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I. Rochade

Lucian

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Wasser tropfte in regelmäßigen Abständen von einem Spalt in der Decke und in die kleine Blechschale direkt unter diesem. Das rhythmische Tröpfeln brachte die Bewohner der benachbarten Zellen immer wieder an den Rande des Wahnsinns. Aber den inhaftierten Vicomte störte das nicht wirklich. Es war eher so, dass er es genoss, wie seine mitgefangenen litten und dafür nahm er das störende Geräusch gerne in kauf. Außerdem verging so wenigstens die zeit. Es gab hier nicht viel zu tun und Langeweile stand an der Tagesordnung. Lucian, gekleidet in der typischen, schwarz-weiß gestreiften Sträflingskluft, saß mit dem Rücken an der rauen Wand, die Beine locker angewinkelt und den Kopf im Nacken. Mit den Knöcheln der rechten Hand klopfte er jedes mal leicht gegen die Fels, wenn ein Tropfen in seine Schale fiel. Seine Augen waren geschlossen. Was sollte er auch betrachten? Die winzige Zweimann-Zelle, in die man ihn gesteckt hatte? Sie bestand aus 108 Gitterstanden und 40312 Steinen, verteilt auf einen drei mal vier Meter großen Raum. Er hatte all das mehrmals gezählt um sich die Zeit zu vertreiben. Genauso wie die Sekunden, die zwischen zwei Tropfen verstrichen. 49 Insgesamt. Die Gefangenen in den umgebenen Zellen beachtete er nicht. Sicher, er hätte sich mit ihnen unterhalten können, um sich die Zeit zu vertreiben, aber das wäre unter seiner Würde gewesen. Für einen Augenblick öffnete er die Augen um einen Blick auf die im Halbkreis angeordneten Striche zu werfen, die jemand in den Boden gekratzt hatte. Zuerst hatte er nicht genau verstanden, warum der frühere Bewohner sich die Mühe gemacht hatte, bis er realisierte, dass die Striche im Zusammenspiel mit dem Licht, das durch das kleine Fenster fiel, die ungefähre Uhrzeit anzeigte. Noch etwas mehr als ein Strich bis endlich das Essen kommen würde. Schmackhafter Hirsebrei und brackiges Wasser. Bereits bei dem Gedanken zog sich ihm der Magen zusammen. Natürlich wurden Sträflinge nicht besonders gut bewirtet, aber so langsam wünschte er sich doch, dass jemand den alten Koch ermordete, damit ein neuer den Job übernahm. Mit einem leisen Stöhnen schloss er wieder die Augen. Der billige Jutestoff kratzte, aber das war nicht so störend wie der Geruch in der Luft. Noch ein paar Monate in diesem Loch und er würde noch wahnsinnig werden.
Fast vier Wochen befand er sich nun in dieser Hölle. An den Tag seiner Einlieferung konnte er sich nur verschwommen erinnern. Das lag an diesem Zeug, dass sie den neuen Gefangenen verabreichten. Sie vermengten einen dünnen Brei mit den Blüten der Hachís-Pflanze und zwangen die neuen diese Mischung zu schlucken. Die Folge waren starke Übelkeit, vorrübergehende Blindheit und Orientierungslosigkeit, man wusste nicht mehr wo oben und wo unten ist, von links und rechts ganz zu schweigen. Wenn die Mischung zu lange im Körper ist, kann dieser Zustand über Wochen anhalten. Fieses Zeug. Der Sinn dahinter war, dass die Gefangenen den Weg durch das Turmgefängnis bis hin zu ihrer Zelle nicht realisieren konnten. Wenn sie dann einmal versuchten auszubrechen, machten sie einen entscheidenden Fehler und versuchten sich nach unten zu kämpften. Dabei war der einzige Weg aus dem Turm der totgeborenen Träume, es bis zur Spitze zu schaffen und von Dort aus auf der Außentreppe nach unten zu laufen. Andere Ausgänge gab es nicht, außer man konnte fliegen und die Gitterstäbe aus den winzigen Fenstern brechen, die es ab dem 50. Stockwerk gab. Dieser verfluchte Turm war alleine wegen seiner Architektur eines der besten Gefängnisse der Blues. Dummerweise brachte er nicht viel bei Leuten, die sein Geheimnis kannten. Und der Sohn des obersten Richters dieser Insel war einer jener, die in dieses Geheimnis eingeweiht waren, ohne dort als Wache stationiert zu sein. Nur zu gut erinnerte er sich daran, wie sein Vater ihn hier her mitgenommen hatte. Damals hatte er schreckliche Angst vor diesem Ort ...
Heute war das nicht mehr so. Genau genommen war er sogar dankbar, dass er die meisten Geheimnisse dieses Ortes kannte. Er hatte sich übergeben, kaum das die Wachen die Tür hinter ihm geschlossen hatten, um den giftigen Brei aus seinem Körper zu kriegen. Er hatte ein Fenster, also war er in der oberen Hälfte des Turms. Nicht bei den Schwerstbewachten. So wie die anderen Gestalten auf seiner Ebene aussahen, waren hier wohl die politischen Gefangenen, jene die man einfach aus dem Weg haben wollte. Wie er dazu passte, war ihm nicht ganz klar. Aber das musste nichts bedeuten. Er hatte kein Kopfgeld von der Marine, also war es klar, dass er nicht im Sicherheitstrakt steckte. In den obersten Stockwerken befanden sich nur die Wohn- und Aufenthaltsräume der Soldaten, die jedoch kein Hindernis darstellten. Und irgendwo zwischen seinem Stockwerk und diesen Privaträumen befanden sich auf drei Etagen verteilt Asservatenkammern. Es galt einzig und allein einen Weg zu finden, um aus dieser Zelle raus zu kriegen. Das war das einzige Hindernis. Und noch hatte er keine Idee, wie genau er das anstellen sollte.
Etwas erregte seine Aufmerksamkeit. Die Stimmung der anderen Inhaftierten hatte sich geändert. Das kannte er schon, wenn die Typen so ruhig wurden, bedeutete das, dass Marinesoldaten kamen. Diese Idioten hatten Angst vor den Wächtern, soviel stand fest, dabei hatten sie noch nie etwas unternommen um einem Gefangenen zu schaden. Noch ein Indiz dafür, dass diese Weicheier keine wirklichen Kriminellen waren. Aber das auftauchen der Soldaten war interessant. Eigentlich war es zu früh fürs Essen und Rundgänge wurden auf dieser Etage für gewöhnlich nicht gemacht. Neugierig streckte sich Lucan ein wenig, ohne aufzustehen und entdeckte die gerüstete Truppe, die eine halb ohnmächtige Gestalt hinter sich her schleiften. Noch ein neuer Bewohner. Man hatte ihm bereits die typische Kluft angezogen, aber seine Statur lies vermuten, dass der hier wusste wie man kämpft. Zumindest war er nicht so schmächtig wie der Rest. Noch interessanter wurde es, als der Bulk sich auf ihn zu bewegte und einer der Wächter sein Gewehr auf Lucian richtete. „Keine Mätzchen! Lass den neuen einfach in Ruhe, kapiert?“ Der Adelssohn zuckte nur mit den Schultern, während man die Zelle aufschloss und den Unbekannten zu ihm rein warf. Er war nicht so dumm jetzt einen Aufstand zu wagen. Nicht wenn ein halbes Dutzend Gewehrläufe aus nächster Nähe auf ihn gerichtet waren. So schnell wie sie gekommen waren, entfernten die Wachen sich auch wieder und ließen Lucian mit dem Fremden zurück. Der Kerl atmete nur schwach, aber das lag am Hachís. Ganz entgegen seiner Art, entschied Lucian einmal ein Menschenfreund zu sein und stand auf. Mit zwei Schritten stand er über dem Unbekannten und verpasste ihm einen Kräftigen tritt genau in den Magen. Der Neuankömmling stöhnte, wandt sich leicht und erbrach dann den Inhalt seines Magens auf den Boden. Während er nach Atem rang, hob Lucian die Schüssel auf und entlehrte das kühle Nass auf seiner Stirn. „Willkommen in der Hölle ...“
 
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So weit war es also gekommen. Er, Marlon Barino, die rechte Hand des Dons, war geschnappt worden. Sein Auftrag war einfach gewesen, eigentlich fast schon eine Beleidigung für seine Fähigkeiten als Assassine, doch er hatte ihn von vorne bis hinten vermasselt. Ein Händler von Monte Gomero hatte den Don bei einer Waffenschieberaktion ziemlich übervorteilt und ihn um ein Haar der Marine ausgeliefert, ein Sakrileg, welches die Mafia nicht ungesühnt lassen konnte. Also hatte der Don ein vielversprechendes junges Talent losgeschickt, um diese unerfreuliche Sache aus der Welt zu schaffen und auch wenn dem jungen Attentäter das gelungen war, so hatte er dennoch auf ganzer Linie versagt. Und er wusste sogar, wo er versagt hatte.
”Oh mein Gott! Er stirbt! Mörder! MÖÖÖRDER!” Unter normalen Umständen hätte Marlon die hysterisch schreiende Frau in den Arm genommen, sie mit sanfter Gewalt an sich gedrückt und so daran gehindert, mehr von dieser Gräueltat zu sehen. Dem überraschten, doch nicht schmerzverzerrten Gesicht des Händlers, als die wie ein Bumerang fliegende Wurfklinge herangesaust kam, um seinem Leben ein frühzeitiges Ende zu bereiten. Der kleine Korb mit weißen Blumen, der einem nahestehenden Blumenmädchen aus der Hand gefallen war, die einzelnen Blütenblätter hatten herumgewirbelt wie Schneeflocken. Das Blut des Händlers, das über die Straße floss wie ein kleiner Fluss und langsam in den Rinnstein tropfte. Wie gerne hätte er dieser Frau all diese Dinge erspart, doch Marlon hatte wichtigere Dinge zu tun gehabt. Den Triumph in seiner Miene weitestgehend unterdrücken, seine Waffe zurück in ihr Halfter stecken und sich davon machen, kaum dass die ersten Panikrufe losgingen. Doch zu spät, viel zu spät. Die Ordnungshüter auf dieser Insel hatten ihre Hausaufgaben gemacht und so hatte es nicht lange gedauert, bis man ihn schnappte, kurz bevor er das Schiff besteigen konnte, welches ihn in seine Heimat zurück gebracht hätte. “Und jetzt sitze ich hier. Im größten Drecksloch der ganzen Insel. Der Don wird mich so schnell nicht wieder sehen wollen und ich kann von Glück reden, wenn er keinen nach mir schickt, der sein Handwerk besser versteht…“ So viel war sicher: Er würde sich auf der Insel seiner Geburt nicht mehr blicken lassen können. Nicht jetzt, nicht in zwei Monaten oder zwei Jahrzehnten, nie wieder. Es war…

Klatsch. Wie eine plötzliche Ohrfeige riss ihn der kalte Schwall Wassers aus seinen Gedanken hoch und in die Realität zurück. Vorbei die Erinnerungen an sonnige Himmel, warmes Blut und Blütenblätter, die wie Tauben durch die Luft trudelten, das hier war die harte, kalte und düstere Realität. “Willkommen in der Hölle.” Wahre Worte. Wer auch immer sie gesprochen hatte, er brachte ziemlich genau auf den Punkt, wie Marlon sich fühlte. Am Boden. Unterhalb allen, ws er je erreicht hatte. In der Hölle. “Danke. Normalerweise spucke ich nicht so viel an einem einzigen Tag.“ Keine sehr schlagfertige Antwort, aber sie war alles, was Marlon einfiel. Langsam, sehr langsam richtete sich der junge Koch auf um seinen anonymen Zellengenossen besser in Augenschein nehmen zu können. Dabei richtete er unwillkürlich seine Krawatte ein wenig gerade, um die modische Fehlentscheidung einer Sträflingsuniform war er glücklicherweise herumgekommen. Dennoch sah sein Anzug alles andere als vorteilhaft aus, verknittert und zerrissen, beschmiert mit dem Dreck des Zellenbodens und schlimmerem. “Egal, wer du bist, wir sollten uns wohl besser anfreunden“, hörte Marlon sich trocken sagen, die Bitterkeit in seiner Stimme war kaum zu überhören. “Ich bin Marlon Barino, das ist wohl alles, was dich interessieren dürfte. Wer ich außerhalb dieser Mauern war dürfte jetzt ziemlich irrelevant sein.“ Während er sprach musterte Marlon sein Gegenüber sehr genau, buchstäblich von Kopf bis Fuß, wobei er die Augen unwillkürlich ein wenig zusammenkniff. Der junge Mann der ihm gegenüber stand war alles andere als hässlich, doch er war weiß und hell wie ein Gespenst und strahlte daher förmlich in dieser düsteren Umgebung. Bedachte man, wie dreckig es hier war, wirkte er zudem beinahe wundersam sauber und es hätte Marlon nicht gewundert, hätte dieser anonyme Mann einen guten Teil des Wassers, das er als Ration bekam, für seine Körperpflege verwendet. Er jedenfalls hätte das getan. Und trotzdem.. irgendetwas an diesem Mann missfiel Marlon und das lag nicht an seinem Äußeren. Es war irgendetwas, was er an seiner Körperhaltung zu lesen glaubte und ihn unwillkürlich nach der Wurfklinge auf seinem Rücken greifen ließ. Doch natürlich griffen seine Finger ins Leere. Sie hatten ihm seine Waffe gleich bei seiner Festnahme abgenommen, ebenso wie sein Geld, sein Duftwasser und alles andere, was er bei sich geführt hatte. Nicht einmal seine Sonnenbrille hatten sie ihm gelassen, und das obwohl er diese in Gegenwart eines solchen Mannes durchaus hätte gebrauchen können. Der Tag wurde immer besser und besser. “Wenigstens“, dachte Marlon in einem grimmigen Versuch, sich doch noch an irgendetwas in dieser ausweglosen Situation zu erfreuen, “Gibt es hier drinnen keine Ratten.“
 

