Seele. Sie wusste, dass die Menschheit nicht grundsätzlich gutmeinend war und rechnete mit weit mehr Schlechtem als die meisten anderen. Das bedeutete in diesem Moment, dass sie durchaus auf der Hut war. Die Worte ihres Gegenübers kratzten sie nicht an, aber sie bemerkte die leichte Verlagerung des Körpers vor ihr und wie konnte man die verräterische Handbewegung unter den Lumpen nicht erkennen, wenn man Jahre seines Lebens damit verbracht hatte, sich mit Waffen zu beschäftigen oder sich vor ihnen tunlichst in Acht zu nehmen? Die Möglichkeit bestand, dass dieser Mann sie gleich angriff, also musste sie sich wohl darauf einstellen, etwas dagegen zu unternehmen. Ihre herabhängende Rechte bewegte sich langsam nach vorne, über ihre offene Tasche und visierte eine der dort angebrachten, metallenen Scheiben an. Nach der bisher angenommenen Position seiner Waffe zu schätzen, handelte es sich dabei um ein Schwert, also würde sie nur dem Erstschlag ausweichen müssen. Schwertgefuchtel in Gassen wie dieser war nicht gerade vorteilhaft, aber nichtsdestotrotz musste sie sich in Acht nehmen. Sie legte den Kopf leicht schief und lächelte einen Punkt irgendwo an seinem Kinn an, als er behauptete, ein schlechtes Gefühl gehabt zu haben. Trotzdem sie normalerweise das genaue Gegenteil erwirkte, glaubte sie ihm das aufs Wort, immerhin war das mehr als offensichtlich gewesen. Andererseits war er nun auch nicht der Sympathieträger schlechthin, was es noch zusätzlich vereinfachte, mit seiner Abneigung zu leben. Es war ja auch nicht so, als würde sie den Fremden kennen, auch wenn sie scheinbar dasselbe Ziel hatten - oder zumindest führte es ein paar Schritte weit denselben Weg entlang. Sie hatte nicht vor, sich jetzt vorzustellen, unter anderem auch, weil ihr Name sowieso nicht das war, was dieser Kerl wissen wollte. Ihre Motivation wäre wahrscheinlich schon eher von Interesse oder aber ihr Ziel, doch das waren mitnichten Informationen, die sie jemanden geben würde, schon gar nicht einem Fremden. Einem übellaunigen Unbekannten noch dazu, der gerade Anstalten machte, sie zu bedrohen - nein halt, das tat er schon. Man konnte immerhin auch rein verbal und durch gestische Gebärden sein Ziel zu erreichen versuchen, aber eingeschüchtert war sie wahrlich nicht. Nur vorsichtig vielleicht.
Bevor aber auch nur einer von ihnen agieren konnte, durchbrach eine gewaltige Explosion die Stille der Luft und die Dichte der Atmosphäre. Dass der Lärm von genau solch einer verursacht worden war, wusste Igraine auf der Stelle. Wäre es eine Kanone gewesen, hätte sie es ebenso erkannt, denn jedes der lauten Geräusche klang anders. Ein Gewehr knallte anders als eine Pistole, eine Armbrust sirrte, eine Schwarzpulverexplosion machte andere Geräusche als eine, die von Druckluft verursacht worden war. So wie andere als Kinder lernten, Motorengeräusche verschiedenen Herstellern zuzuordnen, konnte sie eben auf diesem Feld mit Erfahrung aufwarten. Deswegen hatte sie sich auch nicht bewegt, weil der Ursprung der Explosion ganz offensichtlich viel zu weit weg war, als dass sie ihr gefährlich werden könnte. Der Ausspruch des Weißhaarigen, dessen Kopf herumgezuckt war, sprach allerdings dafür, dass er ahnte, wer hinter dem Lärm steckte und wenn sich hier nicht noch ein ominöser Fremdling herumtrieb, dann handelte es sich dabei um den galanten Blonden von vorhin. Leonard? "Dem Geräusch nach zu urteilen, hat er entweder meine Wohnung oder das Marineschiff in die Luft gejagt." Amüsiert musterte sie die weiße Schwertscheide, die unter dem leicht verrutschten Stoff der Robe zu erahnen war. "Wahrscheinlich war es das Schiff." Andere Orte mit größeren Einlagerungen von Sprengstoffen gab es auf dieser Insel der Schiffbauer und Schrottverwerter nicht und ihre winzige Residenz befand sich genau in der entgegen gesetzten Richtung. Die Warnung des kurz darauf Entlaufenden, nahm sie nicht ernst. Dennoch machte es sie stutzig, als er von einem Spiel sprach, denn diese Formulierung gefiel ihr ganz und gar nicht.

Die Vorteile von Ortskenntnis waren nicht nur die grundsätzlich besseren Orientierungsmöglichkeiten, sondern auch das Wissen um allerlei Abkürzungen. Auf Steam gab es kaum große Straßen, weil niemand die Städte geplant hatte. Stattdessen waren sie von ganz alleine aus dem Boden gewachsen, waren hier und dort erweitert oder abgerissen worden, ehe jemand beschloss, dass die eine Straße zur Sackgasse werden musste, weil dieses bestimmte Haus unbedingt genau dort und auch nur da gebaut werden musste. Einheitliche Fassaden gab es nicht, nur das Material war ähnlich: Wo das Auge hinsah, fand sich Metall. Nicht blank poliert oder auch nur gleichfarben, sondern oft mit einer farbenfrohen Patina überzogen, die Oberfläche leicht rau und weggefressen vom Regen. Die Menschen wohnten in Häusern, die sie aus Schrott gebaut hatten, obgleich das für sie nicht gleichbedeutend mit Müll war. Alte Metalle hatten durchaus künstlerischen Wert, waren auf dieser Insel billig und allgegenwärtig und gehörten einfach in die Tradition der Insel. Wie um die Qualität der Gebäude auszugleichen, hatten viele Bewohner ihre handwerkliche Geschicklichkeit dazu genutzt, sie auf unterschiedliche Weisen zu verzieren, sie umzubauen und hatten damit teilweise Gebilde geschaffen, die das Gassenlabyrinth nur noch surrealer machten. Wenn man sie allerdings kannte, wusste man auch, dass sie oft auf mehr als einem Weg zugänglich waren. Igraine hatte den Auftritt des weißhaarigen Mannes beobachtet, allerdings nicht aus einer der Gassen oder der Menschenmenge heraus, sondern vom Dach eines Hauses, welches eine besonders ausgefallene Regenrinne hatte. In rankenartigen Schnörkeln wand sie sich einmal um es herum und brachte den Regen zum Klingen, wenn er darauf fiel. Ein musikalisches Haus, das im Moment aber ebenso schweigsam wie seine Besucherin war. In Igraines Kopf ratterte es, während sie jede Bewegung unter sich genau verfolgte, jedes Wort zu verstehen versuchte. Man musste bei ihrem Vorwissen nicht einmal eine besonders gute Menschenkenntnis besitzen, um annehmen zu können, dass dieser Mann log. Natürlich tat er das. Er war so eindeutig nicht von Steam, wie das nur ein Steamer einschätzen konnte oder zumindest jemand, der sich einige Zeit dort aufgehalten hatte. Die Steamer waren deutlich passiver aggressiv und obwohl dieser Marinekapitän es wirklich herausgefordert hatte, wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass ein Einwohner ihm das dumme Grinsen von dem Gesicht gewischt hätte. Viel interessanter als das Ob war allerdings das Warum, denn auch wenn man davon ausging, dass er ausgemachten Schwachsinn redete, schob er ihn der Bevölkerung von Steam in die Schuhe. Und das machte man nicht ohne Grund. Das tat nicht einmal jemand, der das Töten von Marinesoldaten scheinbar als Spiel verstand, also musste es einen tieferen Sinn haben. Igraine musste sich also fragen, was es für einen Vorteil brachte, die Steamer als Rebellen gegen die Weltregierung darzustellen, wenn man mal davon ausging, dass es keine kindliche Laune war. *Hm.* Sie legte die Stirn in Falten und strich danach darüber, wischte sie wieder weg und verfolgte den weiteren Weg des Angreifers von ihrer praktischerweise erhöhten Position. Er schien sich in Richtung Hafen zu bewegen, ein Ziel, das sie wohl auch demnächst ansteuern würde. Zunächst musste sie allerdings etwas anderes erledigen, denn obgleich er ihr praktischerweise einen Großteil ihrer Arbeit abgenommen hatte, war einer der Marinesoldaten dennoch entkommen. Wenn man sich die Rhetorik und die sehr zielgerichtete und offenbar gut einstudierte Kampfweise des Weißen ins Gedächtnis rief, musste das zwar Absicht sein, aber das interessierte Igraine leider überhaupt nicht. Ihr ging es garantiert nicht um eine Botschaft, sondern mehr um eine Quote. Kurz tastete sie nach ihrem Dolch, der gut verstaut unter ihrer Jacke baumelte und lief dann nach rechts los, übersprang eine enge Straßenschlucht und nahm die Verfolgung des Überlebenden auf.
 