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Während sein neuer Mitbewohner sich würgend und keuchend am Boden wälzte, hatte Lucian seine alte Position, mit dem Rücken zur Wand, wieder aufgenommen und sah dem Jammerbild vor sich mit mildem Interesse zu. Die Show war in gewisser Weise eine angenehme Zerstreuung, allerdings viel zu schnell vorbei. Zugegeben, der Neuling hielt etwas aus. Nach einer ordentlichen Portion Hachís-Brei und so einen Tritt wären die meisten einfach liegen geblieben. Der Blondschopf jedoch schaffte es sogar, sich irgendwie auf die Beine zu hieven, aber der hier schaffte es, wenn auch bedächtig und langsam. Und dann auch noch einen Witz über die eigene, hoffnungslose Lage reißen. Ganz sicher, sein Zellengenosse hatte mehr Mum, als der Rest der Idioten, die auf diesem Stockwerk inhaftiert worden waren. Den Grund konnte sich Lucian sogar einigermaßen zusammen reißen. Der Neuling trug noch seine eigene Kleidung, einen etwas mitgenommen wirkenden Anzug, also war er kein offizieller Gefangener. Vielleicht jemand, der vor kurzem aufgefasst wurde und nun die Tage bis zu seiner Anhörung im Niedrig-Sicherheitstrakt verbringen durfte. Genau genommen war seine Anwesenheit hier bereits ein Indiz dafür, dass man ihn schuldig sprechen würde, aber die Gerichte von Monte Gomero wahrten wenigstens den Schein.
Sein Zellengenosse richtete indes seinen Anzug und die Krawatte, als befände er sich auf einem vornehmen Empfang und schämte sich ob seiner Aufmachung. Dabei sah er hier noch mit abstand am besten aus. Kein besonders gutes Kompliment, wenn schwarz-weiße Sträflingskleidung die einzige Konkurrenz war. Dann stellte er sich mit einer etwas nostalgischen Rede selbst vor. Marlon Barino. Den Namen hatte der Vicomte nie gehört und er klang auch nicht so, als würde er von dieser Insel stammen. „Ich hab zwar nicht gefragt, aber nun gut ...“ antworte Lucian und zuckte dabei leicht mit den Schultern. „Fein. Wenn es dich interessiert, mein Name ist Lucian.“ Daraufhin brach ein leises getuscheln in den benachbarten Zellen aus. Dabei überwogen „Ich habe es dir doch gesagt“ und „Vielleicht ist es nur eine Namensverwandtschaft“. Selbstverständlich hatten alle umliegenden Gefangenen dem kurzen Gespräch gelauscht, schließlich gab es sonst nicht viel zu tun. Ein guter Teil der hier Inhaftierten gehörte zu politischen Gefangenen, davon nicht wenige selber aus dem niederen Adel. Einige hatten Lucian schon wiedererkannt gehabt, aber bis jetzt war sich niemand wirklich sicher gewesen. Anscheinend bestätigte der Name jedoch die Theorie der Meisten. Lucians Stirn legte sich bei dem plötzlich einbrechenden Geflüster und Getuschel in Falten und er schloss die Augen. „Wäre es vielleicht möglich, dass ihr ruhig seid,“ begann er sachlich und beherrscht zu niemand bestimmtes, nur um dann sehr harsch umzuschlagen, „während ich versuche ein gepflegtes GESPRÄCH ZU FÜHREN!?“ Die letzten drei Worte brüllte er förmlich heraus und riss dabei die Augen auf. Sofort herrschte Stille. „Geht doch ... und was dich angeht, Marlon Barino, dessen Leben außerhalb dieser Mauern also irrelevant ist, es macht keinen großen Unterschied, ob wir uns anfreunden oder nicht. Du wirst nicht lange auf diesem Stockwerk sein und ich sehe auch keine Möglichkeit, wie wir aus dieser Zelle kommen.“ Mit leichtem Schwung stieß er sich vom Boden ab und federte in die Höhe, um sich neben Marlon zu stellen.
„Ich kenne dieses Gefängnis in und Auswendig. Ich kenne seine Geheimnisse und den schnellsten Weg nach draußen. Aber das alles bedeutet rein gar nichts, solange wir nicht aus dieser Zelle heraus kommen.“ Diesmal hatte er deutlich leiser gesprochen und sogar eine Spur von Freundlichkeit in der Stimme. Dann deutete er quer durch den Raum auf ein kleines Schaltpult. „Es gibt nur zwei Möglichkeiten, diese Zellen zu öffnen. Entweder durch einen der Sicherheitsschlüssel, von denen nur die hochrangigsten Wachen einen haben, oder indem die Notfall-Zentralentriegelung betätigt wird. Und wenn du nicht in der Lage bist, irgendetwas hartes so präzise zu werfen, damit dass Notsiegel bricht dann ...“ Während Lucian noch die Aussichtslosigkeit ihrer Situation zu erklären versuchte, hatte Marlon die kleine Blechschale aufgehoben, in der Lucian sein Wasser sammelte und diese in der Hand herum gewirbelt, wie ein Frisbee. Der Vicomte hatte immer langsam gesprochen, während er mit den Augen dem Blechteller folgte. Dann, ohne Vorwarnung schleuderte Marlon den Teller aus ihrer Zelle und quer durch zwei andere hindurch. Mit einem scharfen, metallischen knirschen bohrte sich die Bleiplatte in das Bedienungspult, in etwa auf Höhe des Notsiegels. Nichts passierte und Lucian hob nur belustigt eine Augenbraue. „... wie gesagt, wenn du es nicht schaffst mit einem Wurf das Sicherheitssiegel zu kappen, was so gut wie unmöglich ist, dann ...“ Mit einem zweiten knirschen platzte das Keramiksiegel. Ein Feueralarm ertönte und dann schwangen alle Türen gleichzeitig auf. Der weißhaarige Mann vergaß noch im Satz was genau er sagen wollte und starrte nur wortlos zu dem Pult, dann zu Marlon, während langsam Bewegung unter die Inhaftierten kam. Nur die wenigsten waren zurecht hier und nun, da sich ihnen die Möglichkeit bot, wurde der Wunsch zu fliehen deutlich stärker. „Du hättest das machen können, bevor ich mich wie ein Vollidiot benehme, dass ist dir klar oder?“ zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen in Marlons Richtung, bevor er sich entspannte und ein leises „hehe“ von sich gab. Dann räusperte er sich und brüllte abermals mit kräftiger Stimme; „NA worauf wartet ihr denn noch!? Das hier ist der Trakt für minimale Sicherung, es sind nur ein paar Stockwerke bis in die Freiheit! Alleine durch unsere Masse müsste den meisten die Flucht gelingen!!“
Ob es nun die Verzweiflung, die Hoffnung oder Lucians harte Worte waren, aber langsam setzten sich so ziemlich alle Männer in Bewegung. Wie zu ahnen war, wählten sie alle die Treppe, die nach unten, weiter ins Herz des Turmes führte. Auch Marlon wollte sich in Bewegung setzten, bevor Lucian ihn am Kragen seines Anzugs packte. „Beim Schach opferst du immer zuerst die Bauern. Die Wärter werden nun versuchen diesen Aufruhr nieder zu schlagen, der aus einem Haufen Idioten besteht, die in die Falsche richtung flüchten. WIR BEIDE allerdings werden diesen Turm verlassen und der Weg zum Ausgang führt nach oben!“ Er setzte sich in Bewegung, langsam die Treppe nach oben hinauf. Dann hielt er noch einmal inne und drehte sich zu Marlon zurück. „Einverstanden. Solange wir versuchen hier raus zu kommen, sind wir Freunde!“
 
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Lucian also. Der Name von Marlons Zellengenossen führte zu heftigem Getuschel, welches so lange anhielt bis er es selber mit einem laufen Ruf zum Schweigen brachte. Anscheinend genoss Lucian, wer auch immer er war, einiges an Ansehen auf dieser Insel, wenn nicht gar rundheraus angsterfüllten Respekt. Marlon witterte Morgenluft. Wenn dieser Lucian seinen Ruf nicht nur auf Abstammung aufbaute, dann hatten sie womöglich eine Chance. Zwar konnte er nicht mehr auf seine Heimatinsel zurück, doch wenn Marlon von hier entkam, dann gab es immer noch eine Möglichkeit für ihn, sein Leben mit seinen Fähigkeiten zu bestreiten: Er würde Pirat werden, ganz einfach. Zwar war das Leben als Räuber der Meere alles andere als ungefährlich, doch das war sein alter Job auch nicht gewesen. Also warum etwas Pep im Leben gegen Sicherheit eintauschen? Während Marlon diesen Überlegungen nachging, hörte er Lucians Ausführungen darüber zu, wie sie von hier entkommen konnten. Die erste Variante schien ihm unpraktikabel, war es doch wohl kaum möglich, eine so hochrangige Zellenwache zu erwischen, aber die Zweite…
Zwar hatte Marlon seine Wurfklinge nicht mehr dabei, aber seine Hände und die Jahre des Trainings, die er in die komplexe Disziplin der Wurfklinge gesteckt hatte, hatte man ihm nicht genommen. Nicht nehmen können. Und zum ersten Mal in seinem Leben begriff der Attentäter wirklich, wie wertvoll diese Disziplin war. Langsam nahm er die Schale, in der sich bis vor kurzem noch kaltes, brackiges Wasser befunden hatte und wirbelte sie einmal schnell herum, um ihr Liegen in der Hand und ihr Wurfverhalten zu prüfen. “Meine Güte, wie lange ist das jetzt her…“ Marlon lächelte versonnen, während er sich an einen Nachmittag auf Cosa Nostra erinnerte, an dem er die Kuchenform seiner Nonna als Wurfgeschoss zweckentfremdet und eines ihrer Fenster kaputt gemacht hatte. Sie hatte sich stundenlang aufgeregt, natürlich nicht über ihn, sondern darüber, dass seine Mutter ihn dazu erzogen und nicht beaufsichtigt hätte und überhaupt…

“Und wenn du nicht in der Lage bist, irgendetwas hartes so präzise zu werfen, damit dass Notsiegel bricht dann...“ Ein lautes Zischen unterbrach die Ausführung des weißhaarigen Adeligen, als Marlon sein Ziel kurz ins Visier nahm, den Arm nach hinten beugte und dann ruckartig nach vorne schnellen ließ. Mit der Präzision, die nur jahrelanges Training wirklich erzielen konnte sauste die flache Wasserschale durch zwei weitere Zellen, vorbei an verdutzt dreinblickenden Gefangenen und prallte auf das Notsiegel, welches Marlon durch das dezente Neigen von Lucians Körper ausgemacht hatte, als dieser über es gesprochen hatte. Körpersprache zu lesen war ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung zum Attentäter, konnte man doch so sehr schnell entscheiden, was das Opfer als nächstes vor hatte. Und nicht nur dieses. Lucian hingegen schien über Marlons Wurf eher belustigt zu sein, denn er sprach mit einem unüberhörbar herablassenden Ton weiter, bis das Siegel plötzlich brach und die Alarmglocken losschrillten wie panisch kreischende Frauen. Der Blick, den Lucian dem jungen Attentäter zuwarf, hätte kleine Insekten töten können, doch Marlon machte sich nicht besonders viel daraus. Er war bedeutend schlimmere Blicke gewohnt. “Ein wenig Glück war dabei, das gebe ich gerne zu. Aber ohne weitere Waffen bin ich aufgeschmissen. Weißt du zufällig, wo sie die Waffen der Gefangenen in diesem Turm aufbewahren?“ Marlon wusste aus Erfahrung, dass man die Waffen von gefangenen Feinden nicht etwa ins Meer warf, sondern sie zumindest einige Tage behielt, um eventuelle Finessen oder andere Besonderheiten des Gegners zu studieren, die man später gegen ihn verwenden konnte. Und so beschränkt die Wachen hier auch schienen, es war immer noch das Gefängnis eines reichen Staates, der von einem fähigen Mann regiert werden musste, also war von so einer Praxis hier durchaus auszugehen. | "Waffen werden mit den restlichen Besitztümern aufbewahrt. De Asservartenkammer liegt dicht über uns, ein, vielleicht zwei Stockwerke. Sie ist selber Drei Stockwerke groß, aber die Sachen der Neuankömmlinge sind ganz unten. Zumindest mit 'ein wenig Glück.'" Marlon ignorierte diesen Seitenhieb auf seine eigene Wortwahl, wissend, dass es im Moment wichtigere Dinge zu tun gab. “Nach Euch, der Herr“, bot er Lucian mit einer leichten Verbeugung an, ging sogar so weit, ihm die Tür auf zu halten, damit er dies nicht selber tun musste. Gefangenschaft hin oder her, ein wenig Manieren waren niemals verkehrt.

Die Vorhersage Lucians bewahrheitete sich. Sie mussten lediglich einmal eine zugegeben sehr enge Wendeltreppe hinaufgehen und schon befanden sie sich in einer riesigen Kammer, in der zahllose Kisten voller beschlagnahmter Güter bis an die Decke standen. Sorgfältig nach Datum der Einlieferung sortiert befanden sich hier Waffen, Kleidung und persönliche Besitztümer sorgfältig aufgereiht wie Fossilien in einem Museum. Es fiel Marlon nicht schwer, die Kiste mit seinen Besitztümern zu finden, vor allem deswegen nicht, weil seit seiner Einlieferung kein halber Tag vergangen war. Mit einer routinierten Geste zog er seine Wurfklinge aus der einfachen Kiste hervor und ließ den eigenartig geformten Stahl einmal um seine Hand rotieren, ein beliebter Trick unter den Anwendern des Gentle Throws. “Gut, dich wieder zu haben, alter Freund“, lächelte er, wobei er die Klinge ansprach wie einen Bekannten, den er seit Jahren nicht gesehen hatte. “Ich verspreche dir, diesmal werde ich besser auf dich aufpassen.“
Lucians Stimme zerriss diesen trauten Moment der Zweisamkeit wie ein Schwert, das durch Papier schnitt. “Spar‘ dir die Sentimentalitäten für später! Wir kriegen Gesellschaft!“ Maron nickte, hob die Wurfklinge leicht und blickte zu der Tür, auf die Lucian gedeutet hatte. “…ich nehm’ mir einfach ein paar Klingen aus dem Vorrat und dann bäm! Mal sehen wie viele Gefangene ich töten und es als Folge des Aufstands verkaufen kann. Kanra wird sich freuen”, lachte einer der Soldaten, während sie auf die Asservatenkammer zugingen. Der Feueralarm hatte sie nicht so alarmiert, wie er das vielleicht hätte tun sollen, stattdessen hatten sie sich vorgenommen, ein paar unliebsame Gefangene zu entsorgen. Wenn der Alarm losging, dann brach Panik aus und das führte dazu, dass sich diese Bestien gegenseitig abschlachteten, bis die Marinesoldaten ihnen tapfer Einhalt geboten und dafür eine saftige Beförderung kassierten. Was war daran Verwerfliches? In der Erwartung, einen leeren Raum vor zu finden, stießen die Marinesoldaten die Tür auf und blinzelten überrascht, als sie gleich zwei Gefangene darin sahen. Nur um danach noch breiter zu grinsen.
Bevor Marlon reagieren konnte, stellten sich die Soldaten in Formation auf. Drei trugen Schwerter, zwei hatten Gewehre dabei und sie schienen zum äußersten entschlossen. ”Halt, Gefangene!” Natürlich war das kein Befehl, dem sie Folge leisten sollten. So oder so, ihr Leben war verwirkt, sie würden nur zur Statistik dieses Gefangenenaufstandes gehören, das wusste Marlon ebenso gut wie diese feigen Ratten, die sich Gefängniswärter nannten. ”Tut mir leid, heute nicht.” Mit diesen Worten warf Marlon seine Wurfklinge, wobei er auf einen der Schützen zielte. Zu seinem Glück war die Stellung der Soldaten nicht sehr kompliziert und so ertönten wenige Sekunden nach seinem Wurf zwei Schreie, als die Klinge die beiden Gewehrschützen fällte und sich dann auf den Weg zurück zu seinem Werfer machte. Doch noch bevor Marlon seine Klinge fangen konnte, sah er, wie einer der verbliebenden Soldaten auf ihn zustürmte, das Schwert auf Marlons Brust gerichtet. Er würde eher da sein als Marlons Wurfklinge, ihn durchbohren und dann.. tja, das war es dann. Schlechte Vorbereitung bedeutete den Tod, diesen Grundsatz der Wurfklinge hatte Marlon vergessen, schon zum zweiten Mal an diesem Tag und diesmal würde er den ultimativen Preis für seine Nachlässigkeit bezahlen. ”Tja.. das wars dann wohl.”
 

Lucian

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Es war lange her, dass irgendjemand Lucian wie eine privilegierte Person behandelt hatte. Der Adelssohn konnte nicht anders als daraufhin eine Augenbraue verdutzt hoch zu ziehen. Früher hatten Diener ihm jeden Schritt bereitet, ohne dass er nur etwas hätte sagen müssen aber trotzdem war es eine Überraschung, als Marlon ihm die Tür öffnete und sich sogar verbeugte. Ein solches Benehmen von einem Fremden, der ihn nicht kannte und an einem solchen Ort, war das letzte, womit er gerechnet hatte. Misstrauisch beäugte Lucian den Blondschopf. Die ganze Aktion war in einer fließenden Bewegung vonstatten gegangen, die darauf schließen lies, dass Marlon es schon häufiger gemacht hatte. Aber wie ein typischer Diener kam er ihm doch nicht vor. Überhaupt, wieso sollte man einen einfachen Bediensteten einsperren und wo sollte ein solcher dieses Wurfgeschick erlangt haben. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätte die Neugierde Lucian wohl nachhaken lassen, aber im Augenblick gab es wichtigeres zu tun. Entkommen zum Beispiel! Die Etage war bereits leer, alle anderen Gefangenen hatten die Chance genutzt und waren geflüchtet, unwissend, dass der Weg nach unten nicht in die vermeintliche Freiheit, sondern in die Arme der Hochsicherheitssoldaten führte. Der Vicomte konnte nicht anders, als dieses Gefängnis und seine Bauweise zu bewundern. Der Weg zu den Treppen war durch eine solide Mauer eingefasst, so dass die Gefangenen nicht sehen konnten, ob die Wachen von oben oder unten kamen, wenn sie neue Gefangene brachten und die schiere Logik sagte den gewöhnlichen Inhaftierten, dass der Ausgang unten war. Trotzdem benötigte es nur eine Wache die über das System plauderte, es öffentlich machte, und schon würde es nicht mehr funktionieren. Ein Bluff mit hohem Einsatz. Als das Zweiergespann an den Wendeltreppen ankam, hielt Lucian kurz inne und lauschte in die Richtung, die weiter runter führte. Es war bereits alles stark gedämpft, aber wenn er sich nicht stark irrte, waren die ersten Ausbrecher bereits dabei, die Zellen auf der nächsten Etage zu öffnen. Er hätte es wohl auch so gemacht. Stärke lag häufig in der Zahl.
Aber nicht heute und nicht hier. Wenn er entkommen wollte, müsste er es schnell und ohne großes Aufsehen schaffen. Jede zusätzliche Person war ein Risiko. Genaugenommen traf dies selbst auf Barino zu, aber Lucian besaß noch genug Ehre um sich nicht des Mannes zu entledigen, der seine Flucht überhaupt erst ermöglicht hatte. Mit federnden Schritt erklomm er stattdessen die schmale Treppe, auf der höchstens drei Mann nebeneinander her gehen konnten. So viele Stufen. Er wollte nicht wissen, wie es war, von ganz unten nach oben laufen zu müssen. Aber fürs erste war der Weg nicht so lange wie Lucian befürchtet hatte. Als sich der Gang auf die nächste Etage abgabelte, drückte er sich an die Wand und gebot Marlon inne zu halten. So leise wie möglich schlich er um die Ecke, drückte die schwere Tür einen Spalt weit auf und spähte hinein. Dann entglitt im ein Seufzer der Erleichterung. Anstatt Käfigen und Gitterstäben begrüßten ihn Regale und Kisten, die sich in ordentlichen Reihen bis zur Decke stapelten. Mit einem Handwinken holte er seinen Begleiter zu sich und stieß dann die Tür auf. “Wenn uns das Glück weiterhin so holt ist, dann schaffen wir es vielleicht tatsächlich hier raus. Etage 86, Asservatenkammer 3. Das heißt vierzehn Stockwerke bis in die Freiheit. Wenn sie das System nicht geändert haben, befinden sich deine Besitztümer hier.“ Tatsächlich brauchte Marlon nicht lange, um sein Eigentum zu finden. Lucian, der seine eigenen Sachen suchte, warf einen Blick über die Schulter, als Marlon scheinbar mit sich selbst zu sprechen begann. Dann erkannte er seinen Irrtum, da der elegant gekleidete Mann anscheinend mit seiner Waffe sprach. Zugegeben, ein Schwert mit solch einer Form hatte der Vicomte noch nie gesehen. Sie sah eher aus wie ein seltsamer Bumerang oder eine Handsense. Aber viele Gedanken konnte sich Lucian nicht mehr machen. Stimmen und Schritte näherten sich der Lagerhalle. “Spar‘ dir die Sentimentalitäten für später! Wir kriegen Gesellschaft!“ Marlon verstummte sofort und nickte ihm zu, während er sich des verdammten Sträflingshemds entledigte. Wenn er jemals wieder so einen widerwärtigen Stoff tragen müsste, würde er wahrscheinlich wahnsinnig werden.
Für einen Moment hatte er sich sorgen gemacht, als die Tür sich öffnete, aber das hielt nicht lange. Fünf Marinesoldaten, die Anscheinend nicht damit rechneten, dass sich hier Gefangene aufhielten, waren nicht die Aufstandseinheit, mit der er befürchtet hatte. Aber auch die Soldaten überwanden ihre Überraschung schneller als erwartet. ”Halt, Gefangene!”, brüllte einer von ihnen, während die anderen ihre Waffen bereit machten. Die Situation war relativ eindeutig. Dieser „Stolz der Marine“ nahm an, es mit zwei wehrlosen, politischen Gefangenen zutun zu haben und waren in der Überzahl. Da war es nicht schwer, Mut zu finden. “Kommt und holt mich!“ zischte Lucian, als zwei der mit Schwertern bewaffneten Kerle auf ihn zustürmten. Da er nicht soviel Glück gehabt hatte, wie Marlon, war er noch unbewaffnet, aber das war kein besonderes Problem. Unter dem ersten Hieb wich er hinweg, indem er kurz in die Knie ging. Das Momentum, als er sich wieder hoch drückte, legte er in einen Faustschlag, der dem zweiten Angreifer direkt in Magen traf. Der Soldat röchelte, spuckte und brach dann zusammen. Der erste Marinekämpfer setzte erneut zum hieb an, beidhändig und mit viel Schwung über den Kopf hinweg. Luciens Hände schlossen sich rechtzeitig um die Handgelenke des Schwertkämpfers, um die Attacke abzufangen und mit einer kräftigen Kopfnuss beförderte er auch diesen ins Reich der Träume. Das Zischen, mit dem Marlons Wurfklinge die beiden Gewehrschützen fällte, hatte er gar nicht wahr genommen. Dafür bemerkte er aber, wie der letzte Soldat auf den, im Augenblick unbewaffneten Marlon zustürmte. Ohne groß darüber nachzudenken, hob Lucian das Marineschwert auf und setzte sich selber in Bewegung. Gerade, bevor der Feind Marlon abstechen wollte, bohrte sich das erbeutete Schwert durch dessen Rücken, trat an der Brust wieder aus und verharrte kurz vor Marlons Oberkörper. Der überraschte Soldat lies seine Waffe fallen und sah über die Schulter. Dann sah er an sich herunter und kippte um. “Tut mir leid wegen dem Anzug,“ meinte Lucian lakonisch und deutete auf die Blutspritzer, welche den Oberkörper seines Kameraden sprenkelten. Ohne weitere Worte drehte er sich um und ging zu den beiden Soldaten, die er ausgeknockt hatte. Mit zwei weiteren Stichen des erbeuteten Schwerts, stellte er sicher, dass diese ihnen nicht mehr in die Quere kommen würden. Dann warf er das billige Schwert quer durch den Raum. Amateure. Er hatte sich nicht einmal anstrengen müssen. Vielleicht war ihnen das Glück wirklich hold?
Es dauerte noch etwa zehn Minuten, dann hatte Lucian endlich sein eigenes Hab und Gut gefunden. Freudig tauschte er die letzten Reste seiner Sträflingskleidung gegen seine schneeweißen Gewänder. Immerhin hatte man sie ordentlich und knitterfrei verstaut. Nach der rauen Jute war die Seide wie der Himmel. Bandagen, um seine Handgelenke, oder besser gesagt die Narben dort, zu verdecken, befanden sich selbstverständlich nicht in der Kiste. Dafür aber seine beiden Schwerter. Andächtig hob er die weißen Shirasaya einzeln aus der Kiste und vor seine Stirn, ehe er sie zwischen die Lagen seines Wickelgürtels steckte. Jetzt fühlte er sich wieder vollständig. Lässig schlug er seine langen Ärmel zurück und strich sich mit beiden Händen durch die Haare. “Wir haben genug Zeit verschwendet. Machen wir uns auf den Weg!“, gab er das Kommando zum Aufbruch. Es war zwar unwahrscheinlich, dass jemand den Kampf gehört hatte, aber man würde früher oder später die verschwundene Einheit suchen und wenn das passierte, dann wollte er nicht mehr hier sein. Vierzehn Stockwerke, bis zur Freiheit, plus der Weg wieder nach unten. Keiner von beiden bemerkte die kleine Schnecke, die sie aufmerksam beobachtete, während sie die Halle verließen und dabei leise Belebeleble vor sich hin sagte.


Die Videoschnecke hatte das Bild der beiden Flüchtigen auf den mittleren Bildschirm geworfen. Ein halbes Dutzend Marinesoldaten saß um Halbkreis an Pulten und koordinierten von hier, aus dem 95. Stockwerk, das Niederschlagen des Aufruhrs. Inzwischen waren drei Stockwerke am randalieren, aber die Spezialeinheiten aus dem Sicherheitstrakt waren bereits auf den Weg nach oben. Alles ging wie im Lehrbuch von sich, von zwei Insassen einmal abgesehen, die nicht nur den Weg in Richtung Freiheit gewählt hatten, sondern inzwischen bewaffnet waren und einen kleinen Trupp ausgeschaltet hatten. „Identifizierung läuft,“ sagte einer der Marinesoldaten und kurz darauf dann, „Identität bestätigt. Lucian de Villefort, eingestuft als Sicherheitsrisiko Stufe 3 und Marlon Barino, eingestuft als Sicherheitsrisiko Stufe 4. Beide sollten in den nächsten zwei Monaten auf die Sicherheitsebene Château d'If verlegt werden. Wünschen sie, dass wir den Konteradmiral verständigen?“ Der letzte Teil war an den Marinekapitän gerichtet, der hinter dem Überwachungspersonal stand und die Bildschirme betrachtete. Dabei spielte er mit seinem langen, schmalen Kinnbärtchen. „Isch denke nischt, daas wir den Kontöradmiral wegen einer solschen Lapalie stören müsen. Kontaktieren sie Leutnant Porthos und Leutnant Aramis, sie sollen sisch auf den Weg sur Asservatenkammer Une machen!“ „Zu Befehl, Kapitän Athos!“ kam es von zwei Männern gleichzeitig. Die daraufhin damit anfingen, die nötigen Teleschneckensignaturen zu suchen. Kapitän Athos, offizieller Verwalter des Gefängnisses, strich sich weiterhin über seinen schwarzen Kinnbart, während er den Bildschirm betrachtete. Die beiden Gefangenen hatten den Bereich der Überwachungsschnecke natürlich längst wieder verlassen, aber das eingefrorene Bild zeigte die beiden Männer trotzdem allzu deutlich. „Das könnte interreson werdön,“ murmelte er leise und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder dem eigentlichen Aufstand zu.


“Es interessiert mich wirklich, wo du gelernt hast, so zu werfen. Du bist kein ordinärer Gefangener, soviel steht fest.“ Sie waren auf der Treppe, welche die untere Lagerhalle mit der mittleren verband und schweigen machte den Weg nicht kürzer. Seine Neugier, die bereits vorher geweckt war, war inzwischen Entfesselt. Von der Präzision seines Partners war er ehrlich beeindruckend, zumal der Fernkampf auch seine eigene Achillesferse war. Dass der Blondschopf mit einer Wasserschale das Sicherheitssiegel gebrochen hatte, war bereits recht unwahrscheinlich gewesen, aber dass er es dann auch noch geschafft hatte, mit einem einzigen Wurf seiner seltsamen Waffe zwei Soldaten zu erledigen, war wirklich erstaunlich. Auch wenn er es niemals zugeben würde, aber hätte Barino sich nicht um die Gewehrschützen gekümmert, wäre er wahrscheinlich nicht so glimpflich und unverletzt aus der Sache heraus gekommen. Die Nahkämpfer waren nicht das Problem, die Distanz zwischen einem Schützen mit geladener Waffe hingegen schon. “Lass mich ehrlich sein. Ich könnte einen Mann wie dich gebrauchen. Wenn du lange genug in einer Zelle sitzt, beginnst du damit, Pläne zu schmieden. Und ich habe große Pläne, einen Masterplan! Aber alleine kann ich das nicht durchführen. Jemanden mit deinen Fähigkeiten könnte sich als nützlich erweisen.
 
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Das jähe Ende von Marlons hochtrabenden Plänen fand selbst ein Ende, als eine kleine Welle aus Blut sich auf seinem Anzug ausbreitete. Der Soldat, welcher sein Schwert zum finalen Streich erhoben hatte, röchelte überrascht und brach tot zusammen, der weißhaarige Mitgefangene des ehemaligen Mafiosi kam dahinter zum Vorschein, als hätte sich die Seele des Verstorbenen von seinem Körper getrennt und wäre zu einem Geist geworden. ”Tut mir leid wegen dem Anzug”[/B], entschuldigte sich der Mann, der sich Marlon als Lucian vorgestellt hatte, auch wenn es ein klein wenig sarkastisch klang. Dennoch lächelte Marlon. ”Ich werde diesen hier ohnehin nie wieder tragen, sobald ich einmal hier heraus bin. Also keine Sorge deswegen.“ Doch obwohl er eine so unverbindliche Antwort gab, fühlte Marlon sich vollständig anders. Lucian hatte ihm soeben sein Leben gerettet, das war ihm klar, und ein Mitglied der Mafia ließ so eine Schuld nicht unbeglichen. Mochte er jetzt auch ein Gejagter sein, ein Stilbruch wie dieser wäre unverzeihlich gewesen und so versprach er sich, Lucian nicht mehr von der Seite zu weichen, bis er seine Lebensschuld bei ihm beglichen hatte. Ein ehrgeiziges, vielleicht wahnsinniges Unterfangen, aber es gab ihm immerhin ein, zumindest vorläufiges, Ziel. Während ihres Ausbruchs würde sich bestimmt eine Möglichkeit ergeben, sich ebenfalls als Lebensretter auf zu spielen.
”Ich denke, wir warden noch eine Weile miteinander auskommen müssen, mein Freund”, informierte Marlon Lucian, während dieser sich umzog. Der Anblick des weißen, vernarbten und doch eigenartig ästhetischen Körpers ließ Marlon dabei vollkommen kalt. Sie waren ja immerhin beide Männer, oder? Weiß wie ein Schwan stand Lucian schließlich vor ihm, sogar die Schwerter, die er an seinem Gürtel trug, waren hellweiß. Der Kontrast mit den grauen, eintönigen Gefängnismauern tat in den Augen weh. Dem Kommando zum Aufbrechen leistete Marlon sofort Folge, teils weil er in Lucians Nähe bleiben wollte, teils weil er einsah, dass es unter diesen Umständen das Sicherste war. Der Mangel an Feuerwaffengebrauch und auch all zu lauter Schreie ließ es unwahrscheinlich werden, dass man sie gehört hatte, doch in einem Aufstand blieb man besser nicht all zu lange an derselben Stelle. Die vor sich hin böllernde Teleschnecke übersah und überhörte Marlon allerdings ebenfalls, wohl weil man auf den Blues selten Überwachungsschnecken zu Gesicht bekam.

“ Es interessiert mich wirklich, wo du gelernt hast, so zu werfen. Du bist kein ordinärer Gefangener, soviel steht fest. „ Prahlen war nicht Marlons Stil und davon wich er auch jetzt nicht ab. Er nickte lediglich höflich, wie jemand, den man gerade nach dem Wetter für Morgen gefragt hat. “Danke. Ich war schon immer geschickt mit meiner rechten Hand. Und wenn man als Jugendlicher viel Zeit hat und viel trainiert, wird man automatisch besser, nehme ich an.“ Marlon dachte nicht viel über die Doppeldeutigkeit seiner Worte nach und selbst wenn, dann wäre es ihm auch egal gewesen. “Die Handhabung der Wurfklinge ist nicht einfach, aber sie ermöglicht höchstmögliche Präzision, mit der sich kaum ein anderer Schwertstil messen kann. Ich bin zwar noch nicht so weit, doch wahre Meister können auf mehrere hundert Meter Entfernung einem rennenden Feind die Halsschlagader öffnen, sagt man.“ Das war zumindest das Niveau, von dem man Marlon immer wieder erzählt hatte, aber er hegte keinen Zweifel daran, dass es stimmte. Man hörte deutlich verrücktere Dinge von der Grand Line als nur solche Geschichten, sogar über die sagenumwobenen „Teufelsfrüchte“, von denen es da draußen hunderte geben sollte, mit unberechenbaren und sagenhaften Kräften. Das wäre eine Welt, die er zu gerne sehen würde. Und wie es schien, klopfte eine erste Gelegenheit bereits an seine Tür. “Lass mich ehrlich sein. Ich könnte einen Mann wie dich gebrauchen. Wenn du lange genug in einer Zelle sitzt, beginnst du damit, Pläne zu schmieden. Und ich habe große Pläne, einen Masterplan! Aber alleine kann ich das nicht durchführen. Jemanden mit deinen Fähigkeiten könnte sich als nützlich erweisen. „ Dieses Angebot kam plötzlich, aber Marlon hütete sich, es vorschnell anzunehmen. Gewiss, dieser Mann schien stark zu sein und er schuldete ihm sein Leben, aber… “Wenn du dich einem Mann anschließt, dann nur einem, den du bis in den Tod folgen würdest, ohne mit der Wimper zu zucken.“ Das hatte ihm schon seine Mutter beim Eintritt in die Mafia geraten und Marlon fand, dass man sich an diesen Ratschlag halten musste. Nur eine starke Persönlichkeit würde es zu etwas bringen und es wäre unklug gewesen, sich einem Schwächling zu unterwerfen. Denn selbst wenn er später noch die Seiten hätte wechseln können – Solch einen Verrat hätte er selbst am allermeisten verabscheut und, da war er sicher, jede halbwegs würdige Persönlichkeit ebenfalls. “Für’s Erste werde ich in deiner Nähe bleiben“ , antwortete er daher, “Aber eher, weil ich dir mein Leben schulde als aus irgendwelchen anderen Gründen. Ich werde mir ansehen, wie gut dein Plan ist, um hier heraus zu kommen, wenn du mich damit überzeugt hast und mich dann immer noch willst, dann werde ich darüber nachdenken. Einverstanden?“
 