Lucian

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Fassungslos betrachtete Lucian die noch immer schwelenden Überreste dessen, was einst ein Marineschiff gewesen war. Bereits auf dem Weg hier her hatte er immer wieder Gesprächsfetzen darüber vernommen, dass wohl irgendjemand einen Anschlag auf das Schiff der Botschafter ausgeübt hatte. Das Ausmaß hatte er sich jedoch nicht vorstellen können. Der halbe Rumpf schien weggesprengt worden zu sein und es hatte sich auf die Seite gelegt. Aufgrund der geringen Tiefe des Hafenbeckens konnte es nicht komplett untergehen und ein Teil ragte noch immer aus dem North Blue Meer heraus, während rund herum verkohlte und zertrümmerte Wrackteile herum schwammen. Es wäre gelogen zu sagen, dass der Vicomte auch nur das geringste von Sprengstoff verstand, aber bei einem solchen Ausmaß an Zerstörung musste man zu dem Schluss kommen, dass wohl das Pulverlager angezündet worden war. Er biss die Zähne zusammen, während er Marlons Werk aus der Menge der Schaulustigen heraus beobachtete. Das Gedränge war so groß, dass nicht einmal er hier auffiel, dafür war aber auch die Szenerie viel zu interessant. Der Mafioso hatte seinen Befehl doch arg weit ausgelegt. Eigentlich hatte er mit ein paar Toten und einer ertrunkenen Teleschnecke oder etwas dergleichen gerechnet, nicht mit so etwas. Allerdings musste er auch zugeben, dass diese Lösung effektiv war. Es würde äußerst schwer sein, den genauen Tatablauf zu rekapitulieren und gleichzeitig waren die meisten Spuren, die er hinterlassen hatte, wohl damit vernichtet worden. Die Stimmung unter den Schaulustigen waren derweil gespalten, denn während die einen das Geschehen und die Opfer betrauerten, so versuchten andere schon wieder, dass bestmögliche aus der Situation zu machen. Ein großer Kerl in Lucians nähe meinte deutlich vernehmbar, dass die Schrottrederei die Wrackteile sicherlich gut verwenden können würde. Was für eine Abart von Schiff man aus Schrott bauen konnte, wollte er sich nicht vorstellen und so schüttelte der Weißhaarige nur den Kopf und machte sich zurück zur Trophy. Zum Glück war diese weit genug entfernt vor Anker gegangen. Es wäre ja noch schöner gewesen, wenn die Yacht durch die Explosion in Mitleidenschaft gezogen worden wäre, so wie es mit einigen Schifferbooten in der unmittelbaren Nähe passiert war.
Mit deutlichem Ellenbogeneinsatz kämpfte er sich durch die Menge und machte sich auf den Weg zu dem Ankerplatz an dem sein Schiff angelegt hatte. Gerade als er es aus der dichten Traube heraus war, ging ein leises Raunen durch die Menge und das Getuschel nahm drastisch zu. Als er verwirrt darüber den Blick schweifen lies, bemerkte er das – deutlich größere – zweite Marineschiff, dass sich dem Hafen näherte. Jetzt würde die ganze Geschichte technisch Anspruchsvoll werden. Sofort beschleunigte er seine Schritte um zurück zur Yacht zu kommen. Marlon erwartete ihn bereits im Inneren der Trophy und hatte dort etwas zuessen vorbereitet. Mit einem schnaubend bedachte Lucian den Snack, ehe er seine Aufmerksamkeit dem Koch zuwandte. “Ich konnte sehr gut sehen wie du den Auftrag erfüllt hast. Und du glaubst nicht wie richtig du mit deiner Vermutung liegst, das wir keine Zeit haben. Vergiss das Essen und komm mit nach oben!“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen stieg ging er zurück zu der Schmalen Treppe die an Deck führte. Dort angekommen blieb er jedoch stehen, stieß ein leises Stöhnen aus und machte kehrt, um eines der Sandwiches zu nehmen und kräftig darein zu beißen. Der verlauf des Tages war so hektisch gewesen, dass er noch nichts richtiges zwischen die Zähne bekommen hatte. Und nach den Jahren, fern jeder erlesenen Küche, konnte er nicht genug von Marlons Essen bekommen. Aber darauf musste er sich nichts einbilden! Trotzdem fühlte er seine Stimmung ein wenig steigen und seine Energie zurückkehren, die er gegen Kranich verwendet hatte. Zurück an Deck beobachtete Lucian, wie das Kriegsschiff in den Hafen von Steam einlief. Das an sich währe nicht das Problem gewesen, noch gab es keinen Grund sie zu verdächtigen. Was ihm jedoch Sorgen bereitete war die Position an der die Marinesoldaten anlegten und dass anscheinend alle Kanonen Schussbereit gemacht wurden. Schwer schluckte er während ein Probeschuss gemacht wurde, der bis weiter über das entfernte Ende der Anlegestellen ging. “Sie wollen den Hafen absperren. Das Wrack hat sie gewarnt.“ Es lag keine Beschuldigung in seinen Worten. Es war schließlich nicht so als hätte Marlon wissen können, dass das zweite Schiff sobald kommen würde. Erneut biss er ab und sagte dann mit soviel würde, wie es ein voller Mund erlaubte. “Die werden jedes Schiff versenken, dass versucht, den Hafen zu verlassen. Jetzt sitzen wir hier fest.“


Der einsame Soldat irrte durch das Labyrinth aus Gassen, aus denen Steam bestand. Sicherlich hätte er den Weg zum Hafen gefunden, wenn er so zurück gelaufen wenn er die selbe Strecke genommen hätte, die er gekommen war. Aber keine Zehn Pferde hätten ihn noch einmal an diesem Kerl mit dem Kapuzenumhang vorbei geführt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drückte er seinen rechten Arm an den Leib. Er konnte ihn nicht mehr richtig bewegen und jedes mal wenn er es versuchte, schossen Wellen der Pein durch ihn. Der Mann hatte ihn verkrüppelt und vielleicht würde er nie wieder richtig benutzen können. Aber das war egal! Wichtig war es nur, dass er zurück zum Schiff kam um bericht zu erstatten. Die Marine musste gewarnt werden. Keuchend drückte er sich in einen Häusereingang und warf einen Blick über die Schulter. Das Gefühl lies ihn nicht los, dass er verfolgt wurde. Er zwang sich zur Ruhe und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Er hatte erkannt, wen er vor sich hatte. Nicht sofort, doch als seine Kameraden abgeschlachtet worden waren, hatte er einen Blick unter die Kapuze werfen können. Diese Haare, diese Augen. Jeder, der wie er von Monte Gomero kam, kannte diesen Mann! Noch einmal sah er zurück und lief dann weiter. Seine Schirmmütze fiel ihm vom Kopf, während er sich durch vergabelte Gassen kämpfte, die immer schmaler zu werden schienen. Schließlich stolperte er und fiel zu Boden. Als er aus Instinkt den Arm ausstreckte, um sich abzufangen, gab das geschundene Gelenk nach und vor schmerzen jammernd knallte er auf die Straße. Mit rasendem Herzen drehte er sich auf den Rücken und rutschte nach hinten, bis er eine Mauer im Rücken hatten, den Blick auf die Gasse gerichtet, aus der er gekommen war. Verzweifelt versuchte er sein Gewehr nachzuladen, doch nur mit dem linken Arm wollte es ihm nicht gelingen. So blieb ihm nur noch das Bajonett, denn sein Schwert hatte er während des Kampfes eingebüßt. „WO steckst DU!?“ rief er mit sich überschlagender Stimme. Er wusste das er verfolgt worden war, er WUSSTE es! „Verschwinde einfach! Ich will nichts mehr mit dir oder diesem Terroristen zu tun haben! Ich sag niemandem wer ihr seid. Das ist es nicht wert ...“ Bei den letzten Worten war er immer leiser geworden und hatte schließlich angefangen zu wimmern. „Ich will doch nur nach Hause zu meiner Frau und meinem kleinen Mädchen ...“


Aus sicherer Entfernung beobachtete Lucian den Mann, der anscheinend das Kommando unter den Soldaten hatte. Aus der Entfernung war natürlich nicht alles genau zu erkennen, aber der Kerl war anscheinend noch einmal ein Stück größer als er selbst und dazu mit einem Oberkörper ausgestattet, der doppelt so breit war wie sein eigener. Abwertend schnalzte der Vicomte mit der Zunge. Zumindest konnte er sich nicht entsinnen, den schwarzhaarigen schon einmal gesehen zu haben, aber das musste nichts heißen. Er schien seine Männer unter Kontrolle zu haben und wenn man bedachte, wie wenig bisher alles nach Plan gelaufen war, dann verhieß das nichts gutes. Schlimmer wurde es noch dadurch, dass der Augenzeuge, den er am Leben gelassen hatte, noch immer nicht zurück gekommen war, um Report zu erstatten. Dabei war inzwischen so viel Zeit vergangen! Aber wie hieß es so schön? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dann müsste er sich eben etwas anderes überlegen. Improvisieren war eine seiner stärken, darum war er so ein guter Spieler. Seine Zähne bohrten sich in seine Unterlippe. Wenn er so ein Genie war, warum wollte ihm dann jetzt keine Lösung einfallen? “Erinnerst du dich an das Mädchen, mit dem ich zusammen gestoßen bin? Sie hat die Soldaten angegriffen. Noch bevor ich es tun konnte.“ Er atmete einmal tief ein und wieder aus. “Was glaubst du, wie stehen unsere Chancen, sie in dieser riesigen Stadt zu finden? Man sagt doch, der Feind meines Feindes sei mein Freund, nicht wahr? Wenn du sie noch einmal siehst, dann bring sie zu mir. Ich will wissen wer diese Frau ist!“Und warum ich ihr so gerne an die Kehle gehen würde ...’ Den letzten Teil behielt er für sich.
 