Lucian

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Für einen Augenblick verlangsamte Lucian seine Schritte, ohne etwas zu sagen oder zu Marlon zurück zu sehen. Dann gluckste er leise und zuckte mit den Schultern. Wenn man es genau nahm, dann war der Witz auf seine Kosten gegangen. "Ich denke das geht für mich in Ordnung." Die Situation hatte ihn mitgerissen, anders war das nicht zu erklären. Er kannte diesen Mann jetzt wie lange, weniger als eine halbe Stunde und wollte ihn trotzdem bereits für seine Pläne einspannen? Das war im Grunde lächerlich. Hätte man ihm in dieser Situation ein solches Angebot gemacht, er wäre wahrscheinlich nicht einmal darauf eingegangen oder hätte laut gelacht. Trotzdem … jetzt sah Lucian doch die paar Stufen hinunter, welche die beiden Männer trennten. Der Blondschopf hatte irgendetwas an sich. Irgendetwas. "Das war wohl die beste Antwort die du geben konntest. Folge niemals einem Mann in die Hölle, wenn du nicht weißt, dass es sich für dich lohnt…" Damit drehte er sich wieder herum und setzte den schier endlos wirkenden Weg in die Freiheit fort.
An der nächsten Abzweigung bog der Vicomte nicht ab, da er genau wusste, dass der schmale Gang, der vom Treppenrundgang wegführte, nur in die nächste Waffen- und Asservatenkammer führen würde. Kein Grund für einen Umweg, wo sie doch bereits alles wieder zurückerlangt hatten, was ihnen gehört hatte. Inzwischen spürte er seine Beinmuskeln sehr deutlich protestieren. Das waren einfach zu viele Stufen, aber der Sinn erschloss sich ihm schon. Sollte doch einmal ein entflohener Insasse den Weg nach oben wählen, so würden ihn die Treppen erschöpfen. Noch war alles in Ordnung, aber bei der bloßen Vorstellung noch einmal 13 Stockwerke hoch zu müssen, bekam Lucian bereits Muskelkater. Es wäre wohl klüger irgendwann in den nächsten Etagen eine kurze Rast einzulegen. Ungeduld konnte es für ihre Feinde nur leichter machen. Solche und andere Gedanken hatte der gefangene Adelige, als die Stufen abrupt endeten. Zehn Meter über ihnen konnte er eine massive Mauer sehen. Automatisch verlangsamte er seine Schritte. Im ersten Moment überkam ihn das Gefühl, in die Falle geraten zu sein, aber dann bemerkte er den schmalen Gang, der zu einer massiven Holzdoppeltür mit aufgemalter 1 führte. Sie mussten wieder eine Runde beendet haben, dass war der Zugang zur nächsten Etage, der obersten Beweismittelhalle. Mit der flachen Hand fuhr Lucian über das Mauerwerk, das den Weg weiter gerade aus blockierte. Er konnte sich nicht erinnern, dass es Hindernisse gegeben hatte, welche einen direkten Aufstieg verhinderten, als er das letzte mal hier gewesen war. Andererseits lag das auch über ein Dutzend Jahre zurück. "Dann müssen wir wohl durch die Lagerhalle und zu der Treppe auf der anderen Seite …" Er wusste selbst nicht genau, ob er diese Worte zu Marlon oder zu sich selber sprach, aber irgendetwas gefiel ihm nicht. Schon seltsam das eine einfache Wand einem solche schlechten Gefühle bereiten konnte.
Die große Tür, der einzige Weg, den die beiden Ausbrecher nehmen konnten, lies sich trotz ihrer Massivität erstaunlich leicht öffnen. Die Furcht, sie sei verschlossen, bewahrheitete sich nicht. Wie schon zwei Stockwerke tiefer, lauschte Lucian zuerst an dem Holz und drückte sie dann, als er nichts hören konnte, so weit auf, dass er durch einen schmalen Spalt das innere ausspähen konnte. Sie schien genau so leer zu sein, wie ihr Gegenstück, in dem sie bereits gegen die Soldaten gekämpft hatten. Also stieß der Vicomte sie auf und betrat den lagerhallenartigen Raum. Drinnen erwarteten ihn erneut hohe Regale, die bis zum bersten voll gestellt waren mit Kisten und Kartons, in denen sich der Besitz der Gefangenen befand. Die Staubschicht machte einem sofort klar, dass hier lange niemand mehr etwas angefasst hatten. Wessen Hab und Gut sich hier befand, der würde dieses Gefängnis nicht mehr lebend verlassen. Für viele Gefangene wäre das hier eine wahre Goldgrube gewesen. Die Waffen und sonstigen Gegenstände, die sich hier befanden, konnten von unschätzbarem Wert sein! Aber Lucien wollte diese Halle nur so schnell wie möglich wieder verlassen. Durch den Wald aus Regalen führte ein direkter Weg hinüber zur nächsten Tür. Obwohl er am liebsten dort hin gerannt wäre, beließ er es beim langsamen voranpirschen. Irgendetwas hier gefiel ihm nicht, aber er konnte nicht genau sagen was. Aber in dem verdammten halbdunkeln konnte man ja auch nichts genau erkennen …
Abrupt blieb er stehen und sah zur Decke hoch. Im Gegensatz zu den anderen Etagen, die sie durchquert hatten, brannten zwar auch hier die Deckenleuchter, wohlgemerkt aber nur auf dem Durchgang, der die beiden Türen miteinander verband. Die restliche Beleuchtung war gelöscht worden. "Ich hab da ein ganz mieses Gefühl …" Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als auch schon eine kleine Kugel in ihre Richtung flog, die im halbdunklen eine leuchtende Spur hinter sich her zog. Instinktiv sprang Lucian zurück und die Kugelbombe explodierte ohne ihn zu verletzen. Der Sprengsatz wirkte im ersten Augenblick ohnehin armselig, bis er den dichten, weißen Rauch bemerkte, der sich schnell ausbreitete. Sofort riss Lucian den weiten Ärmel vors Gesicht, aber der künstliche Nebel schien nicht giftig zu sein. Er wollte sich gerade zu Marlon umdrehen und diesem sagen, dass er sich in die dunkleren Teile der Halle verziehen sollte, als er ein leises zischen hörte, das näher kam. Als er zum Boden sah, entdeckte er dort für den Bruchteil einer Sekunde drei glühende Lunten, die jedoch augenblicklich verloschen. `Ihr wollt mich doch …` Da machten auch diese drei Kugeln fast im selben Moment „bumm“. Lucian holte es kurz von den Beinen, aber mehr aus Schreck als durch die tatsächliche Schockwelle. Auch die Explosion von drei dieser Dinger war nicht so schlimm, dafür konnte er selber durch den weißen Rauch kaum noch etwas sehen. ’Verflucht!’ Er hatte die verdammte Halle bereits zu zwei Dritteln durchquert gehabt aber jetzt zwangen die Rauchbomben ihn zum Rückzug. Gott allein wusste, was sich jetzt am Tor abspielte. Anscheinend war ihre Flucht doch nicht so unbemerkt erfolgt, wie er bis dato gehofft hatte. Wenn sie Pech hatten, stellte sich soeben das Erschießungskommando mit angelegten Gewehren auf. Folglich tat Lucian das einzige, was ihm in diesem Moment richtig erschien; Er sprang hinter dem nächstbesten Regal in Deckung.
„Dam, dam, daaaam! Sieht so aus als hätten wir die Flüchtigen gefunden, Bruder Porthos.“ – „Sieht ganz so aus, Bruder Aramis! Bruder Athos wird sehr zufrieden sein. Aber es sind nur zwei … das heißt nur einer für jeden von uns. So was ist nicht lustig. Ich hab mit viel, viel, viel mehr Flüchtlingen gerechnet, die wir jetzt zermatschen können.“ Was Lucian da hörte, lies seine Hoffnung wieder steigen. Sicher es gab keinen Grund den Worten glauben zu schenken, aber wenn es wirklich nur zwei waren … damit würden sie fertig werden! Der Rauch wurde langsam lichter und nun einigen Sekunden konnte Lucian die Silhouetten von zwei Männern entdecken, die etwa dort standen, wo die erste Rauchbombe eingeschlagen war. Der eine war mindestens zweieinhalb Meter groß, bullig und schulterte etwas, dass aus dieser Entfernung wie ein Knüppel aussahen, während der Andere kleiner als Lucian zu sein schien und auch deutlich schmaler. Der kleinere schien mit etwas zu hantieren, dann gab es ein deutlich hörbares Zischen und der Rauch schien von irgendetwas eingesaugt zu werden. Als das Blickfeld wieder klarer war, konnte Lucian die beiden Marinesoldaten besser erkennen und sie schienen tatsächlich alleine zu sein. Der kleinere hatte schulterlanges Haar und sehr feminine Züge, so dass Lucian ihn für eine Frau gehalten hätte, wenn die beiden Stimmen nicht männlich gewesen wären. In der Hand hielt er etwas, dass aussah wie ein Schneckenhaus, aber die vielen Pistolen, die er an seiner Weste befestigt hatte und die beiden Taschen an seinen Beinen, in denen sich kugelförmige Gebilde stapelten, machten dem Weißhaarigen im Augenblick mehr sorgen. Der Hüne der neben ihm stand schien hingegen nur aus Muskeln zu bestehen und die Ärmel seines Marinehemdes sahen so aus, als wären sie vor kurzem geplatzt. Glatze und Stoppelbart prägten das gelangweilt wirkende Gesicht. Was Lucian für einen Knüppel gehalten hatte, entpuppte sich indes als Stählerner Kriegshammer.
„Ich will den weißen zermatschen! Sieht bestimmt lustig aus, wenn er ganz rot wird, buahaha!“ Dann war der große wohl Porthos, auch wenn Lucian nicht viel auf die Namen dieser beiden Störfaktoren hielt. Sie sagten ihm beide nichts, also konnten das keine großen Tiere sein. Andererseits wirkten diese Wachen deutlich selbstbewusster und Gefährlicher als die Hand voll, mit denen sie weiter unten so spielend fertig geworden waren. „Dam, dam, daaaaam, ganz wie du willst, lieber Bruder. Mir ist es gleich, ich will nur wieder ins Bett. Wie kann unser großer Bruder mich nur vor zwölf Uhr wecken?“ Wie um seine Worte zu untermalen, gähnte Aramis ausgiebig, während er die Muschel in eine Gürteltasche steckte. Porthis grinste breit, lies den Hammer von der Schulter rutschen und rammten den Kopf auf den Boden. Die Waffe war groß genug, dass er sich trotz seiner eigenen, kolossalen Ausmaße gemütlich darauf aufstützen konnte. Der Hüne räusperte sich kurz und brüllte dann laut „Heeeey, Gefangene, kommt raus zum spielen! Porthos will euch zermatschen! Wenn ihr aufhört euch zu verstecken, dann zermatsch ich euch auch ganz schneeeell!“ Während die beiden Brüder nun in einer Diskussion darüber verfielen, wie man Gefangene am besten aus ihrer Deckung lockt, sah sich Lucian nach Marlon um und entdeckte den ehemaligen Mafiosi in einer ähnlichen Position wie er selbst, einige Regale weiter. "Mit dem großen werde ich fertig, aber wenn der kleine nur halb so gut schießt, wie er seine Bomben wirft, dann bin ich tot ehe ich so weit komme. Du musst versuchen den Kleinen so lange wie möglich abzulenken und am besten auszuschalten. Kriegst du das hin?"

”Kapitän Athos, die beiden Leutnants Porthos und Aramis haben die flüchtigen Gefangenen erfolgreich im 88. Stockwerk gestellt!“, meldete einer der Männer im Überwachungsraum und zog damit die Aufmerksamkeit des obersten Wächters auf den Bildschirm, auf dem sich soeben eine dichte weiße Wolke verzog. „Kapitän Athos, die Spezialeinheiten aus Château d'If sind soeben auf den Gefangenenmob getroffen und gehen mit tödlicher gewallt vor. Der Aufstand wird in wenigen Minuten niedergeschlagen sein!“ Athos zwirbelte seinen Schnauzbart ein wenig und lächelte dabei. Wie aus dem Lehrbuch. Er müsste zwar vor dem Konteradmiral einige Tote erklären, aber das war nicht weiter tragisch, im Turm starben andauernd Männer. „Gaanz ausgezeischnet, meine ’erren, ganz ausgezeischnet. Stellön sie den Kampf in der Asservatenkammer Une auf den grosen Bildschürm, daass ist sischerlisch se’enswert!“ Ein paar Handgriffe eines der Marineexperten und die Bilder, die von den vier Überwachungsschnecken auf Stockwerk 88 produziert wurden, bildeten ein Mosaik auf dem großen Bildschirm, der den Raum beherrschte. „Kapitän, wünschen sie dass die Spezialeinheit im Anschluss weiter nach oben vordringt und die Leutnants unterstützt?“ Für einen Augenblick überlegte Athos tatsächlich, seinen beiden Brüdern ein wenig Rückendeckung zu geben, aber dann winkte er ab. Die beiden waren zwar nicht so gut wie er, aber mit zwei Gefangenen, die nicht einmal Gefahrenstufe 2 erreichten, würden sie sicherlich fertig werden. „Non. Isch verdraue meinen Brüdern, dass sie der Siutacion ’err werden!
 
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Keine beleidigte Reaktion. Kein verächtliches Schnauben. Kein Herumgeflenne. Gut. Lucians Reaktion auf Marlons vorläufige Absage zeigte dem Attentäter, dass er mit Frustration und Absagen umgehen konnte, was schon einmal ein wichtiger Punkt war. Ein angemessener Anführer wusste, mit Enttäuschungen und Absagen umzugehen, auch wenn er sonst gewohnt war, dass seinen Befehlen unverzüglich Folge geleistet wurde. “Andererseits macht eine Schwalbe bekannterweise noch keinen Sommer. Verschenk‘ dein Herz nicht zu früh an ihn, Marlon, sonst wirst du es bitter bereuen.“
Zumindest wusste Lucian für den Moment wo es langging, das war Grund genug, ihm weiterhin zu folgen. Der Anstieg war schwer und ging nur schleppend voran, was Marlon Grund zu der Annahme gab, dass sie bald rasten würden. Sie mussten schnell sein, doch wenn man sich zu sehr verausgabte büßte man langfristige Schnelligkeit zugunsten eines kurzen Sprints ein und das war nicht Sinn der Übung. Was auch immer sich hinter der Tür mit der großen, aufgemalten „1“ befand, es würde für eine kurze Rast ausreichen müssen. Und wenn sich dahinter eine Hundertschaft gut bewaffneter Marinesoldaten befand, die nur auf kleine dumme Ausbrecher wie sie warteten… Tja, dann hatten sie eben Pech gehabt. Glücklicherweise schien dem nicht der Fall zu sein, denn nach einer kurzen Horchprobe und einem vorsichtigen Blick schien Marlons weiß gekleideter Begleiter den Raum für sicher zu befinden und so folgte der ehemalige Mafiosi ihm, wobei er eine Hand vorsorglich auf den Stiel seiner Wurfklinge legte. Nicht nur, um im Zweifelsfall einen Marinesoldaten oder mehrere auszuschalten, sondern auch falls Lucian auf einmal beschließen sollte, etwas Dummes zu tun…

Viel Zeit für irgendwelche Dummheiten blieb dem weiß gekleideten Adeligen allerdings nicht. Kurz nachdem er noch ”Ich hab’ da ein ganz mieses Gefühl…“ gesagt hatte, zischte mit einem Mal eine Kugel durch die Luft wie ein winziger Meteorit. Zwar konnte Lucian sich mit einem schnellen Sprung aus der Schussbahn bringen, doch die vergleichsweise kleine Explosion und die aufkommende Rauchwolke verrieten Marlon schnell, dass es sich bei diesem Schuss bestenfalls um einen Warnschuss gehandelt hatte. Und schlimmstenfalls um den Auftakt zu einem Kampf mit einem sehr gerissenen und gut ausgestatteten Individuum. Alte Schusswaffentaktik. Attackier‘ sie mit Rauch und Geknall und wenn sie zu panisch sind um eine richtige Entscheidung zu treffen, dann greif‘ frontal an und erledige den Rest. Nun, verwirrt waren sie beide, sicherlich, doch anscheinend blieb der Frontalangriff fürs erste aus. Dafür folgte eine weitere Explosion und noch mehr weißer Rauch, die Überraschung riss Lucian buchstäblich von den Füßen. Doch auch dieser zweiten Explosion folgte kein direkter Angriff, nur noch mehr Rauch, doch Lucian tat das, was auch Marlon an seiner Stelle getan hätte: Er suchte Deckung. Der Mafiosi tat es ihm wenig später gleich, presste sich an eine Wand hinter einem Regal voller alter Schwerter, um keine Zielfläche zu bieten, ganz egal für was. Doch wieder kam nichts.
” Dam, dam, daaaam! Sieht so aus als hätten wir die Flüchtigen gefunden, Bruder Porthos. „ Eine Stimme. Und sie sprach mit jemandem. Also mindestens zwei Gegner, vorausgesetzt, dass dieser komische Typ nicht mit sich selber sprach. Nach diesem Tag hätte Marlon ehrlich gesagt nichts mehr gewundert. Doch schon kam eine Antwort, die seine erste These bestätigte. Zwei Gegner, anscheinend hießen sie Porthos und Aramis, wobei Aramis derjenige zu sein schien, der diese Rauchbomben gezündet hatte. Vorsichtig, um nicht plötzlich in die Schussbahn zu geraten, trat Marlon aus seiner Deckung hervor und griff erneut nach dem Stiel seiner Waffe. Er blickte zu Lucian hinüber, ob dieser es ihm gleich tat und sich kampfbereit machte.
Mit einem leisen Zischen, das klang wie austretendes Gas, lichtete sich der Nebel. Wie um alles in der Welt war das möglich? Irgendwelche fortschrittliche Technologie? Und vor allem: Welchen Sinn hatte das? Die beiden Marinesoldaten, deren Gestalten der Nebel jetzt freigab, sahen so unterschiedlich aus, dass es Marlon schwer fiel zu glauben, sie seien Brüder. Feminin und grazil der eine, groß, muskulös und dumpf der Andere. Der Feminine, das musste dieser Aramis sein, trug zahlreiche Schusswaffen bei sich, während Porthos, wie der Größere anscheinend hieß, eine Art überdimensionerten Hammer bei sich trug. Keine sehr elegante Waffe, aber zweifellos tödlich.

“Mit dem großen werde ich fertig, aber wenn der Kleine nur halb so gut schießt, wie er seine Bomben wirft, dann bin ich tot ehe ich so weit komme. Du musst versuchen den Kleinen so lange wie möglich abzulenken und am besten auszuschalten. Kriegst du das hin? “ Lucians plötzlicher Befehl riss Marlon aus seinem Beobachtungsmodus, zurück in die harte Realität. Sie würden kämpfen müssen, keine Frage, und seine Arbeitsteilung ergab durchaus Sinn. Marlon war als Fernkämpfer gut dazu geeignet, dem Nahkämpfer Lucian sämtliche Schüsse und dergleichen von der Pelle zu halten, während dieser umgekehrt störende Einflüsse in Form von Nahkampfangriffen von Marlon fern zu halten vermochte. Eine faire, sinnvolle Arbeitsteilung, keine Frage. Zur Antwort reckte Marlon lediglich den Daumen in die Höhe und zog seine Wurfklinge, wobei er den feminin wirkenden Mann fixierte. Dieser hatte seine Aufmerksamkeit immer noch auf Lucian gerichtet und stand ausgesprochen günstig. Kurz durchatmen, zielen und…
Mit einem Zischen das klang als würde die Wurfklinge die Luft selber zerschneiden glitt das gebogene Schwert knapp an Aramis‘ Hals vorbei. Kurz bevor die Wurfklinge ihm den Hals aufschlitzen konnte war er zurück gesprungen und hatte eine Waffe gezogen, ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht. ”Dam, dam, daaaaam, glaubst du wirklich ich bin so leicht zu treffen? Ich bin ein Schütze, du Esel!“ Verflucht, ein Punkt für Marlons Gegner. Glücklicherweise war die Wurfbahn der Klinge so kurz gewesen, dass Marlon sie schon eine Sekunde später wieder auffing, doch dieser verpatzte Wurf hätte leicht tödlicher ausgehen können. Er musste sich konzentrieren! Ein leises Klicken verriet ihm, dass Aramis eine Pistole gezogen und scharf gemacht hatte, ein Signal dass er gedachte, den Gefallen zu erwidern. ”Dam, dam, daaaam, ich würde ja eigentlich lieber Bruder Porthos helfen, aber der kommt schon klar. Erst erschieße ich dich und dann knalle ich den anderen Ausbrecher ab, wenn er dann noch lebt. Kinderspiel, kein Problem. Bruder Athos wird sich freuen.“ Er zielte, sein Abzugsfinger bog sich…

Kurz bevor der Schuss fiel, hechtete Marlon abrupt zur Seite. Er war nicht so schnell, dass er einer Kugel ausweichen konnte, natürlich nicht, aber er wusste, dass kein Schütze so schnell seine Schussbahn neu berechnen konnte, dass er einen Ausweichenden traf. Und tatsächlich, der Schuss fiel, aber er traf Marlon nicht, der sich mit einer eleganten Hechtrolle fing und aufsprang, seinen Gegner immer noch im Visier. “Dam, dam, daaaam, reingefallen!” ”Reingefallen? Was…” Ein heller Blitz unterbrach Marlons verwirrte Frage. Für eine Sekunde war der ganze Raum in taghelles Licht getaucht und der Mafiosi musste die Augen zusammenkneifen, um nicht zu erblinden. Erst jetzt fiel ihm auf dass er zwar einen Schuss gehört hatte, nicht aber den Einschlag einer Kugel in der Wand. Sicher, dieses Geräusch war leicht zu überhören, aber er war nahe genug dran gewesen um es dennoch mit zu bekommen. Außer halt… ”Du mieser Dreckssack! Das war keine Pistolenkugel sondern eine winzige Blendgranate!“ Winzige Sterne tanzten vor Marlons Augen und er musste ständig blinzeln, um ein übermäßiges Tränen zu unterdrücken. Natürlich wusste er, dass das noch nicht das Ende war, ganz im Gegenteil. Mit diesem miesen, aber zugegeben sehr effektiven Trick hatte sich Aramis lediglich Zeit erkauft, um diesmal gründlicher zu zielen und Marlons Leben ein Ende zu bereiten. Marlons Möglichkeiten auszuweichen waren hierbei durch seine Desorientierung beschränkt, lief er doch Gefahr, gegen irgendein Regal zu laufen und sich selbst zu blockieren, schlimmstenfalls sogar unter einem Haufen alter Waffen und Besitztümer begraben zu werden und Aramis somit die Kugel zu sparen, ihn hinzurichten. Für all diese Schlussfolgerungen hatte Marlon nicht einmal eine Sekunde benötigt, allerdings halfen sie ihm auch nicht viel. Alles was er sah, war ein kleines Regal zu seiner Rechten.. und alles was ihm einfiel war, seinen Stolz für einen Moment herunter zu schlucken und sein Leben zu retten, anstatt zu sterben wie der Don es in diesem Moment sicher von ihm verlangt hätte.

Ein Schuss fiel, gefolgt von einem lauten Scheppern. Aramis, der seine Augen bedeckt gehalten hatte um dem Glanz seines eigenen Schusses zu entgehen, hatte genau gezielt, doch kurz bevor er abgedrückt hatte, war das Regal zur Rechten seines Ziels umgekippt. Ein unglücklicher Zufall, gewiss, doch so unglücklich dass sein Ziel diesen Schuss überlebt hatte? Wohl kaum. Gerade wollte er sich umdrehen um diesem nervigen weiß gekleideten Gefangenen hinterrücks in den Kopf zu schießen und sich wieder hinzulegen, als er mit einem Mal inmitten des sich legenden Staubes eine Gestalt sah. Die Gestalt des Mannes, den er hatte erschießen wollen. “Netter Versuch.. hätte beinahe geklappt.” Marlon grinste verschmitzt, die Art von Grinsen, das die meisten Frauen unwiderstehlich fanden. Aramis allerdings zog völlig unweiblich seine Augenbrauen zusammen. “Dam, dam, daaaam, habe ich etwa verfehlt?“
Etwas verstimmt klopfte Marlon sich den gröbsten Staub von seinem Anzug. Sicher, das von ihm umgestoßene Regal hatte ihm das Leben gerettet, die Kugel war an irgendetwas abgeprallt, doch dass so viel Staub dabei aufgewirbelt worden war, hatte nicht zu seinem Plan gehört. Dieser Anzug war nun endgültig ruiniert, so konnte er sich nicht blicken lassen. Und zu allem Überfluss klebte es ihm auch noch in den Haaren und der muffige Geruch überdeckte sein Duftwasser. Alles in allem war die Lage in der er sich befand keine besonders rosige, zumal er immer noch von einem hervorragenden Schützen mit einem reichhaltigen Waffenarsenal bedroht wurde. Erneut griff seine Hand nach dem Griff seiner Waffe, was Aramis dazu veranlasste, einen Schritt zurück zu tun. ”Dam, dam, daaaam, immer schön langsam mein Freund, ich kann immer noch…“ Das Zischen der Wurfklinge riss ihn aus diesem kurzen Monolog, denn Marlon hatte bereits geworfen. Erneut sprang Aramis zurück, spürte, wie die Wurfklinge an ihm vorbei zischte und grinste breit. ”Dam, dam, daaaaam, daneben!” Doch diesmal wurde sein Grinsen von Marlon erwidert, der dem Verlauf seiner Wurfklinge mit den Augen folgte. ”Reingefallen.” Als Aramis das Geräusch von Holz hörte, das von einem Klingengriff getroffen wurde, war es bereits zu spät.
Wie ein Regen aus geschärftem Eisen ging eine Fuhre Schwerter auf den femininen Schützen nieder. Marlon hatte von Anfang an nicht auf ihn gezielt, sondern auf eine kleine Kiste voller Schwerter auf einem Regal, welche ein wenig Überhang gehabt hatte. Durch einen leichten Titsch mit seiner Waffe war diese Kiste aus dem Gleichgewicht geraten und nach vorne gekippt, sodass sie ihren Inhalt quer über Aramis ergoss. Dieser fluchte und schimpfte während er aus zahlreichen kleinen Schnittwunden zu bluten begann, eine Waffe traf ihn sogar am Kopf und hätte diesen wie ein Fallbeil abgetrennt, wäre es nicht ihre stumpfe Seite gewesen, mit der er getroffen worden war. ”Dam, dam, daaaam, nicht schlecht! Aber nicht gut genug, du insolenter kleiner Bastard! Dafür wirst du büßen! Büßen sag‘ ich!“ Während Marlon seine Klinge erneut auffing zog Aramis wieder das kleine, schneckenhausähnliche Gebilde aus seiner Tasche hervor und drückte darauf einen Knopf. Mit einem Zischen entwich all der Nebel, den er zuvor damit aufgesaugt hatte wieder und hüllte ihn und seinen Gegner in dichten, hellweißen Rauch. ”Dam, dam, daaaam, mach dich auf was gefasst, Gefangener! Das hier ist die ungesehene weiße Gerechtigkeit der Marine!“ Knapp neben Marlon explodierte ein Böller, was diesen dazu veranlasste, einen Schritt zur Seite zu machen. Doch da war nichts. Schon kam der nächste Böller, diesmal wenige Schritte vor Marlon, gefolgt von einer kleinen Blendgranate, deren Schein vom Nebel vielfach gebrochen wurde. Hin und wieder erhaschte der Mafiosi einen Blick auf den Umriss des femininen Aramis, doch noch bevor er auf ihn zielen oder gar seine Klinge nach ihm werfen konnte war dieser Schatten bereits wieder zwischen dem Geböller und dem Nebel verschwunden. ”Weiße Taktik #137: Das Monster aus dem Nebel. Dam, dam, daaaaam!“ Marlon hustete und fühlte wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Offenbar hatte Aramis noch irgendeine Form von Tränengas unter diesen Nebel gemischt, der es ihm noch deutlich schwerer machte, sich zu konzentrieren. Clever war er, das musste man ihm lassen. “Jetzt ist nur noch die Frage, wie lang er mit mir zu spielen gedenkt, bevor er mich endgültig tötet.“
 

Lucian

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Daumen hoch. Na hoffentlich wusste der Kerl, was er tat. Lucian hatte absolut keine Lust darauf, eine Kugel in den Rücken zu kriegen, während er sich mit dem Berserker anlegte. Aber großartig andere Möglichkeiten sah er nicht und Zeit sich über irgendwelche den Kopf zu zerbrechen blieb auch nicht, denn da warf sein Kamerad bereits erneut sein seltsames Wurfschwert. Der Vicomte verfolgte die Flugbahn, die ziemlich exakt in die Richtung des kleineren der beiden Marinesoldaten ging. Wie man mit so einer Waffe zielen konnte, war ihm unerklärlich, geschweige denn, wie man sie so werfen konnte, dass sie tatsächlich zurück kam. Er wusste zwar, dass so etwas mit Bumerangs auch funktionierte und eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden Waffen bestand durchaus, aber das war eine Klinge aus Metall! Die gesamte Handhabung erschien Lucian wider der Gesetze der Aerodynamik. Aber es war nicht der rechte Moment, um sich darüber irgendwelche Gedanken. Der Soldat, auf dem die Attacke gegolten hatte, wich ihr im letzten Moment aus, aber die Aufmerksamkeit galt nun Marlon und genau darum ging es. Alles andere lag in der Hand des Fernkämpfers. Sein Blick glitt von dem schmalen Aramis zu dem muskelbepackten Porthos, der seinem „Bruder“ mit geringem Interesse zusah, wie dieser seine Pistole fertig machte. Der Marinesoldat war sicherlich eine größere Herausforderung als diese Bastarde in den Gruben, kein abgehungerter, halbverzweifelter Narr, der vom Kämpfen kaum Ahnung hatte, aber Lucian war zuversichtlich. Das würde eine vernünftige Herausforderung werden!

Nachdem er einmal tief eingeatmet hatte, rollte sich der bleiche Mann über die Schulter aus seiner Deckung heraus. Sofort stemmte er sich in die Höhe und stürmte auf den Berg mit dem schweren Hammer zu. Dabei zog er eines seiner zwei Shirasaya blank und umklammerte den Griff mit beiden Händen. Der Marinekämpfer brauchte einige Zeit, ehe er den Feind bemerkte, der gerade in seine Richtung kam, aber als er ihn endlich bemerkt hatte, begann er nur zu grinsen. „Da ist ja der weiße Mann. Komm her, damit ich dich zermatschen kann!“ Er machte sich nicht einmal irgendwie Bereit, sondern hielt seinen geschulterten Kriegshammer immer noch mit einer nur Hand fest. Lucian schnaubte verächtlich. Das war fast so, als wollte Porthos, dass er genau das hier tat. ’Konzentrier dich, lass dich von dem seltsamen Verhalten nicht irritieren. Ein schneller Angriff und die Sache ist geregelt!’ Leider halfen seine eigenen Gedanken ganz und gar nicht, dass ungute Gefühl zu bekämpfen, dass sich in ihm aufbaute. Es wurde sogar noch schlimmer, als der Hüne mit einem mal seine freie Hand vor seine Augen hob, als wolle er verstecken spielen. Noch ein paar Meter und er würde seinen Angriff ansetzen. Einfacher Sieg! Einfacher ka... Ein weißer Blitz glomm zu Lucians rechten auf, ohne das er erklären konnte, woher dieser kam. Nur eine Sekunde lang, aber dafür intensiv und grell. Er war zwar nicht wirklich geblendet, aber er sah trotzdem Sterne, die vor seinen Augen tanzten und geriet kurz ins stolpern. Verfluchte Scheiße, was war das gewesen? Mit einer Hand rieb er sich über die Augen und war für einen Moment so abgelenkt, dass er nach dem Ursprung des Blitzes suchte. Ein Moment zuviel, wie sich heraus stellte. Eine Pranke schloss sich um seinen Arm und sofort wurde Lucian in die Realität zurück gerissen. Dann wurde er mit unmenschlicher Kraft empor gehoben und durch die Luft geworfen. Mit dem Rücken voran knallte er gegen den Stahlträger eines Regals und eine Welle der Schmerzen brannte durch seinen ganzen Körper. Wie ein Nasser Sack rutschte er den Pfeiler herunter, unfähig sich zu bewegen. Ein düsterer Schatten erhob sich über ihm und schlagartig war der Vicomte wieder in der Realität. Was für ein verfluchter Anfängerschnitzer. Er hatte sich ablenken lassen, aber das war noch keine Entscheidung!