Igraine

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Jemand, der einen Teil seines Lebens regelmäßig in kompletter Dunkelheit verbracht hatte, wusste um das Gefühl, das den Marinesoldaten ergriffen hatte. Vor allem, wenn man ahnte oder sogar wusste, dass man verfolgt wurde, führte Orientierungslosigkeit und Schmerz unweigerlich zu Paranoia, die allerdings aus Erfahrung die vollkommen falsche Reaktion war. Wachsamkeit war gut und notwendig, aber gepaart mit der Hast und Hektik von Panik, konnte sie zur Todesfalle werden. Igraine hatte früher nicht in Gassen um ihr Leben bangen müssen, weil irgendein Mörder hinter ihr her war, sie hatte sich in Tunnel an die Wand gepresst, in dem Versuch, einer übergroßen, giftigen Spinne zu entgehen, die sie auf fünf unterschiedliche Weisen innerhalb einer Zeit hätte töten können, die noch innerhalb eines Reflexes gelegen hätte. Die Lunerunner hatten jedem Neuling eingebläut, dass die Lunequeens Angst spüren konnten und im Grunde genommen hatten sie damit auch Recht: Die meisten Menschen reagierten auf Angst mit einer Beschleunigung ihres Herzschlages und deswegen auch verstärktem Atmen, was natürlich in der absoluten Stille eines Stollens gut vernehmlich war. Sie hatte deswegen trainieren müssen, genau das zu vermeiden, was dazu geführt hatte, dass sie sich körperlich nicht anmerken ließ, was in ihrem Kopf vorging, würde man ihren Puls messen. Panik zu zeigen war ineffizient und blockierte einen meist nur selbst, anstatt einen positiven Effekt zu zeigen... aber das hatte der Marinesoldat in den Gassen unter ihr wohl noch nicht so ganz verstanden. Wahrscheinlich brachte man ihnen das auch nicht bei, immerhin liefen sie selten Gefahr, bei lebendigem Leib gefressen zu werden. Wohl aber demonstrierte er hier ganz deutlich, dass es noch einige andere Lücken in seiner Ausbildung gab, die mit Charakterstärke zu tun hatten. Es war natürlich, mit körperlichem Stress auf Verwundung zu reagieren, aber es war sehr leichtsinnig, darüber seine Selbstkontrolle aufzugeben. Wenn man nicht einmal mit sich selbst zurecht kam, wie sollte man sich dann einer realen Gefahr erwehren?
Igraine hatte sich nicht schwer getan, den flüchtigen Marinesoldaten aufzuspüren und sich an ihn dranzuhängen, weil er langsam war und schnaufte wie ein brünstiges Nilpferd. Er hielt seinen Arm umklammert, weil dieser verwundet worden war und die Verletzung schien ihn arg mitzunehmen. Er tat ihr Leid, wie er sich bemühte, auf den Beinen zu bleiben, weil er im Gefühl hatte, dass er nicht wieder aufstehen würde, wenn er nun zu Boden ging. Die Frage war allerdings nicht, ob er den Kampf gegen sich selbst gewinnen würde, weil ihn diese Verletzung bereits so sehr schwächte, dass er gegen sie keine Chance haben würde. Nicht, dass sie ihm eine gelassen hätte, aber er hätte ja vielleicht doch noch mit ungeahnten Fähigkeiten auftrumpfen können. Immer wieder blickte er sich um, fand aber den Weg hinter sich verlassen vor. Igraine konnte die Panik beinahe riechen, auch wenn sie sich Meter über ihm befand und er einfach nicht auf die Idee kam, den Blick ein Stück weiter nach oben zu richten. Das konnte man ihm allerdings schwerlich vorwerfen, weil er nämlich nicht mit einem fliegenden Angreifer rechnete, auch wenn der Weg über die Dächer bei dieser Stadt nicht gerade unwahrscheinlich war. Wie um ihren Vorteil der guten Sicht und der einfachen Möglichkeit zur Verfolgung auszugleichen, hatte sie aber den eindeutigen Nachteil, dass sie erst einmal auf den Boden kommen musste, um ihn zu erledigen. Sicherlich hatte sie noch eine geladene Pistole bei sich, aber da die Möglichkeit aus dieser Entfernung durchaus bestand, dass sie verfehlte, war das keine Option. Würde sie ihn nicht tödlich verwunden, würde er sie einfach entdecken und dann würde sich dieses Spiel deutlich verkomplizieren, was am besten zu vermeiden war. Ihre Schießkunst war eindeutig nicht auf solche Winkel und Distanzen ausgelegt, also würde sie ein wenig Zeit dabei verlieren, vom Dach auf den Boden zu gelangen. Solange er sich mit diesem zwar moderaten, aber eben doch vorhandenen Tempo bewegte, konnte sie das wegen des Risikos, ihn zu verlieren, nicht tun. Zu ihrem großen Glück stolperte er schließlich, ging zu Boden und kroch zu einer Wand, die Gasse im Blick. Verzweifelt versuchte er, sein Gewehr nachzuladen, doch als das vertraute Klicken ausblieb, gab er auf und erhob stattdessen die Stimme, rief Worte, die Igraine zwar vernahm, aber noch nicht ganz verstand. Er versprach, niemandem zu sagen, wer sie war? Unlogisch. Also verwechselte er sie... und das wohl mit dem Mann, der ihn verwundet hatte. Im Rückschluss wusste dieser Mann also, um wen es sich bei dem Weißhaarigen und seinem blonden Kumpan handelte, was ihn durchaus interessant machte. Sie kletterte an der Seite des Hauses herunter, die er nicht sehen konnte und vernahm, gerade, als sie mit besorgtem, aber durchaus misstrauischem Gesichtsausdruck in sein Blickfeld einbog, dass er etwas von seiner Frau und seiner Tochter sagte, zu denen er gerne zurück wollte. Armer Kerl, sie konnte das verstehen. "Oh Mist, hat es dich auch erwischt?", fragte sie und näherte sich ihm. Mit panischem Blick, die Augen bereits feucht von herannahenden Tränen, richtete der Soldat sein Bajonett auf sie. Er schien völlig am Ende zu sein, also hob sie beschwichtigend die Hände. "Pssst, alles ist gut. Ich bin bei dir. Ganz ruhig. Niemand tut dir weh." Sie verharrte kurz, ehe sie sich vor ihn hockte und die Klinge des Bajonetts sanft beiseite schob. "War das der Mörder von vorhin, der euch angegriffen hat?" Der Soldat schluckte, versuchte seine Atmung zu beruhigen, aber kam um ein weiteres Schluchzen nicht hinweg. Offenbar hatte er wirklich schreckliche Schmerzen. "Ich weiß nicht!", stieß er schließlich atemlos hervor, "Aber vielleicht ist er noch in der Nähe! Er hat unseren Trupp angegriffen, hat alle getötet..." Erneut schluckte er und packte Igraine dann scheinbar unter Schmerzen am Kragen, wahrscheinlich, um die Eindringlichkeit seiner Worte zu erhöhen. "Du musst dich vor dem in Acht nehmen! Bitte lass nicht zu, dass er mich findet, ich habe Frau und Kind, die Zuhause auf mich warten!" Die Schwarzhaarige nickte leicht und warf einen Blick über die Schulter. Sie wusste, dass der Weiße hier nicht auftauchen würde, weil er den Mann in voller Absicht hatte laufen lassen und sich in Richtung Hafen begeben hatte, aber dennoch wollte sie keine Zeugen haben. "Ich habe niemanden auf dem Weg gesehen, du bist jetzt in Sicherheit. Weißt du, wer dieser Mann ist?" Sie sprach mit langsamer, ruhiger Stimme und friemelte währenddessen sanft die verkrampfte Hand des Soldaten von ihrer Kleidung. Es war verständlich, dass er Halt suchte, so wie ein Ertrinkender immer nach dem letzten Strohhalm greifen würde, in der verrückten Hoffnung auf Rettung. "Ja..." Mit einem Mal wurde der Mann ruhiger, atmete gleichmäßiger und schien sich zu erinnern. "Er kommt von meiner Heimatinsel Monte Gomero und ist dort mit einem weiteren Gefangenen namens Marlon Barino aus dem Gefängnisturm entkommen. Sein Name ist Lucian, der Sohn von Comte de Villefort... ich wusste von Anfang an, dass es eine schlechte Entscheidung gewesen ist, kein Kopfgeld auf ihn auszusetzen, sonst wäre das hier bestimmt nie passiert, weil man ihn abgefangen hätte!" Seine Atmung hatte sich wieder beschleunigt, seine Stimmlage war agitierter geworden, ganz so, wie das bei verzweifelten Menschen der Fall war. *Vicomte... ach daher kommt seine Selbsteinschätzung, ich verstehe...* Weder auf Steam, noch auf der Mondinsel, gab es bestehende Monarchien oder ähnliche Strukturen. Klar, es gab immer diejenigen mit viel Geld und Einfluss - zumindest auf der Mond Insel - aber von den Adligen anderer Orte hatte nur Iustus ihr erzählt. Dabei war durchgeklungen, was er von ihnen hielt und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Überfluss und Reichtum etwas anderes gebar als Egozentrik und einen schlechten Charakter. Aber wer war sie, dass sie über jemandes Charakter urteilte... sie würde diese Einschätzung einfach zu den Akten legen und einfach dabei bleiben, dass sie nun einige Informationen mehr über diesen Lars hatte. "Was hat er angestellt, dass ihr ihn einsperren musstet?" Sie reichte in eine ihrer Taschen und zog ein Tuch heraus, das sie faltete und um den Arm des Soldaten band, während sie noch redete. "Keine Ahnung... aber guck, was der hier treibt! Sie hätten ihn erschießen sollen! Ich... ich will doch nur nach Hause..." Seine Stimme war leiser geworden und er schien sich langsam zu beruhigen, den Schrecken zu überwinden, bis ihm plötzlich etwas einfiel und er den Blick direkt in ihre Augen richtete, die daraufhin schnell auswichen. "Ich muss sie warnen! Unsere Nachhut sollte jeden Moment ankommen und wenn wir schnell genug sind, können sie nicht auch überrascht werden! Wenn auch sie niedergemetzelt werden, kann ich meine Familie nie wieder sehen!" Was für ehrliche, direkte Worte. Igraines Mundwinkel hoben sich leicht und sie nickte, hob den Blick und traf die grünen Augen des Soldaten, die noch immer leicht verweint aussahen. Es waren hübsche Iriden, die an manchen Stellen leicht von gelblichen Spritzern durchbrochen waren. Sanft strich sie die schweißgetränkten Haare des Mannes aus seiner Stirn und sah mit einem Mal sehr mitgenommen aus. "Das wäre sehr schlimm." Ihre Kiefermuskulatur spannte sich an. "Aber das kann ich auch nicht mehr." Mit einem unappetitlichen Geräusch sank der Dolch in die Seite seines Halses, durchtrennte Gewebe, ehe sie ihn mit einem Ruck zu ihm zog und die Klinge schließlich an dem Tuch um seinen Arm abwischte. "Es tut mir Leid für deine Tochter, aber sie ist wahrscheinlich besser dran, wenn sie keinen solchen Vater zum Vorbild hat.", murmelte sie und drehte sich um.