„Aufstehen, kleiner Mann! Ich will Spaß haben, bevor ich dich zermatsche!“ Tatsächlich machte Porthos nicht die geringsten Anzeichen dafür, ihm irgendetwas anzutun, während er am Boden lag und noch immer wirkte er viel zu Locker, dafür das es hier um Leben und Tod ging. War dieser Kerl zurückgeblieben?! Ganz unadelig spuckte Lucian auf den Boden und griff dann nach Mugetsu, dass er beim Aufprall fallen gelassen hatte. Mit einem Hechtsprung zur Seite verschaffte er sich etwas abstand zu dem Gefängniswächter und rappelte sich wieder auf. Leicht schüttelte er den Kopf und strich sich seine zerzausten Haare aus dem Gesicht. "Du wusstest, dass da eine Blendgranate losgehen würde, oder?" fragte er bissig und lies seinen Nacken mit ruckartigen Bewegungen knacken. Porthos zuckte nur mit den Schultern und grinste. „Das ist halt Aramis, immer die selben Taktiken. Keine sorge, ab jetzt gibt es keine Überraschungen mehr ... nur dich ... und mich.“ Der Soldat strich sich über das stoppelige Kinn und begann düster und hallend zu lachen. Mit einem mal wirkte er deutlich bedrohlicher. Andererseits war Lucian nun wütend und das war für einen Gegner nie etwas gutes. Ohne noch weiter zeit mit Worten zu verschwenden, setzte er sofort wieder zum Angriff an. Er wollte das ganze schnell beenden. Sein Schwert in beiden Händen haltend sprang Gefangene seinen Wächter an vollführte einen Hieb von oben gegen Porthos Hals. Der Hüne schien von dem plötzlichen Angriff überrascht und schaffte es nur deshalb der Attacke zu entkommen, weil er schräg nach hinten stolperte. Sofort setzte Lucian nach und setzte zu einem Stich auf Herzhöhe an. Abermals hüpfte der Muskelberg zurück. Lucian grinste kurz. Jetzt würde es lustig werden. Sein Gegner hatte kraft, dass konnte er aus erster Hand bezeugen, aber ihm fehlte die Beweglichkeit und das Tempo. Noch ein, zwei solcher Patzer des Marinesoldaten und um ihn wäre es geschehen. Jetzt hob er erstmals seinen Hammer und versuchte seinen Kontrahenten mit unbeholfenen, einhändigen Schwüngen auf abstand zu halten. Mit solchen stümperhaften Bewegungen war er bei Lucian jedoch beim falschen. Der Vicomte tauchte unter einem der Schwinger hindurch, stemmte sich auf das vorgestreckte Bein des Hammerkämpfers und sprang in die Höhe. Auf so kurze Distanz war er mit dem Schwert zwar nicht wirklich gut beraten, dem Zwei-Meter-Kriegshammer jedoch himmelhoch überlegen. Wie in Zeitlupe lief der letzte Stoß vor Lucians Augen ab. Die silberne Klinge glitt vom Oben durch die Luft, und zielte direkt auf die Halsschlagader. Nur wenige Sekunden und das weiße Schwert würde Fleisch und Sehnen zertrennen und ...

Lucians Arme verharrten in der Luft, von einer unbändigen Kraft aufgehalten. Für einen Augenblick noch schien die zeit still zu stehen. Er war kurz vor dem Sieg, er müsste sich nur ein wenig Bewegen, aber es ging nicht. Er hing in der Schwebe. Dann wurde ihm klar, dass Porthos aus einem bestimmten Grund nur eine Hand verwendet hatte, um seine Waffe zu führen; Die andere umklammerte nun Lucians rechten Arm wie ein Schraubstock! Weiße, makellose Zähne blitzen direkt vor Lucian auf, als der hünenhafte Soldat seinen Hammer los lies, die Rechte zur Faust ballte und wie eine Kanonenkugel auf Lucian abfeuerte. Im selben Augenblick öffnete sich der Griff und der Vicomte flog zum zweiten mal durch die Luft. „Buahaha! Glaubst du wirklich, es wäre so einfach, kleiner Mann?“ Porthos Stimme hörte sich verzerrt and und Lucian musste gegen den Brechreiz ankämpfen. Das war wohl die Karma-Rechnung dafür, dass er Marlon auf etwas Rabiate Art vom Hachís-Gift befreit hatte. Zumindest hatte er es dieses mal geschafft, seine Waffe festzuhalten und stemmte sich nun in die Höhe, indem er das unbezahlbare Shirasaya als Stütze missbrauchte. Noch immer leicht groggy lies er Porthos nicht aus den Augen, während dieser nun sanft gegen das Schulterpolster auf seiner linken Schulter klopfte. „Siehst du das, weißer Mann? Das zeigt, dass ich LEUTNANT Porthos bin und nicht irgendein unbedeutender Kadett! Mit einem halben Hemd wie dir werde ich spielend fertig. Aber langsam habe ich keine Lust mehr. Ich werde dir jetzt richtige Schmerzen zufügen, kleiner Mann. Und dann werde ich dich zernatschen ...“ Schlagartig wurde Lucian bewusst, dass der Wächter nicht mit vollem Einsatz gekämpft hatte. Diese ruckartigen, tollpatschigen Bewegungen, diese langsame und dümmlich wirkende Art. Er, Lucian Vicomte de Villefort, wurde von einem verdammten Marineoffizier vorgeführt! Dieser Mistkerl war für seine Größe erstaunlich schnell und geschickt.

Langsam sah Lucian zur Seite und bemerkte, dass die andere Hälfte der Lagerhalle wieder mit Rauch gefüllt war. Vage konnte er zwei Schemen darin erkennen, einer der sich schnell bewegte, während der andere fast still stand. Welche davon Marlon war oder wie es um die beiden stand, konnte er nicht sagen. Auf jeden Fall verließen sie diese Etage nicht so schnell, wie er gehofft hatte. Da blieb einem wirklich nur noch zu lachen ...
 
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Der Nebel um den Mafiosi herum wurde immer dichter, anscheinend nutzte Aramis neben seiner seltsamen Schnecke noch weitere, konventionelle Rauchbomben. Doch nicht nur auf diese verließ sich der Marineschütze im Moment, sondern auch auf zahlreiche Böller und Blendgranaten, von denen jede einzelne den Nebel illuminierte wie eine Fackel, die durch ein silbernes Tuch hindurch schien. Marlons Augen tränten und seine Kehle zog sich zusammen, dass dies hier kein gewöhnlicher Rauch war, stand fest. Entweder war es Tränengas oder Pfefferspray, aber irgendetwas pulsierte in diesem Nebel und machte es Marlon nahezu unmöglich, die Augen offen zu halten oder einen Atemzug zu tun, der kein ewig langes Husten zur Folge hatte. Und vor all dem schützte dieser Mistkerl sich anscheinend mit einer Art Gasmaske. Verflucht. “Dam, dam, daaaaam! Du siehst, die überlegene Taktik der Marine ist deinem Gefuchtel überlegen, Gesetzloser! Gib' auf, dann gewähre ich dir die Exekution eines Mannes anstatt dich wie das Ungeziefer das du bist von hinten ab zu knallen.“ Marlon hob dazu an, Aramis zu erklären wohin er sich seinen ehrenvollen Tod stecken konnte, doch alles was der Attentäter heraus brachte war ein langgezogenes, qualvolles Husten, als sich sein Hals mit dichtem, pfeffrig schmeckenden Nebel füllte. “Dam, dam, daaaaam, hab' ich ganz vergessen, du kannst ja nicht antworten! Tja, schön blöd, dann wird es der ehrlose Tod von hinten! Vielleicht mach' ich es sogar schmerzlos! Aber das kann ich nicht garantieren!“ Marlon hörte, wie das meckernde Lachen des Marinesoldaten sich langsam entfernte, während dieser wie ein lebendig gewordener Albtraum durch diesen Nebel glitt. Auch wenn er es hasste, das zuzugeben, so musste er dennoch anerkennen, dass Aramis diesen Kampf fair gewonnen hatte. Sofern man in einem Kampf auf Leben und Tod jemals von „fair“ sprechen konnte. Er hatte seine Ausrüstung bestens genutzt und vom ersten Moment an einen strategischen Vorteil geschaffen, der… Peng.

Ein rasender Schmerz durchzuckte Marlons linke Wade, obwohl es sich bei diesem Angriff allenfalls um einen Streifschuss gehandelt haben konnte. Warmes Blut sickerte sein Bein hinunter und der Koch keuchte vor Schmerz auf, sank langsam in die Knie. ”Dam, dam, daaaam! Nur weiter so, mein Großer, knie’ dich schön hin und leide, dann kann ich dein Licht noch viel leichter ausknipsen!“ Die schmerzvolle Tour. Natürlich. Marlon konnte sich trotz seiner prekären Lage ein Grinsen nicht verkneifen. Die Marine mochte nach außen hin ja für Gerechtigkeit stehen, doch intern waren sie genau solche Schweine wie die Piraten, die sie so eifrig bekämpfte. Vielleicht musste man einfach so werden, wenn man es auf der hohen, gnadenlosen See zu irgendetwas bringen wollte. Vielleicht war das einfach Schicksal. ”Du redest hier von Schicksal und hast noch nicht einmal ansatzweise darum gekämpft! Jetzt hör‘ auf, hier in Selbstmitleid zu schwelgen und raff‘ dich wieder auf, wenn du schon stirbst, dann wenigstens wie ein Mann!“ Diese plötzliche scharfe Stimme aus seinem Inneren kam so unerwartet, dass Marlon fast erschrocken wäre, doch er konnte nicht umhin, ihr Recht zu geben. Noch war er nicht am Ende, also hatte er wohl kaum das Recht, in irgendeiner Weise über das Schicksal nachzudenken. Langsam, mit mühevollem Ächzen, erhob er sich wieder, nur um eine zweite Kugel ab zu bekommen, diesmal streifte sie seine linke Wange, gerade so knapp, dass er sie spüren konnte und sie seine Haut aufriss, Blut sickerte seine Wange hinunter in seinen Bart, in seiner Kehle brannte es wie Feuer. ”Dam, dam, daaaam! Du willst doch nicht etwa versuchen, Widerstand zu leisten? Sehr unklug, mein Lieber, sehr unklug, dann kann ich leider nicht für den nächsten Schuss garantieren…“ “Fahr‘ zur Hölle!“, brachte Marlon mit übermenschlicher Selbstüberwindung hervor, das Brennen in seiner Kehle und seine Atemknappheit ignorierend. Dann holte er aus und schleuderte seine Wurfklinge wie eine Braut einen Blumenstrauß schleudern würde, bevor sie entgültig in ein neues, verheiratetes Leben gehen würde.

Aramis, der genau hinter Marlon kauerte, musste lachen. Hatte dieser Volltrottel doch tatsächlich seine Waffe weggeworfen. Sicher, zuerst hatte sie ihm ein wenig Angst eingejagt, von so einer Art zu kämpfen hörte man schließlich nicht alle Tage. Aber er hatte so gehandelt wie immer und seine Taktik war idiotensicher, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Kind hätte ein Opfer, das er so präpariert hatte, mühelos ausschalten können, egal welche Waffen es benutzte oder wie gut es mit ihnen war. Es erlaubte ihm sogar, in aller Ruhe auf die Knie zu gehen um genau zu zielen. Nicht mitten auf den Kopf seines Gegners oder zwischen dessen Schulterblätter, nein, direkt auf das Gelenk seines rechten Armes. Er würde ihm selbstverständlich NICHT die Gnade eines schnellen, erlösenden Schusses gewähren, das war doch überhaupt nicht unterhaltsam. Nein nein nein, er würde ihn leiden lassen, vielleicht noch einmal zu seinen Brüdern bringen um ihn aus zu fragen, wie genau er dem Gefängnis entkommen war und ihn dann mit dem Kopf zuerst in ein Becken voller Piranhas werfen. Vielleicht. Auf jeden Fall würde er sich Zeit lassen und diesen aufgeblasenen Wichtigtuer dazu bringen, ihn um seinen Tod buchstäblich zu betteln, um ihn dann mit seiner eigenen komischen Klinge zu enthaupten, die.. was war das für ein Sirren?

Noch bevor Aramis, die ungesehene Gefahr der Marine, sich umdrehen konnte um zu sehen, was da auf ihn zugeflogen kam, war er tot. Die Wurfklinge bohrte sich genau durch seinen Brustkorb und durchstieß sein Herz, was zwar kein angenehmer Tod war, aber zumindest ein schnellerer und angenehmerer, als er ihn für Marlon vorhergesehen hatte. Der Mafioso grinste zufrieden, als er das schwere Aufklatschen des femininen Körpers auf dem Boden der Waffenkammer hörte, beschied es ihm doch, dass er weiterleben würde. Und, was womöglich noch wichtiger war, dass er gerade einen wichtigen Schritt auf seiner Reise unternommen hatte, den Stil des Gentle Throw vollständig zu verstehen. Er hatte abwarten müssen, nicht nur einen Schuss sondern mindestens zwei, bis Aramis tatsächlich auf ihn zielen würde. Und er hatte damit gerechnet, dass sich der Schütze hierzu niederknien würde, um eine bessere Zielgenauigkeit zu haben, wie es viele Scharfschützen taten. Langsam, darauf achtend sein verletztes Bein nicht all zu sehr zu belasten, kam er auf Aramis zu und zog seine Wurfklinge aus dessen leblosen Körper. “Danke“, brachte er mit rauer Stimme hervor, ehe er von einem kräftigen Hustenanfall geschüttelt wurde. Der Nebel um ihn herum begann langsam, sich zu lüften, sodass er sich nach Lucian und dessen Gegner umsah, in der Hoffnung, dass der blasshäutige Adelige auch mit seinem Feind fertig geworden war, damit sie ihre Flucht fortsetzen konnten. Aramis mochte stark gewesen sein, doch mit Sicherheit nicht der Stärkste, den die Marine hier im Turm zu bieten hatte. Und wenn dieser auftauchte, dann würden weder er noch Lucian etwas zu lachen haben…
 

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„Ich werde dir jetzt richtige Schmerzen zufügen, kleiner Mann. Und dann werde ich dich zermatschen ...“ Lucian versuchte das Kichern zu unterdrücken, dass in seinem Hals darum kämpfte, über seine Lippen zu kommen. Das war doch lächerlich. Wie konnte er nur so viel Pech haben? Zuerst wird er von Schmugglern aufgegriffen. Kaum gelingt es ihm, sich aus deren Griff zu befreien, nimmt ihn die Marine gefangen, weil sie ihn für ein Mitglied besagter Schmuggler hielt. Und nun nach fast einem Monat Gefangenschaft gelingt ihm eine Flucht, nur damit sich dieser Riese und sein verdammter Bruder zwischen ihn und die Freiheit stellen konnten. Er hatte keine Ahnung wie es um seinen einzigen Verbündeten stand, aber der Anblick war eher schlecht. Und dann wagte dieser Bastard auch noch, ihn wie irgendeinen dahergelaufenen Köter zu behandeln. Den Kampf gegen das Lachen jedenfalls verlor Lucian hier. Es brach aus ihm heraus, aber es klang nicht glücklich, sondern eher so, als hätte der weißhaarige Adelige den verstand verloren. Porthos schien über diesen Gefühlsausbruch allerdings, wenn überhaupt, nur belustigt zu sein. Er gluckste leise und lies seinen Hammer kreisen. Es war nicht das erste mal, dass ein Verbrecher den Verstand verlor, wenn er realisierte, wie weit unten in der Nahrungskette er wirklich stand. Die Spitze des Schwerts, dass Lucian noch immer in seiner rechten Hand hielt, berührte den Boden, während er sich mit der linken Hand über des Gesicht kratzte, den Blick zur Decke gerichtet. Von den beiden Freiflügen, die er kassiert hatte, waren seine Haare ganz zerzaust. Nachdenklich kratzte sich Porthos am stoppeligen Kinn und zuckte dann mit den Achseln. Wenn sie erst mal übergeschnappt waren, machte es eigentlich keinen Sinn mehr, mit ihnen zu spielen. Dann tat man ihnen am Ende noch einen Gefallen. Das beste wäre es, dass Trauerspiel zu beenden, sauber und schnell. Und wenn er kräftig genug zuschlug, dann wäre dieser kleine Ausbrecher auch nach einem weiteren Schlag Matsche. Mit ein paar rudernden Bewegungen lockerte der Wächter die Muskeln in seinen Armen und umklammerte das erste mal seine schwere Waffe mit beiden Händen. Wie ein wildgewordenes Nashorn stürmte der Marinesoldat heran und holte zum finalen Schlag aus, einem beidhändigen Streich gegen den Brustkorb. Er konzentrierte sich so auf den Angriff, dass er gar nicht merkte, wie Lucian verstumme und die stecknadelgroßen Pupillen ihn fixierten.

Der Hammerstreich kam von der rechten Seite und traf deutlich spürbar auf Widerstand, der nach links nach gab. Allerdings nicht so, wie Porthos es geplant hatte. Lucian hatte seine Waffe herauf gerissen, eine Hand am Griff und die andere um die Stumpfe Seite der Spitze geklammert. Der Hammerkopf hatte das Schwert genau dazwischen getroffen und auch wenn der Silberstahl gestöhnt hatte, hielt er stand. Die Attacke war jedoch mit soviel Energie geführt worden, dass es kaum möglich gewesen war, ihr Stand zu halten. Lucian hatte sich mit all seiner Kraft dagegen gestemmt, den Körper bis zum Zerreißen gespannt. Seine blanken Füße waren ohne großartigen Widerstand über den Boden gerutscht, aber er hatte nicht nachgegeben. Stattdessen war er noch einen halben Meter weiter gerutscht und weiter nach hinten gesprungen. Sein Oberkörper zitterte leicht und Schweiß stand ihm auf der Stirn, während er Mangetsu zog und es neben sein Gegenstück hielt. Die beiden Klingen waren unstet, da der Vicomte nicht in der Lage war, seine Arme ruhig zu halten. "Schmerzen, mhh? Schmerzen sind in Ordnung. Ich werde Schmerzen haben ... aber das wirst du auch ..." Seine Stimme war ganz ruhig, aber nicht, weil er es darauf anlegte, vor Porthos stark oder selbstsicher zu wirken. Er wusste, der Zug war abgefahren. Was er gesagt hatte, war ein Fakt, nichts anderes. Sein Oberkörper schmerzte unangenehm, aber das lag weder an Porthos, noch an dessen Hammer. Bisher war er dem ersten Pfad des Zi Wei Dou Shu gefolgt. Gleichgültigkeit. Er hatte gehofft, seine Fähigkeiten wären ausreichend, um diesem Turm zu entkommen, ohne den Pfad zu wechseln, doch er wurde eines besseren belehrt. Brutale Stärke musste man eben mit Stärke kontern! Aber es musste schnell gehen. Sehr lange würde er diese Überanstrengung nicht aushalten, das war ihm klar.

Obwohl er Porthos Schmetterhieb abgewehrt hatte, schien der Marinewächter nicht besonders beeindruckt, im Gegenteil, er gähnte sogar übertrieben stark und bohrte sich mit dem kleinen Finger im Ohr. Lucian lies sich nicht mehr ablenken. Wenn der Kerl nicht zeigen wollte was er drauf hatte, er würde es nun tun. Volle Kraft, komme was da wolle. Keine Kompromisse! Er stürmte los, beide Arme wie Flügel zu den Seiten Ausgebreitet. „Das hatten wir schon,“ gähnte der Gefängniswächter und nahm seine halbherzige Kampfhaltung ein. "Nicht so," antworte Lucian und lies seine Klingen heran fliegen. Den ersten Angriff wehrte Porthos noch mit einem grinsen im Gesicht ab, als wäre es nichts, aber beim zweiten Aufschlag gab der Streithammer ein wenig nach hinten nach. Er war nicht schneller als zuvor und seine Präzision litt an den ständigen Muskelzuckungen, aber seine Kraft war deutlich größer. Drei Schläge, vier Schläge! Porthos musste einen Schritt nach hinten machen und stieß mit dem Rücken gegen eines der Regale. Sofort machte er einen Ausfallschritt zur Seite, um sich weiter frei Bewegen zu können, aber das Grinsen war verschwunden. Bei dem Sturm aus ungestümen Angriffen blieb ihm keine Zeit für einen Konter, dafür waren die Abstände zwischen Lucians Attacken zu kurz. Inzwischen flogen jedes mal Funken, wenn Mugetsu oder Mangetsu auf den Stahlhammer trafen. Keine Frage, für seine Waffen kam diese Behandlung einer Misshandlung gleich, aber das war egal. Erneut machte der Marinekämpfer einen Schritt nach hinten, doch dieses mal um etwas Abstand zu gewinnen. Mit der rechten lies er den Hammer über den Kopf kreisen und nutzte den Schwung für einen Brecher, doch die gekreuzten Schwerter seines Gegners fingen den Angriff ab. Wie schon zuvor rutschte Lucian durch die Brutale Kraft über den Boden, während ein weiterer Streich auf ihn zu flog. Dieses mal war der weiße Geist vorbereitet. Er duckte sich unter Porthos Waffe hindurch und stach dabei mit beiden Klingen zu. Die Fassartige brust war zu weit weg für einen tödlichen Treffer gewesen, aber darum war es auch gar nicht gegangen. Blut spritzte und vier Finger flogen durch die Luft, gefolgt von dem Hammer, den sie nicht mehr umklammern konnten. Das eine Shirasaya war dem Hünen durch den Unterarm gegangen, dass andere war am Hammerstil entlang gerutscht und hatte die rechte Hand des Leutnants halb abgetrennt. Mit einer Rolle nach hinten befreite Lucian seine Waffe und entkam gleichzeitig dem Schwinger des Riesen, der vor Wut und Schmerz heulte.

Seine Angewohnheit, die gewaltige Waffe mit nur einer Hand zu führen, war ihm zum Verhängnis geworden. Der schwere Hammer war in ein Regal gekracht, hatte dieses halb zertrümmert und die Waffe unter einer Lawine aus Schutt begraben. Die Stumpfen seiner rechten Hand hatte er dem linken Arm eingeklemmt, um nicht zuviel Blut zu verlieren, die weiße Marineuniform hatte sich am Ärmel bereits ganz rot gefärbt. Gerade wollte Lucian erneut vorpreschen, als der Fleisch- und Muskelberg schlichtweg das nächststehende Lagerregal mit der gesunden Hand umklammerte und in Richtung des Ausbrechers zum Einsturz brachte. Rechtzeitig in Sicherheit konnte sich der Vicomte nicht mehr bringen, aber glücklicherweise waren es vor allem Säcke und Kartons mit Kleidung, die auf ihn herab regneten. So schnell er konnte, grub er sich frei, gerade noch früh genug um zu sehen, wie sein Feind mit der linken Hand einen Stützbalken aus dem umgekippten Regal heraus brach und mit seiner improvisierten Waffe eine Sprungattacke ausführte. Lucian holte tief Luft und abermals schien alles in Zeitlupe abzulaufen. Der tödliche und wütende Porthos, der mit einem Prügel seinem Schädel zermatschen wollte, flog heran. Aber dieses mal bewegten sich seine Arme schnell genug. Er strecke Beide Arme nach vorne aus, hielt sie so ruhig wie irgend möglich. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde er es nicht mehr rechtzeitig schaffen, aber dann wurden Porthos Augen groß und plötzlich war es viel schneller, als Lucian es gedacht hätte. Der Fleischberg traf auf und bohrte sich durch sein eigenes Gewicht beide Waffen in den Leib. Der Dreschflegel fiel Kraftlos zu Boden und die Masse aus Muskeln und totem Fleisch begrub Lucian unter sich. Eine letzte Welle ging durch Porthos Körper, dann lag er Still. In dem Moment fiel auch die Anspannung von Lucien und gleichzeitig verließ ihn alle Kraft. Seine Hände lösten sich und gaben den Griff um seine Waffen frei, nicht weil er es gewollt hätte, sondern weil er sie nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er musste gleichzeitig würgen und Husten, versuchte sich unter dem gefallenen Riesen freizukämpfen, aber sein überforderter Körper wollte es nicht. "Leck mich … du bist ein beschissener Verlierer ..."

„Eigentlich bin ich ein hinreißender Gewinner!“ Die Stimme klang wie Musik in Lucians Ohren. Der Schönling hatte anscheinend seinen eigenen Wächter erledigt. Ohne weitere Worte half Marlon Lucian dabei, den töten Körper hoch zu hieven und in die Freiheit zu kriechen. Während Marlon den Toten auf den Rücken drehte, um die festsitzenden Schwerter zu befreien, lies sich Lucian mit dem Rücken an ein noch stehendes Regal nieder. Seine weiße Kleidung war nun genau so durch Blut ruiniert, wie der Anzug seines blonden Gefährten, aber das war es Wert gewesen. Wie viele Kerle, die noch härter waren als dieser Porthos konnte der Turm schon haben? Marlon schien nicht schlimm verletzt zu sein, auch wenn er anscheinend noch mehr Blut an seinem Anzug hatte, als zuvor. Auf jeden Fall sah er besser aus, als sich der Vicomte im Augenblick fühlte. Mit beiden Händen glitt er sich mehrfach durch die Haare, um diese wieder einigermaßen Glatt zu kriegen. "Ich brauche eine Minute ... ", meinte er erschöpft, während Marlon die beiden Shirasaya neben ihm fallen lies. Sein Oberkörper fühlte sich schwach und taub an, aber langsam kehrte das Gefühl zurück. Ja, sie hatten keine Zeit für eine Pause, aber er brauchte eine, so ungern er es zugab. "Ich dachte der Kerl mit den Rauchbomben würde dich erledigen. Schon mal ein Monte Gomero Schattentheater gesehen? Das ist nichts gegen das, was ihr da abgezogen habt," Lucian versuchte kurz zu grinsen, aber stattdessen ächzte er leise. Vielleicht hatte er sich eine Rippe angeknackst. "Verfluchte Scheiße ... siehst du irgendwo Wasser? Ich brauch echt ’ne Pause ... Dieser Mistkerl war der härteste Bastard, auf den ich je getroffen bin und ... hey ist das da oben eine Videoschnecke?" Der Vicomte hatte gerade den Kopf in den Nacken gelegt um den Rücken etwas zu entlasten, als er die kleine, violette Schnecke entdeckt hatte, die mit ihren großen Augen die Halle untersuchte. Es sah ein wenig so aus, als suchte sie jemanden. Teleschnecken waren auf Monte Gomero nichts seltenes, jeder Adelige hatte die eine oder andere, sie waren Prestigeobjekte. Eine Videoschnecken hingegen hatte Lucian noch nie zuvor gesehen. Aber welchen anderen Zweck konnte ein solches Tier an der Decke haben? "Diese Mistkerle haben uns die ganze Zeit über beobachtet ... darum waren hier auch zwei so starke Gegner, die sollten uns abfangen." Lucian sprach das offensichtliche laut aus, um seine eigenen Gedanken besser ordnen zu können. Die Architektur dieses Gefängnisses hatte noch einen weiteren strategischen Vorteil; Es gab nur einen einzigen Weg hinaus, man konnte nicht einfach eine Abzweigung nehmen, um Gefahren zu entgehen.

Langsam kämpfte sich Lucian in die höhe, wobei er gleichzeitig nach seinen Schwertern griff. Die blutigen Schneiden reinigte er achtlos an der Uniform seines getöteten Gegners. "So wenig mir das auch gefällt, aber wir müssen weiter!" Seine Stimme war eindringlich und kräftiger als er sich fühlte, aber das wollte er vor Marlon nicht zeigen. Beide Schwerter wanderten wieder in die Scheiden links in seinem Wickelgürtel. Es waren noch elf Stockwerke bis in die Freiheit ...
 
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Dass Lucian noch lebte, war keine so große Überraschung für Marlon, wie es vielleicht hätte sein sollen. Langsam aber sicher begann er, Zutrauen zu diesem Mann zu fassen. Er schien die Qualitäten zu besitzen, über die auch sein Don verfügt hatte: Einen starken Willen, einen unbeugsamen Geist und einen ebenso gefährlichen Körper, der selbst scheinbar überlegene Gegner in die Knie zwang. Dass Marlon ihm unter der massigen Leiche eines dieser Gegner hervorhieven musste, schmälerte diesen Eindruck nur bedingt. ”Es ist vielleicht verfrüht, aber…“ Gerade als Marlon dazu ansetzen wollte, Lucian seine Gefolgschaft an zu bieten, unterbrach der Weißhaarige Adelige diese gewiss rührende Szene, indem er einen überraschten und, wie es schien, unangenehm getroffenen Blick an die Decke warf. ”Diese Mistkerle haben uns die ganze Zeit beobachtet…“ Auch Marlon warf nun einen Blick zu der kleinen, emsig glotzenden Videoschnecke und biss die Zähne zusammen. Er hatte selbst auch noch nie so ein Tier gesehen, aber er hatte von ihnen gelesen. Und Teleschnecken hatte er häufig genug gesehen und sogar selber benutzt, da der Don diese Tierchen massenweise zu einem äußerst günstigen Preis bezog. Dass es Exemplare gab, die auch das was sie sahen übertragen konnten, war ein offenes Geheimnis in den Kreisen der Mafiosi gewesen und es hatten zahlreiche Gerüchte die Runde gemacht, wer auf Cosa Nostra tatsächlich so eine Videoschnecke besitzen konnte und wo auf der Insel diese Kostbarkeiten versteckt wären.. doch das war eine andere Geschichte. Hier und jetzt wurde also jeder ihrer Schritte überwacht und auch wenn Marlon wusste, dass es nichts bringen würde, musste er doch den Impuls bekämpfen, die Videoschnecke mit seiner Wurfklinge einfach herunter zu holen. Egal welche Konsequenzen das nach sich gezogen hätte, das Tier konnte nichts dafür, dass es von dem Personal dieses Gefängnisses eingespannt wurde und so ließ Marlon seine Wurfklinge stecken.

”So wenig mir das auch gefällt, aber wir müssen weiter.“ Dass es Lucian schaffte, trotz seiner Verletzungen so selbstbewusst zu klingen, war beeindruckend und stärkte Marlons Vertrauen in ihn noch mehr. Er selber brachte allerdings kaum mehr hervor als ein Nicken und ein kurzes “Verstanden“, ehe er dem Adeligen zu folgen begann. Marlon hatte schon immer gewusst, dass er kein Anführer war und darin auch keine Schande lag. Eine viel größere Schande wäre es gewesen, sich als ein solcher zu fühlen oder aufzuspielen und damit andere unnötig in Gefahr zu bringen. Ein Anführer war nicht nur der, der die Befehle gab und dem ein Großteil der Kriegsbeute zufiel, sondern auch derjenige, der für alle Fehler und Rückschläge allein verantwortlich war und sie nicht mehr auf irgendjemanden abwälzen konnte. Wer das als Anführer tat, war für diesen Posten nicht geschaffen. Das vergaßen viele Menschen leider nur zu gerne, doch Marlon behielt diese Weisheit immer im Hinterkopf, seitdem er in die Mafia eingetreten war.
Mit seinem verletzten Bein kam der Mafiosi schwerer voran, als er es gewohnt war. Jeder zweite Schritt sandte eine kleine Welle aus Schmerz durch seinen Körper und obwohl er die verletzten Stellen so wenig wie möglich belastete und mit schnellen Schritten seines gesunden Beins aufholte, so bewegte er sich doch fühlbar langsamer als sonst und ohne jede Eleganz. Manche hätten das leichte Hinken sicherlich anziehend oder abgebrüht gefunden, doch in Marlons Augen war es nichts von beidem. Es zeugte davon, dass er zu schwach gewesen war, dieser Verletzung aus dem Weg zu gehen und in so etwas lag überhaupt keine Ehre. Wachsam ließ der ehemalige Mafiosi seine Augen streifen, eine Hand an der Wurfklinge, um keine weitere Verletzung zu zulassen. Wenn er noch mehr Blut verlor, dann war Feierabend.

Möglicherweise hörte Marlon die Stimmen als Erster. Er war sich dabei nicht einmal unbedingt sicher, aber um kein Risiko einzugehen, hob er sachte die Hand. “Pst!”, machte er und deutete auf die Tür, auf die er und Lucian sich zubewegt hatten, die universelle Geste für „Ich glaube, da ist jemand.“ Dann sah er Lucian abwartend an, denn obwohl ihm klar war, dass dieser ebenso wenig wusste wie er, was sich hinter dieser Tür verbarg, so war es doch der Adelige, der hier das Kommando hatte und jeder Versuch, ihm dieses zu nehmen wäre im Moment ebenso unangebracht wie töricht gewesen.
 