Igraine brauchte nicht viel Zeit, um zum Hafen zu gelangen, auch wenn die letzten Meter wirklich überproportional verstopft waren. Sie war es gewohnt, dass im Hafengebiet viel Gedrängel herrschte, aber aus irgendeinem Grund waren heute noch mehr Menschen auf den Beinen als sonst. Erst als sie das Schiffswrack sah, fiel ihr ein, woran das liegen musste: Die Steamer waren derartige Anblicke nicht gewohnt. Allerdings hatte ihre Heimatinsel ja auch keine Geschosse, mit denen man andere Inseln und Schiffe abschießen konnte. Diese waren auch, ihrer Meinung nach, wirklich nicht notwendig. Schließlich gab sie auf und ließ sich von der Menge in eine Seitenstraße treiben, wo sie eine Feuerleiter auf das flache und relativ niedrige Dach eines Lebensmittelladens nahm, von welchem aus sie den Hafen einigermaßen im Blick haben würde. Es dauerte nicht lange, bis sie das Kriegsschiff der Marine ausmachte, welches erst vor kurzem angelegt hatte. Das war also die Nachhut, von welcher der Soldat geredet hatte... was wohl mit den beiden Fremden passiert wäre, wenn sie gewarnt worden wären? Scheinbar hatte dieser Ludwig versucht, es so aussehen zu lassen, als revoltiere Steam, doch der Soldat hatte ihn gekannt und damit wäre der Zorn der Marine auf ihn zurückgefallen. Das Kriegsschiff schien ein ähnliches Modell wie das zu sein, das sie damals im Hafen dieser Insel gesprengt hatte... und seitdem hatte es keinen solchen Zwischenfall mehr gegeben. Wie lange es wohl dauern würde, bis die Steamer Verbindung zwischen beiden Fällen vermuteten? Sie ließ ihren Blick weiter durch den Hafen schweifen und entdeckte ganz am Rande ihres Sichtfeldes ein Schiff, das sie sofort zuordnen konnte, ohne es je zuvor gesehen zu haben. Vielleicht aber auch genau deswegen, denn besonders viele Schiffe fuhren nicht in diesen Hafen ein. Es war eine Yacht, glaubte sie. Sie hatte ein paar mal welche gesehen, wenn wohlhabende Kunden auf die Mond Insel gekommen waren, aber hier gab es solche Kaliber nicht. Davon abgesehen war sie rein weiß und da sie nicht an solch krassen Zufälle glaubte, erlaubte sie sich den Schluss, dass sie wohl dem Ausreißer von Monte Gomero gehören würde. Der war aber erst einmal weniger interessant, als der Trupp, der gerade das Schiff verließ. Igraines Gesicht verzog sich, als sie das Zählen aufgab und sich auf die Lippe biss. Das waren zu viele, das konnte sie auch ohne genaue Zahlen sagen. Mit einem Seufzen setzte sie sich auf die Kante des Flachdaches und ließ die Beine baumeln. Viele der niedrigeren Dächer wurden inzwischen von Bürgern der Stadt als Aussichtsplattform genutzt, also würde sie so wohl kaum auffallen, wenn man nicht genau nach ihr suchte. Sie hatte ja durchaus mit ein paar Männern gerechnet, als sie gelesen hatte, dass die Marine einen Kontrakt mit Steams Bürgermeister aushandeln wollte, aber das hier waren mehr, als sie erwartet hatte
 
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Nachschub war also unterwegs. Keine gute Nachricht, aber Marlon wusste, dass dies unmöglich seine Schuld sein konnte. Dermaßen schnell konnte niemand reagieren. Dennoch, es war eindeutig schlecht für sie und das in mehr als einer Hinsicht. Nicht nur dass das zusätzliche Marinesoldaten bedeutete, schlimmstenfalls schätzten diese die Situation auch noch richtig ein und leiteten weitere Schritte in die Wege, bevor er und sein Kapitän Zeit hatten, angemessen zu planen oder ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Schnell, aber nicht überstürzt handeln war die Devise und darin hatte Marlon Übung genug. Doch seine Übung allein zählte hier nicht. Hier würde sich ein weiteres Mal Lucians Wert beweisen. Denn trotz der zahlreichen farbenfrohen Metaphern über das Schachspiel, die der Vicomte so gerne benutzte, war die Realität nur in sehr begrenztem Ausmaß wie Schach. Es war, wenn überhaupt, wie Blitzschach und die Uhr sah und hörte man nicht. Man konnte nur raten und hoffen dass man richtig lag. Mal sehen, ob Lucian das wusste.
"Man kann in Menschenmengen untertauchen und gerade jetzt werden sie extrem groß sein", nickte Marlon auf Lucians Frage hin. "Aber ich denke, meine Chancen sie zu finden sind nicht die schlechtesten. Ich habe noch nie das Gesicht einer Frau vergessen." Er schenkte Lucian sein typisches Schlafzimmerlächeln, das er sonst nur für besonders hübsche Frauen aufsetzte, ehe er wieder ernst wurde. "Ich mache mich sofort auf den Weg, Käptn. Sollte ich sie finden und.. ähem, überreden können sich uns anzuschließen, wohin soll ich sie dann bringen? Wenn sie eine Spionin ist wäre es nicht sonderlich klug, ihr unser Schiff zu zeigen." Auch das war etwas, von dem er ziemlich sicher war, dass Lucian es schon bedacht hatte. Die Chance dass eine Frau, die mehrere Marinesoldaten angegriffen hatte eine Spionin war, war ziemlich gering, aber sie existierte. Opfere ein paar Bauern, um an die Königin zu gelangen, um einmal bei Lucians Schachmetaphern zu bleiben. Und außerdem, die Welt war nicht unterteilt in sie beide und die Marine. Es gab sicher noch dutzende anderer Parteien, die an ihnen oder dieser Insel Interesse haben könnten und sich aus direkten Konfrontationen lieber heraus hielten. Lucian sagte es ihm.

Ausgehend von seiner eigenen These, dass der Hafen im Moment überfüllt sein musste, begann Marlon zu überlegen. Wenn er ein Feind der Marine wäre, oder sich zumindest für einen solchen ausgeben würde, wo würde er jetzt im Moment auf dieser Insel sein? Der erste Gedanke war natürlich "möglichst weit weg von der Marine", doch das war, so viel erkannte Marlon sofort, ein Trugschluss. Wenn man einen Feind hatte, dann war es gut, sich so direkt wie möglich über ihn zu informieren und obwohl er auf die Unbekannte nur zwei kurze Blicke erhaschen konnte war er sich sicher gewesen, keine naive oder gar dumme Frau vor sich gehabt zu haben. Ergo würde sie wohl versuchen, sich so viel Wissen wie möglich über die Soldaten der Marine anzueignen oder aber zumindest vorgeben, das zu tun.
Dass man als Feind einer großen, einflussreichen Gruppe vermied, offen gesehen zu werden war der nächste Punkt seiner Überlegungen. Gewiss würde sie, selbst wenn sie keine offensichtlich feindseligen Aktionen gegen die Möwensoldaten unternahm, sehr genau darauf achten, dass sie keiner von ihnen je sah oder zumindest nicht sehr auf sie achtete - das hatte ihm ihre Kleidung und ihr gesamtes Auftreten verraten. Das war keine Frau, die sich jeden Morgen hübsch machte. "Auch wenn sie das zweifellos ist." Selbst in solch ernsten Überlegungen konnte Marlon seine fast schon automatischen Komplimente an die Damenwelt einfach nicht abstellen. Aber das war gut. Es half ihm. Ihre Kleidung war mehr zweckdienlich gewesen und ihre Haare, ihr Gesicht so unauffällig dass es wie gewollt wirkte. Sie wollte in der Menge untergehen. Und wo ging das im Moment besser als am Hafen, wo sich mittlerweile vermutlich die halbe Insel zusammengefunden hatte? Und außerdem konnte sie dort direkt den Schaden abschätzen, den sein eigener kleiner Anschlag an der Marine verursacht hatte. Marlon war kein Mann, der den Versuchungen des Glücksspiels oft erlag, aber auf seine Schlussfolgerung hätte er zumindest einen guten Teil seiner verbleibenen Ersparnisse gewettet. Die junge Frau war irgendwo am Hafen, ganz sicher. Doch damit begannen seine Probleme selbstverständlich erst.

"Entschuldigung. Pardon. Darf ich mal?" Sich durch die Menge zu mogeln war einfacher als gedacht. Er hätte wohl auch einen rosa Anzug nebst passendem Hut tragen können, die Leute waren viel zu sehr mit den immer noch schwelenden Überresten des Schiffes und ihren halblaut geflüsterten Theorien über den Urheber beschäftigt. Auch waren ihre Augen wie auf die Soldaten geklebt, die ihre Zeit damit verbrachten wichtig zu tun, einige zu nahe Schaulustige davon zu jagen und jedem, der es hören wollte erklärten, hier gäbe es nichts zu sehen. Natürlich alles erfolglos. Das Gedränge wurde immer dichter und in demselben Maße wie die Menschenmasse größer wurde stieg auch das Getuschel an, es klang wie das Rauschen eines mächtigen Ozeans kurz vor dem Sturm. Diesmal allerdings achtete Marlon so gut wie überhaupt nicht auf das was gesagt wurde, sondern hielt die Augen nach der schwarzhaarigen Dame auf.
Es dauerte eine Weile, aber schließlich wurde er fündig. Auf einem der niedrigeren Dächer, wo sich bereits ein ganzer Haufen Bürger niedergelassen hatte, sah er sie. Natürlich winkte er ihr nicht zu, er rief auch nicht nach ihr. Stattdessen machte sich der Koch an den Aufstieg und war bereits wenig später auf dem Dach und näherte sich der Dame von hinten. Das hatte zum einen den Grund, dass er so den Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte, doch andererseits konnte sie so höchstens vom Dach springen, wenn sie entkommen wollte.. und dann könnte er sie schnell ausschalten. "Sieh an, die Welt ist klein", flüsterte er so leise, dass nur sie ihn hören konnte. "Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir uns so schnell wiedersehen. Glücklicherweise habe ich das hier dabei, so kann ich zumindest mein Versprechen von letztem Mal einlösen." Mit diesen Wortne hielt er ihr charmant lächelnd eine seiner Brottüten hin, aus der immer noch der verführerische Geruch nach frischem Brot mit Käse aufstieg. "Es mag kein fünf Gänge Menü sein, aber ich würde mich trotzdem geehrt fühlen."
 

Lucian

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Innerlich war er zutiefst unsicher, aber nach außen würde er das niemals zeigen. Mit der selben kühlen Art, die er immer an den Tag legte, lies er seinen Blick über den Hafen wandern und blieb am Ende doch wieder an dem Marineschiff und der riesigen Traube an Gaffern hängen, die sowohl das Wrack als auch die Neuankömmlinge begafften. Auch wenn Marlons Gewissheit, die Unbekannte zu finden, ein wenig motivierend war, so hatte er mit seiner Frage nicht ganz unrecht. Lucian konnte nicht sicher sagen, was es mit dieser Frau auf sich hatte – zum Teufel, er wusste nicht einmal genau, was er von ihr wollte, von einem unbegründeten Interesse einmal abgesehen – und da wäre es sicherlich nicht klug, sie direkt mit nach Hause zu nehmen. Sein Verstand riet ihm dazu, sie nicht hier her bringen zu lassen, aber bisher war heute keine seiner Strategien aufgegangen. Vielleicht war es an der Zeit einen neuen Weg einzuschlagen? ’Ich wäre ein Narr, wenn ich so verfahren würde!’, schalt er sich in Gedanken und musste trotzdem kurz glucksen. Nein, er würde so handeln wie immer. Seine Pläne haben nur deshalb nicht funktioniert, weil er nicht alle Figuren im Spiel hatte sehen können. Er schüttelte leicht den Kopf, bevor er seinen Gefolgsmann scharf ins Auge nahm. “Nein, bring sie nicht hier her. Erinnerst du dich an den Ort, an dem wir uns getrennt hatten? Ganz in der Nähe, nur ein paar Querstraßen weiter, befindet sich ein Lokal mit einem Stern als Wirtsschild. Der Laden müsste leer sein und wenn er es nicht ist, sorge ich dafür, bis du und unser Gast dort ankommst.“ Mit einem Kopfnicken entlies der Vicomte Marlon, der sich zackig auf den Weg machte. Fast im selben Moment, der blonde Mann, verließ auch eine Gruppe Männer das Marineschlachtschiff. “Ach und Marlon … vermeide größere Explosionen.“ Er räusperte sich leicht und hob zum Abschied die Hand, um seinen Worten die Härte zu nehmen. Als der Blondschopf in der Masse unter ging, knurrte Lucians Margen wie ein wütender Löwe. Sein zweites Sandwich verschlang er dann auch mit deutlich weniger Manieren als das erste ...

Es fiel ihm nicht schwer, das Lokal wieder zu finden, in dem er den widerlichen Krebsmenschen getroffen hatte. Schwerer war es hingegen gewesen, den Hafen wieder zu verlassen. Als er mit seinem Snack fertig war, hatten die Soldaten bereits damit begonnen, den Hafen abzusperren. Einige wenige Männer hatten sogar damit begonnen einzelne Schiffe zu inspizieren. Nicht das er sich deshalb sorgen machen müsste, an Bord der Trophy befand sich nichts, was Anhalt auf seine oder Marlons Identität gegeben hätte und es war höchst unwahrscheinlich, dass man die Luxusyacht als gestohlenes Schiff erkennen würde. Nein, das systematische Absuchen der Insel war viel eher ein Problem. Fürs erste schaffte Lucian es, unbemerkt aus dem Gebiet zu kommen, weil die Menschen so dicht beieinander standen, dass man sich nur mit sanfter Gewalt hindurchzwängen konnte. Er war wirklich nicht dafür geschaffen, sich unauffällig zwischen anderen Menschen zu bewegen. Sein äußeres vermochte er vielleicht zu verbergen, so wie er es zuvor getan hatte, doch die Abscheu davor, sich einfach zu verstecken, blieb. Jedenfalls schaffte er es ohne größere Probleme wieder zu der Spelunke mit dem weißen Stern zu gelangen. Wie zu erwarten war die Tür abgeschlossen und im inneren schien alles ruhig zu sein. Verstohlen sah sich Lucian nach links und rechts um. Auf der Straße war niemand zu sehen und wenn ihn jemand aus einem Fenster heraus beobachtete, dann konnte er da auch nichts gegen tun. Mit der linken Schulter lehnte er sich an die Schlichte Holztür und tat so, als würde er mit einem Schlüssel am Schloss hantieren. Nur für den Fall das doch ein Zuschauer ihn beobachtete. Dabei presste er sich allerdings mit all seinem gewicht gegen die Bohlen, die ein wenig nachgaben. Nur ein simpler Sperrriegel hielt die Tür zu. Mit einem kräftigen Schulterstoß und unangenehm viel Lärm barst der Riegel und die Tür schwang nach innen auf. Ohne lang zu zögern trat er ein und drückte das in Mitleidenschaft gezogene Holz hinter sich zu. Innen begrüßte ihn die selbe, abgestandene Luft wie zuvor, die jedoch ohne die Ausdünstungen des übergewichtigen Krebsfisch-Menschen deutlich erträglicher war. Zwar waren die Stöhle auf die Tische gestellt worden, doch die Scherben der Weinfalsche lagen noch auf dem Boden und auch sonst sah alles aus wie zuvor.

Auch wenn Marlon recht zuversichtlich gewirkt hatte, so würde er sicherlich noch ein wenig brauchen, ehe er die Zielperson gefunden und hier her gebracht hatte. Zuerst begnügte sich Lucian damit, drei Stühle um einen der runden Tische in einer Ecke herunter zu nehmen und zu warten, doch nach ein paar Minuten des Sitzes, packte ihn die Ungeduld. Er begann damit in dem kleinen Laden auf und ab zu gehen, warf sogar einen Blick unter die Theke, aber wirklich etwas interessantes fand er nicht. Schließlich gewann die Neugier und er untersuchte die einzige weitere Tür, die ins Hinterzimmer führte. Auch die war abgeschlossen, aber da er nun ja keine ungewollten Augen mehr auf sich zu fürchten brauchte, zog er einfach Mangetsu und hackte ein paar mal auf das Holz ein, dass unter dem Edelstahl natürlich sofort nachgab. Nach drei Schnitten hatte er das Schloss heraus geteilt. Als er die Tür aufdrückte, fiel der letzte Teil mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. Die Neugier des Vicomte wurde mit einem Raum belohnt, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Eine ganze Wand war mit Steckbriefen zugekleistert, die meisten war beschriftet oder durch Pfeile oder andere Zeichen miteinander verbunden. Nur hier und da war ein Gesicht durchgekreuzt, was wohl bedeutete, dass diese Person nicht mehr gesucht wurde. Wahrscheinlich weil sie tot oder gefangen genommen waren. Was zuerst wie das Bild des Lager eines Kopfgeldjägers aussah, wurde durch die anderen Wände gestört. Hier hingen keine Steckbriefe der typischen Art. Auf mal größere, mal kleinere Papierbögen waren Fotos, Zeitungsartikel und Notizen zu den einzelnen Personen aufgeführt. Das erste, dass er untersuchte, handelte von einem gewissen Vincent Vega. Nicht nur das Lucian nie von diesem Mann gehört hatte, der Kerl stammte nicht mal aus dem North Blue, wie die gekritzelten Wörter verrieten. Auch die anderen Personen sagten ihm nichts, nur eins hatten sie alle gemeinsam: Sie waren keine Piraten oder zumindest nicht von der Weltregierung gesucht. Schließlich untersuchte er den Arbeitstisch auf dem ein besonders großes Plakat lag. Vladimir Nukpana verriet die Überschrift. Hier waren besonders viele Notizen aufgeführt. Drum herum lagen ein relativ neu wirkender Steckbrief, der jedoch ebenfalls durchgekreuzt worden war, eine Liste der Missetaten dieses Mannes und schließlich ein Zeitungsartikel, der erst vor ein Paar Tagen veröffentlicht worden war und die baldige Hinrichtung Nukpanas ankündigte. Über den Artikel war mit roter Farbe „The Show must go on!“ geschrieben worden, allerdings in einer anderen, grazileren Handschrift als der Rest. "Was zur Hölle ist das für ein Ort?" Die viel interessantere Frage war jedoch, wer war dieser Fischmensch, der so ein Interesse an Piraten zu zeigen schien? Ihm war das nicht geheuer.
Aus dem Schankraum war das Geräusch einer sich öffnenden Tür zu hören. Sofort schreckte er auf, wie ein Kind das bei etwas unanständigem erwischt worden war. "Marlon, bist du das?"
 

Igraine

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Es mochte sicherlich Frauen geben, die viel Spaß daran hatten, wenn ein gut aussehender, junger Mann plötzlich hinter ihnen auftauchte und ihnen zweifelhafte Dinge ins Öhrchen flüsterte, aber Igraine gehörte eindeutig nicht dazu. Sicherlich hätte sie nichts dagegen, wenn sie die betreffende Person kennen und leiden würde, aber ein praktisch Fremder konnte sich eine solche Aktion sicherlich nicht erlauben, ohne dass sie sich Gedanken machte. Äußerlich schrak sie allerdings nicht einmal zusammen, auch wenn ihre Hand als Übersprungshandlung kurz an ihr Revers fuhr, in Richtung der dort lagernden Waffe. Natürlich erreichten ihre Fingerspitze sie nicht, weil sie ihre Hand vorher noch zurückzog, immerhin befanden sie sich hier auf einem öffentlichen Dach mit Blick zum Hafen. Selbst wenn sie die einzigen beiden Personen auf diesem Dach waren, so bot die Öffentlichkeit genug Schutz, dass er sie hier wohl kaum würde abstechen können. Auf der anderen Seite war wohl auch ausgeschlossen, dass sie ihm einfach eine Kugel verpassen würde, einmal ganz davon abgesehen, dass sie das auch in einer abgelegenen Gasse wohl kaum getan hätte. Statt einer Standpauke über die Gefahren von rückwärtigem Anschleichen an Bewaffnete und aufgezwungener Intimität, wandte Igraine also nur den Kopf leicht in Marlons Richtung und wandte sich danach wieder dem zerfetzten Wrack zu. Ihre Aufmerksamkeit lag allerdings trotz abgewandter Augen auf dem Sprecher, für den Fall, dass sie sich schnell bewegen musste. Tatsächlich wäre sie aber bei einem möglichen Angriff keinesfalls vom Dach gesprungen, auch wenn Marlon sich das so erwartet hatte. In einem anderen Moment hätte sie sicherlich versucht, die Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit der Masse als Schutzschild zu nutzen, aber das war vor der eintreffenden Verstärkung gewesen. Inzwischen konnte sie ihre absolute Anonymität der Marine gegenüber noch nicht aufgeben, also müsste sie einen Angriff privat regeln, indem sie das Ganze verlegte oder still und heimlich über die Bühne brachte. Da Marlon ihr allerdings kein Messer, sondern eine Tüte mit Broten entgegenhielt, vertagte sie diese Möglichkeit erst einmal und griff nach einem kurzen Schnuppern und einem leicht kritischen Blick auf den Inhalt zu. Wäre die junge Frau nun ein paranoider Mensch, so hätte sie sicherlich nicht einmal in Betracht gezogen, etwas zu essen von einem Wildfremden anzunehmen, der sich außerdem noch erdreistete, sich an sie anzuschleichen. Würde sie ständig einen Messerstecher hinter der nächsten Ecke erwarten, hätte sie sich auch schon längst umgedreht, um Marlon immer schön im Blick zu haben - aber die Tatsache, dass sie nichts dergleichen tat, sprach Bände. Tatsächlich hatte Igraine bereits Meuchelmörder hinter Ecken und Duschvorhängen gesehen und vielleicht war es genau das, was sie davon abhielt, immer mit einem panischen Auge durchs Leben zu gehen: Wer panisch wurde, paranoid, Angst vor unwirklichen Dingen hatte, wer alle Schrecksszenarien schon durchlebte, ehe sie eintraten, der schadete sich unterm Strich mehr, als wenn er locker an die Sache heranging. Sicherlich könnte Marlon ihr eine vergiftete Schnitte andrehen, aber dann hätte er sie auch hinterrücks abstechen können, ohne sie vorher auf sich aufmerksam zu machen. Auf etwas zu verzichten, was derart gut roch, wäre Verschwendung und ohne begründetes Misstrauen würde sie sich das nicht entgehen lassen. Ganz davon abgesehen rebellierte ihr Magen bei dem Geruch, sodass sie auch überhaupt keine Zeit verschwendete und sich eine Ecke des Käsespektakels in den Mund schob. Danach, das Brot immer noch zwischen den Zähnen klemmend, tauchte ihre linke Hand in die gleichseitige Tasche ab und fuhrwerkte darin herum, während sie abbiss und langsam zu kauen begann.
Obwohl man der Behauptung, dass Hunger der beste Koch sei, kaum ihren Wahrheitsgehalt absprechen konnte, hätte Igraine wahrscheinlich selbst in pappsattem Zustand nicht auf etwas derartiges verzichtet. Das war nicht unbedingt das überirdische Kompliment, das man erwarten würde, weil die junge Frau erstens selten über die Maßen satt war und zweitens an weniger qualitativ hochwertiges Essen gewöhnt war, aber es bestätigte immerhin, dass Marlon wusste, was er da tat. "Wirklich ausgezeichnet.", lobte sie in der kurzen Pause zwischen dem Herunterschlucken des ersten Bissen und dem Nehmen des zweiten, ehe sie Marlon ein in orangefarbenes, leicht zerknittertes Papier eingefaltetes Oval von der Größe einer Murmel hinhielt. Für Erklärungen war ihr Mund zu voll, also hoffte sie einfach darauf, dass der Mann ein Bonbon erkennen würde, wenn er eines sah. Gefährlich wurde es dann höchstens, wenn er versuchen würde, es zu essen, doch daran dachte sie nicht. Sie selbst war ein großer Fan dieser Ingwersüßigkeiten, sodass ihr immer wieder entging, dass die meisten anderen Menschen nicht an derartige Schärfe gewöhnt waren. Immerhin war das noch lange nicht das Nonplusultra, doch das gab es leider noch nicht in ausreichend mobiler Form, sodass sie es nicht mit sich herumtragen konnte. "Vielen Dank." Das Brot war ratzfatz verschwunden und Igraines Magen gefüllter, also räusperte sie sich leise, als ihr Mund wieder einsatzbereit war und deutete mit einem kaum bemerkbaren Fingerzeig auf das Schiffswrack. "Ich hätte nicht erwartet, dass ein Schiff von dieser Größe stark genug bestückt ist, dass eine Explosion der Schwarzpulvervorräte einen solchen Totalschaden verursacht. Mein Tipp geht dennoch auf eine etwas andere Architektur des Schiffstypus, denn bei diesem dort...", sie schwenkte zu dem massiveren Fahrzeug der Verstärkung, welches (noch) unversehrt auf den Wellen schaukelte, "...ist das Pulverlager deutlich weniger zentral, was eine einzige Detonation lästig, aber nicht dermaßen schädlich machen würde." Ihre Augen hüpften kurz zu Marlons, gefolgt von einem Schmunzeln. "Nur für den Fall, dass Sie noch einmal das Verlangen überkommt, ein Schiff in die Luft zu jagen." Egal, wie der Sandwichverteiler das nun angestellt hatte, er hatte sich offenbar nicht dabei erwischen lassen, denn noch hatte ihn niemand attackiert oder ihn auch nur schief von der Seite abgesehen, neidische Blicke auf seine feine Kleidung mal ausgenommen.
Scheinbar gedankenverloren glitten die Finger ihrer rechten Hand über ihre andere Handfläche, raue Haut rieb über Narbengewebe, bevor sie sich mit einem Mal doch umwandte und in deutlich interessiertem Ton fragte: "Haben Sie nun vor, auf Ihrer Yacht zu bleiben und darauf zu hoffen, dass sich kein Einwohner der Heimatinsel Ihres weißhaarigen Kumpans unter diesen Männern befindet? Ich bin neugierig... So ungemein subtil, wie sie sich in das Bild dieses Hafens einfügt, meine ich." Ihre Mundwinkel hoben sich leicht, während sie das schneeweiße Schnellboot erneut musterte. "Allerdings muss ich wirklich sagen, dass ich noch nie ein Schiff gesehen habe, das so passend ist. Es wirkt beinahe wie signiert."
 
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"Vielen Dank", lächelte Marlon, als ihm die Dame ein Bonbon anbot. Essen gegen Essen, ein guter Tausch. Und Zucker war zumindest kurzfristig betrachtet ein guter Energielieferant. Ohne groß nachzudenken öffnete Marlon das orangefarbene Bonbonpapier und schob sich die kleine Pastille in den Mund.. nur um sich dann mit Mühe ein Würgen zu verkneifen. Dieser scharfe, allerdings nur kurz anhaltende Geschmack, gefolgt von einem etwas eigenen Aroma, das an Seife erinnerte, ganz unzweifelhaft Ingwer, kaum gesüßt. Marlon gelang es, sein Würgen zu unterdrücken, sodass es zu einem trockenen Hüsteln gerann, in dessen Verlauf er das Bonbon unauffällig ausspuckte. Essen abzulehnen war auf Cosa Nostra eine Untat.
"Sie ist clever", dachte der Mafiosi bei sich, während er Igraines Ausführungen lauschte. Nicht nur dass sie offensichtlich etwas von Waffen und Schiffstypen verstand, sie hatte auch erkannt, wem die weiße Yacht im Hafen gehörte und dass Marlon und er mehr waren als nur zufällige Bekannte. Nun, sie hatten auch nicht wirklich versucht es zu verheimlichen und im Gegensatz zu den Dons, unter denen Marlon früher gedient hatte, gab sich Lucian wahrhaftig keine Mühe, unauffällig zu bleiben. Und hatte es aufgrund seines.. markanten Aussehens auch eindeutig schwer damit. Das konnte Vor- und Nachteil sein, doch in diesem Fall war es ganz eindeutig ein Nachteil. Es war quasi so als hätte er eine Fahndungsnummer auf die Stirn tätowiert.

All diese Überlegungen lies Marlon sich indes natürlich nicht ansehen. Man kam in der Mafia nicht weit, wenn man sein Pokerface nicht wahren konnte. "Schiffe sind ein Hobby von mir, aber nicht mein.. Dominantes. Normalerweise ziehe ich eine elegantere Lösung vor, doch zumindest die Wirksamkeit dieses Unternehmens lässt sich doch nicht bestreiten." Er machte eine einladende Geste. Sie waren nicht hier, um Smalltalk zu betreiben. Er beugte sich zu der Dame vor. Zwar berührte er sie nicht an der Schulter, aber er flüsterte ihr ins Ohr, eine ziemlich intime Geste, bedachte man wie kurz sie sich erst kannten. "Mein Kapitän hat Interesse an dir. Es ist, denke ich, in deinem Interesse, mitzukommen. Wir haben einen gemeinsamen Feind, den wir nicht unterschätzen sollten und je mehr Leute an einem Strang ziehen, desto besser.. vorläufig." Wenn man darauf achtete, und Marlon hatte keine Zweifel dass die Frau das tat, schwang eine durchaus nicht zu verachtende Drohung in dieser Ansage mit. Wir können eine Weile zusammenarbeiten, doch danach kann ich für nichts garantieren. In solch einem Fall war es ganz eindeutig besser, mit offenen Karten zu spielen. Hätte er gelogen oder diesen Teil ihrer "Abmachung" verschwiegen, sie hätte es ziemlich sicher gemerkt. Dass sie nur weil sie beide etwas gegen die Marine hatten keine Freunde werden würden, so viel lag auf der Hand. "Ich für meinen Teil könnte zu dem Essen noch etwas zu Trinken vertragen", fügte er in normaler Lautstärke hinzu, nur für den Fall dass sie jemand belauschte. "Hätten Sie etwas dagegen, mich zu begleiten, die Dame? Gerade in so unsicheren Zeiten sollte niemand alleine unterwegs sein." "Spätestens jetzt bin ich restlos davon überzeugt, dass man von Ihnen besser keine Getränke annimmt. Allerdings muss ich zugeben, dass mir das ein paar zu viele Marinesoldaten sind..." Auf den Mund gefallen war die Dame also auch nicht. Perfekt.


Immer wieder mussten Marlon und seine weibliche Begleitung Umwege nehmen. Dankenswerter weise war der Orientierungssinn des jungen Mannes gut ausgeprägt, sodass ihn auch die gelegentlichen Retouren nicht aus der Bahn brachten. Er hatte zwar den Stadtplan der verwinkelten Gassen von Steam nicht auswendig im Kopf, aber er wusste genau in welche Richtung er musste und wie sich ihre gelegentlichen "Abkürzungen" darauf auswirkten. Ein oder zwei Mal kamen ihnen auch verstreute Einwohner der Stadt entgegen, doch alles in allem blieb ihre Tour zu der Kneipe, in der Lucian sie erwartete, ohne große Zwischenfälle. Und ganz offensichtlich wurden sie schon erwartet.

"Marlon, bist du das?" Der Koch hatte die Tür so leise wie er konnte geöffnet, eine alte Angewohnheit, doch alte Scharniere waren der Todfeind jedes Attentäters. Zum Glück war Lucian anscheinend schon vorbereitet. "Ja, ich bin's. Und unsere Freundin habe ich ebenfalls dabei. Ist bei dir alles in Ordnung?" Mit geübtem Blick, der wohl kaum jemandem entgehen konnte, inspizierte Marlon die Kneipe. Nichts besonderes, eigentlich. Der Riegel, welcher die Tür normalerweise verschloss war zerstört worden, woraus Marlon schloss, dass sie sich hier illegal aufhielten. Und das, wenn jemand sie angreifen wollte, sie die Tür anderweitig verriegeln mussten. "Macht euch am besten erst einmal miteinander bekannt. Ich kümmere mich um die Tür", kommentierte Marlon die Lage knapp, woraufhin er zu den leeren Tischen ging und wahllos einen davon hochwuchtete, um die Tür damit vorläufig zu verbarrikadieren. Dabei zwinkerte er Igraine zu. "Keine Sorge. Das dient nur unserer Sicherheit. Um dich musst du dir keine Sorgen machen, versprochen."
 

Lucian

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Einen Augenblick, der sich allerdings anfühlte wie eine Ewigkeit, stand Lucian einfach starr da und lauschte auf eine Antwort, Schritte, irgendetwas. Normalerweise hätte er sich keine großen Sorgen darüber gemacht, bei seiner kleinen Entdeckungstour erwischt zu werden, doch dieser eigenartige Raumes hatte etwas an sich, dass zutiefst beunruhigend auf den Adelssohn wirkte. Auf jeden Fall hatte er nun noch einen weiteren Grund, den Krebsfischmenschen nicht noch einmal über den Weg zu laufen, wenn es sich vermeiden lies. Doch schließlich meldete sich Marlon zu Wort und Lucian atmete erleichtert aus. Kein Grund sich sorgen zu machen. “Ja, alles in Ordnung,“ antwortete er auf die Frage seines Kochs und verließ das Hinterzimmer, mit dem unbestimmten Wunsch es nie betreten zu haben. Darüber nachzugrübeln, was dies zu bedeuten hatte, würde ihn nur ablenken und würde ohnehin zu keinem Ergebnis führen. Am besten wäre es einfach, mit dem Ereignis abzuschließen. Als er zurück in den Schankraum kam und die ramponierte Tür hinter sich zu zog, nickte er Marlon kurz anerkennend zu und betrachtete dann dessen junge Begleiterin. Wenn er ehrlich war, hatte Lucian nicht damit gerechnet dass Marlon erfolgreich sein wurde und vor allem nicht in so kurzer Zeit. Eine einzelne Frau zu finden, in einer gewaltigen Stadt, die man noch nie zuvor betreten hatte, war schon eine Leistung. Vielleicht unterschätzte er den Mafioso noch immer ein wenig, obwohl dieser bisher immer alle Aufgaben mit Bravur gelöst hatte. Während der blonde Attentäter sich darum kümmerte, dass keine unerwünschten Besucher sie stören konnten, blickte Lucian auf seinen „Gast“ herab. Eigentlich hatte er ein sehr gutes Personengedächtnis, aber sie hatte irgendetwas an sich, dass ihm vertraut vorkam, er aber nicht einordnen konnte. Sie sah ihn nicht direkt an und wirkte verletzlich, doch irgendwie wollte Lucian ihr das nicht abkaufen.
Schließlich wies er mit der rechten an den Tisch, den er für das Gespräch ausgesucht hatte und nahm dann als erstes auf einem der herunter gestellten Stühle platz. “Weißt du wer ich bin?“, fragte er ohne große Umrede, wartete aber nicht ab, ob sie Antwortete. “Mein Name ist Lucian de Villefort. Und du, meine Teure, hast nicht auf mich gehört.“ Er lächelte zwar leicht, etwas das man bei ihm wirklich nicht häufig sah, aber es erreichte nicht seine Augen und schaffte es nicht, seinen Worten die Schärfe zu nehmen. Er hatte darüber nachgedacht, warum der eine Soldat, den er als Überlebenden auserkoren hatte, niemals den Hafen erreicht hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er später durch den Schock der Verletzung gestorben war, ging gegen null. Die Steamer schätzte er als viel zu passiv ein, um tatsächlich selber Lynchjustiz betrieben zu haben und das führte zu einem Schluss; “Du hast den letzten der Soldaten getötet.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Man musste kein Genie sein um erkant zu haben, dass dieses unschuldigwirkende Ding vor ihm, vor ihrer letzten Begegnung bereits zwei andere Mitglieder des Marinetrupps eliminiert hatte. “Ich bin ein recht nachtragender Mensch und es würde dir sicher gut bekommen, wenn du mir nun sagst wer du bist und wieso du dich dazu entschieden hast, in mein Spiel einzusteigen.“

„Du irrst.“ Igraine lächelte die Tischkante an, ehe sie sich scheinbar vollkommen entspannt auf einen der gegenüberliegenden Stühle setzte, die Beine überschlug und die Arme verschränkte. Ihre Fußspitze wippte leicht, ehe sie nachsetzte: „Wobei. Natürlich habe ich den Marinesoldaten umgebracht. Allerdings ist das hier nicht dein Spiel, junger Vicomte, auch wenn du das zweifelsfrei so begreifst.“

Lucian zog eine Augenbraue in die Höhe. Im ersten Moment fühlte er sich ein wenig davon überrumpelt, dass sie ihn als Vicomte betitelte, obwohl er sich nicht so vorgestellt hatte. Dann erinnerte er sich daran, dass er ja heute ein Artikel über ihn im Blue Report erschienen war, zusammen mit einem kleinen Bildchen, den wahrscheinlich ein drittel der Inselbewohner gelesen hatte. Er durfte sich nicht verunsichern lassen. In aller Ruhe faltete er seine Hände im Schoß, das Lächeln auf seinen Lippen war längst verschwunden. Nach einer kurzen Pause beschloss er, dass Drumherum zu lassen und direkt alle Karten auf den Tisch zu legen. "Lass mich ehrlich sein; diese Insel interessiert mich einen Dreck. Alles worum es mir geht ist, dass so viele Soldaten wie möglich von den größeren Basen des North Blues abgezogen werden. Leider ist mein erster – improvisierter - Plan nicht ganz aufgegangen, da ein gewisser jemand interveniert hat. Falls der Groschen noch nicht gefallen ist, damit meine ich dich. Und jetzt frage ich noch einmal: Wer du bist und wieso hast du diese Soldaten angegriffen?"

Igraine verzog ihr Gesicht leicht, wie als würde sie nicht verstehen, was soeben gesagt worden war. Sie holte Luft und meinte nach einer kurzen Pause mit langsamer, nachdenklicher Stimme: „Entschuldige, aber der Groschen mag nicht so recht purzeln. Wenn ich versuche, mir den Ablauf der Ereignisse ohne mein Zutun vorzustellen, dann komme ich irgendwie nie auf ein Ergebnis, das den Plan vollständig aufgehen lässt. Sofern ich Dumme den denn auch wirklich verstanden habe, versteht sich.“ Ihre Finger begannen mitzuzählen, als sie fortfuhr: „Erst bringst du die Marinesoldaten um und der galante junge Mann mit den Broten sprengt ihr Schiff in die Luft. Du gibst dich dabei als ein Steamer aus und brüllst herum, dass diese nichts mit der Marine zu tun haben wollen. Du lässt einen von ihnen absichtlich entkommen. Der Mann erreicht den Verstärkungstrupp und teilt ihm mit, dass ein Inselbekannter Abtrünniger namens Lu- ehm… jedenfalls, dass er den Marinetrupp umgebracht hat, aber nun versucht, diese Tat der Bevölkerung von Steam unterzuschieben. Die Marinesoldaten zählen eins und eins zusammen, finden euch und nehmen euch entweder gefangen oder exekutieren euch auf der Stelle. Ende der Geschichte.“ Sie kratzte sich am Kopf und blickte kurz in die weißen Augen ihres Gegenübers. „Ist es das, was du wolltest?“

"Was?" Nein, das war schlecht. Die Formulierung einer Frage gab direkten Aufschluss auf die Intelligenz des Fragestellers, weshalb er auch stets bemüht war zu vermeiden, Fragen mit nur einem Wort zu stellen. Aber irgendwie war es in dieser Situation so passend, daher ... "WAS?" Während sein Verstand versuchte das gehörte zu verarbeiten, richtete er seinen Blick ruckartig auf verschiedene punkte um ihn herum. Schließlich schloss er die Augen und atmete ein paar mal tief ein. Dann begann er zu lachen. Kalt. Freudlos. Aber er akzeptierte es. "Der Soldat, den ich am leben lies, stammte also von Monte Gomero. Das ist die einzige Erklärung. Dann muss ich dir wohl danken." Der Vicomte lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete die junge Frau mit einem anderen Blick. Die Bombe die sie hatte detonieren lassen täuschte ihn aber nicht darüber hinweg, dass sie seinen Fragen auswich. Entweder wollte sie ihre Identität nicht preisgeben oder ... nein, sie wollte es eindeutig nicht. "Dann lassen wir das ‘Wer’ und ‘Warum’ hinter deiner Persönlichkeit," meinte er schließlich, weil er auch nicht über den Langmut verfügte, sie ein drittes mal zu Fragen. Wenn sie dann erneut ausgewichen wäre, hätte er sie wahrscheinlich erschlagen. "Und lass uns zum eigentlichen kommen, weswegen ich Marlon angewiesen habe, dich hier her zu bringen. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, befinde ich mich in einer gewissen Personalknappheit. Wenn du mir nicht sagen willst, warum du diese Soldaten getötet hast, dann lass es. Aber ich habe ein Angebot für dich. Hilf mir bei der Ausführung meines Plans. Du kämpfst gegen die Marine, ich kämpfe gegen sie und der Feind meines Feindes ist mein Freund. Selbstverständlich wirst du einen Lohn für deine Mühe erhalten. Hilf mir, die restlichen Soldaten auf dieser Insel auszuschalten ... " Lucian streckte ihr die Hand entgegen. "Kommen wir ins Geschäfft?"
 
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