Lucian

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Die beiden Flüchtigen hatten ein ziemliches Chaos in der Asservatenkammer 1 hinterlassen, wobei man jedoch dem Marineschläger Porthos den Löwenteil der Unordnung zuschreiben konnte. Wenn sie etwas mehr Zeit gehabt hätten – und es nicht um ihr Leben gegangen wäre – hätten Lucian und Marlon hier sicherlich eine Menge Raritäten finden können, denn in diesem Lager befanden sich auch die Besitztümer einiger namenhaften Piraten und Kriminellen. Alleine die Schwerter in dem Regel, zu dessen Füßen nun der tote Aramis ruhte, wären ein Vermögen wert gewesen. Doch selbstverständlich hatte keiner der Beiden Augen für diese Schätze, als sie sich aus dem Wirrwarr freikämpften und die Kammer durch das Treppenhaus verließen, dass weiter nach oben führte. Am Anfang fühlte er sich zwar noch ziemlich wackelig auf den Beinen und jeder Schritt brannte in den Waden, aber das unangenehme Gefühl in den Beinen lies schon bald nach, obgleich ein gewissen Stechen bei jedem Schritt, die gewundene Treppe rauf, beiblieb. Da aber auch Marlon ein wenig hinkte, fiel das leicht verringerte Tempo nicht weiter auf.
Seinen Erinnerungen nach, gab es auf jeder Seite des Turmes eine Treppe, die sich einer Doppelhelix gleich nach oben schraubten. Bei seinem letzten Besuch hatte man durch beide Treppenhäuser von der Spitze bis zum Fundament gelangen können, zumindest hatte sein Vater es ihm damals so erklärt. Einmal hatte sich dies schon als falsch erwiesen, als sie gezwungenermaßen durch den 89ten Stock mussten. Tief in seinem Inneren hoffte Lucian, dass dies nicht noch einmal passieren würde. Sie waren jetzt im neunzigsten Stockwerk, hier waren die Verhörräume. Danach begannen die Unterkünfte der Wachmannschaften. Es war unklar, wie viele Marinesoldaten zurzeit dort waren und in welchem Zustand der Wachsamkeit sie sich befanden, aber wenn er die Wahl hätte, dann würde er auf weitere Konfrontationen liebend gerne verzichten. Die Abzweigung zu Etage 90 kam, aber das Stiege führte weiter nach oben. Zu hören war nichts, außer ihren Schritten und ihrer Atmung. Ob das ein gutes Zeichen war, blieb abzuwarten. Aramis und Porthos waren starke Kämpfer, vielleicht hatte ihr Tod einen gewissen Respekt erzeugt. Etage 91 und der Weg war frei. Einen Hinterhalt auf der Treppe schätzte Lucian als relativ gering ein, dafür war der schmale Gang zu steil und zu gewunden. Aber das überhaupt nichts passierte, hielt der Adelige trotzdem für ein schlechtes Zeichen. Aber vielleicht war das auch nur Paranoia. Stockwerk 92 und da war sie. Eine weitere Wand. Anscheinend hatte man in den letzten Jahren die direkten Fluchtwege alle paar Stockwerke zugemauert, um einen Durchlauf zu verhindern und einen etwaigen Flüchtling dazu zu zwingen, durch die Ebenen zu gehen. Lucian glitt mit der Hand über die frische Mauer, die noch keine zehn Jahre hier sein konnte, als hoffte er eine Illusion oder eine Attrappe zu erkennen. Aber der rohe Stein fühlte sich ziemlich solide an.
Es half nichts. Entweder sie gingen zurück oder durch die Unterkünfte auf Stockwerk 92 und ersteres war keine Option. Wenn sie raus wollten, dann mussten sie hoch, nicht wieder runter! Also lies Lucian das Hindernis los und wiederholte das selbe Ritual, wie schon zuvor. Er lauschte an der Tür und drückte sie einen Spalt weit auf, aber einmal mehr schien alles tot und verlassen, also trat er ein. Vor ihnen war ein breiter Gang, der auf beiden Seiten schmale Türen hatte, die wohl zu den Einzel- und Gruppenzimmern führten. Etwa in der Mitte verbreitete sich der Gang zu einer Art Aufenthaltsraum. Was dem Vicomte direkt ins Auge fiel: Viele der Türen waren nicht geschlossen, sondern nur anlehnt. Das hier stank gerade zu nach einer Falle. Aber da die Wahl ausblieb, tat Lucian so als hätte er nichts bemerkt und ging einfach weiter. Ein so plumper Hinterhalt konnte eigentlich nicht funktionieren, solange das Überraschungsmoment fehlte. Als sie die ersten Türen passierten, konnte er auch ein oder zwei mal einen sich bewegenden Schatten sehen. Auf halben Weg zur Mensa deutete dann auch der blonde Mafiosi auf eine der Türen. "Ich weiß ... Ich nehme an sie werden uns im Zentrum in die Mangel nehmen. Wenn das passiert, weich zu den Seiten aus, damit sie nicht von zwei Seiten freies Schussfeld haben." Im Grunde hing es nun davon ab, wie viele Soldaten sich ihnen in den Weg stellen würden. Gegen kleinere Gruppen dürften die beiden Flüchtigen bestehen können, aber ...
Wie er es geahnt hatte, hörte Lucian lautes Rufen, kaum dass sie in den breiten Gemeinschafts- und Speisesaal getreten waren. Allerdings schien alles von hinten und nicht von vorne zu kommen. Das überraschte ihn zuerst ein wenig, aber dann versuchte er sich an den Plan zu halten. Marlon war bereits aus dem direkten Durchgang geflüchtet und etwas weiter im rechten Teil des Raumes. Lucian wollte es ihm gerade nachtun und nach links ausweichen, als das Rasseln von Ketten erklang. Geistesgegenwärtig sah Lucian nach oben und bemerkte gerade noch Rechtzeitig das Fallgitter, dass sich abzusenken begann. Mit einem Hechtsprung nach hinten rettete er sich davor, durch das Fallgitter eingesperrt zu werden. Er rollte sich über die Schulter ab und bemerkte sofort das zweite Gitter, dass auch den rechten Teil absperrte – Mit Marlon auf der falschen Seite! Lucian befand sich auf der schmalen Fläche zwischen den Gitterstäben, die von der Decke gefallen waren. Hinter ihm nahmen die ersten Schützen Aufstellung. Man hatte wohl nicht damit gerechnet, dass jemand der Falle entkam. "VERFLUCHT!" Lucians wütende Stimme echote in der hohen Halle, als er mit aller Kraft gegen die Gitter schlug. Er sah zu Marlon. Er sah zurück zu den Soldaten. Und dann machte er das einzig Sinnvolle, was er tun konnte. Er rannte weiter. Er konnte seinem Kameraden nicht helfen, nicht ohne sich selbst zu gefährden und wieder eingefangen zu werden.
Als die erste Salve in seinem Rücken losging, warf sich Lucian nach vorne und entging so dem Schicksal durchlöchert zu werden. Gerade als er sich wieder auf die Beine kam, öffneten sich auch die Türen vor ihm und Soldaten mit Schwertern und Messern kamen heraus. Zumindest konnte jetzt keine Salve mehr kommen, ohne dass die Schützen ihre Verbündeten gefährdeten. Gegen alle Soldaten die nun kamen, würde der Adelige nicht bestehen, aber das war auch nicht der Plan. Er schlug nur diejenigen nieder, die sich ihm direkt in den Weg stellten und lief so schnell wie möglich weiter. Der Aufbau der Etage war genau wie überall anders auch, man konnte nie direkt zum Treppenhaus sehen. Anscheinend folgten ihm nicht viele Soldaten, als er bei den Stufen ankam. Er sah kurz in den Weg nach unten und dann etwas länger nach oben. Welchen Weg er gehen musste, stand außer Frage. Hier ging es ums Prinzip!

Die Soldaten vor dem Gitter nahmen Haltung an und salutierten, als sich der Kapitän näherte. Man musste Arthos schon gut kennen um zu bemerken, wie aufgewühlt der Gefängnisleiter war. Obwohl er ruhig schien, wirkten seine Bewegungen ein wenig Ruckartig und eine Ader pulsierte auf seiner Stirn, auch wenn diese durch die schwarzen Haare größtenteils verdeckt war. Mit der linken Hand glitt er sich über den Schnauzer, die rechte hatte er gegen die Hüfte gestemmt. Er nickte den Soldaten zu, die Marlons neue „Zelle“ bewachten und betrachtete eine lange Zeit lang sein Opfer. Man brauchte kein Genie sein um zu erkennen, wie Hoffnungslos die Lage des ehemaligen Mafiosi war. Er hatte zwar noch seine Wurfklinge, aber gleichzeitig waren auch ein Dutzend Gewehrläufe auf ihn gerichtet. „Wirklüsch schaade. Leidör nur der Trostpreis, c’est no? Nun Bursche, isch ’abe ein Angebo’ für disch. Wenn du uuns deine Waffe überreischst, dann werden wir disch ’inunter sum Ver’ör bringen. Wir müsen das doch nischt mit Gewalt lösen, c’est no?“ Mit anderen Worten: Übergib uns deine Waffe oder wir werden dich abknallen wie den räudigen Hund, der du bist!
 
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Es war schnell gegangen. Schneller als Marlon vermutet hätte. Der Hinterhalt, so plump er auch ausgeführt worden war, hatte eindeutig Wirkung gezeigt. Er und Lucian waren voneinander getrennt, nicht nur durch eine raue Masse Soldaten, sondern auch durch ein Fallgitter, welches sich zwischen sie gesenkt hatte wie eine mächtige, gusseiserne Hand. Dass Lucian da floh konnte Marlon ihm beim besten Willen nicht verübeln, er hätte es kaum anders getan. Jede versuchte Rettungsaktion wäre jämmerlich gescheitert und hätte sie vermutlich beide das Leben gekostet. Mit seiner Flucht ermöglichte Lucian es zumindest sich selbst zu überleben und konnte unter Umständen sogar später zu Marlon zurückkehren um diesen zu befreien. Für’s erste aber war der ehemalige Mafiosi wieder einmal auf sich alleine gestellt und diesmal nicht nur mit ein paar freundlichen sadistischen Wärtern um sich herum.
“Wirklüsch schaade. Leidör nur der Trostpreis, c’est no? Nun Bursche, isch ’abe ein Angebo’ für disch. Wenn du uuns deine Waffe überreischst, dann werden wir disch ’inunter sum Ver’ör bringen. Wir müsen das doch nischt mit Gewalt lösen, c’est no?“ So freundlich sich dieser Kerl auch gab, Marlon konnte die Falschheit, die von ihm ausging, regelrecht riechen. Trotzdem, er hatte alle Trümpfe in der Hand und sich ihm jetzt zu widersetzen, wäre sein Todesurteil. Also griff Marlon demonstrativ langsam nach seiner Waffe und legte diese vor dem Marinemann auf den Boden, woraufhin dieser ein süffisantes Lächeln produzierte. “Oui, oui, merci beaucoup jünger ‘Err. Isch wusste doch, wir würdän sivilisiert über diese Sache reden könnän.“ Marlon knirschte mit den Zähnen, doch er ließ es geschehen, wie einer der Marinesoldaten seine Waffe aufhob und fortbrachte, während der Befehlshaber dem Mafiosi bedeutete, ihm zu folgen. Obwohl man ihm keine Handschellen angelegt hatte tat Marlon wie angewiesen, auch weil er wusste, dass er nur so gut behandelt wurde, weil er sich kooperativ zeigte.

Das Zimmer in welches der Marinesoldat mitsamt seiner Entourage Marlon brachten war schlicht, aber nicht unbequem, jedenfalls für ein Gefängnis. Es gab einen Tisch und zwei Stühle sowie einen Krug und zwei Gläser, natürlich war das blaue Symbol der Möwe auf die weiße Keramik gemalt worden. Der Befehlshaber setzte sich gemütlich hin und bedeutete Marlon, es ihm gleich zu tun, worauf der Koch wortlos einging. Er war es im Moment nicht, der die Spielregeln diktierte und so war er gezwungen, für den Moment mit zu spielen. Auch das hatte er oft genug mitbekommen, wenn auch auf einem viel nobleren Niveau. Der Don gab sich sympathisch und freundlich, ganz der perfekte, geborene Gastgeber, aber man durfte nicht den Fehler machen, sich davon einlullen zu lassen. Hinter all der aufgesetzten Freundlichkeit und dem herzlichen Lächeln war dieser Mann immer vor allem eines gewesen: Ein Raubtier, das nur auf ein Zeichen der Schwäche wartete und sich darauf stürzte wie ein Geier auf ein totes Schaf. Er musste jetzt sehr gut aufpassen und jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen, wenn er sich nicht kopfüber und mit gefesselten Händen über einem Becken voller hungriger Piranhas wiederfinden wollte. Der Don hatte das immer „Die Kopfwäschemethode“ genannt.
”Also, mein jünger Freund”, hob der schwarzhaarige Marinier nach einer Weile an, wobei er sich übertrieben galant räusperte. ”Mein Name ist Arthos und isch bin der Bruder der beiden Soldatön, die ihr getötet ‘abt.“ Bei diesen Worten sah er Marlon durchdringend an, doch dieser machte nicht den Fehler, Bedauern zu zeigen, sondern blickte eiskalt zurück. ”Ihr Tod erfüllt misch mit Trauer, doch sie wussten, was auf sie sukommt, non? Der Dienst in der Marinö ist ‘art und ünnachgiebig, c’est vrai, das ‘abe auch isch mehr als einmal am eigenön Leib erfahren.“ Nach diesen Worten legte Arthos eine kleine Kunstpause ein, die offenbar dazu dienen sollte, Marlons Standfestigkeit zu testen. Als dieser nichts sagte, sprach Arthos weiter. “Isch möschte unnötiges Blutvergießen vermeiden, nischt nur bei meinen Leuten, ssondern auch unter den Gefangenön. Sie sind Straftäter, oui, aber isch glaube an Resosialisierüng und Buße statt an ewigö ‘aft. Wenn du mir ‘ilfst, jünger Freund, wird sisch das sehr güt in deinem Führungsseugnis machen. Isch kann viel bewegen, nischt nur ‘hier, mon Ami. Eine ‘and wäscht die andere, du verstehst?“ “Sie möchten, dass ich alles über diesen Aufstand preis gebe, was ich weiß“, fasste Marlon zusammen, nachdem er innerlich bis drei gezählt hatte. Diesen Trick hatte er von seinem Großvater beigebracht bekommen, der sich so einige Wutausbrüche seiner Ehefrau erspart hatte. Während man innerlich zählte, ordneten sich die Gedanken wie von selbst und man verhinderte, dass man unüberlegt das Erste sagte, was einem einfiel. Der Befehlshaber nickte erfreut. ”Oui, oui, correct. Bitte, nehmen Sie einen Schlück.“ Er goss eigenhändig etwas Wasser in eine der Porzellanschalen und reichte diese zu Marlon herüber, der sie nickend annahm und so tat, als tränke er. Gute Antworten subtil mit einer Belohnung verstärken, um den Eindruck einer Freundschaft zu erwecken. Dieser Typ hatte seine Hausaufgaben gemacht, dies war sicher nicht das erste Verhör, das er führte. Doch Marlon hatte genug gesehen, um sich von solchen einfachen Tricks nicht aufs Kreuz legen zu lassen. ”Ssehen Sie es doch mal so, non? Ihr sogenannter Gefährte ‘at Sie verlassen, beim ersten Anseischen von Gefahr. Wenn Ssie besser organisiert gewesen wärön, dann wäre das nischt passiert, non?“ Dieser Trick war schon etwas subtiler, aber Marlon erkannte ihn trotzdem: Wenn er hier mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ geantwortet hätte, so hätte er damit indirekt preis gegeben, wie gut sie organisiert waren. Das wollte Arthos herausfinden, der Verrat an Marlon war ihm herzlich egal. ”Er hat getan, was getan werden musste”, gab er daher nach einer kurzen Bedenkpause zurück. ”Wäre er geblieben, wären wir jetzt beide tot.“ Arthos schnaubte leicht, über das Auflaufen seiner kleinen Fangfrage keinesfalls erfreut. Doch er hatte noch mehr Tricks im Ärmel und er würde sie alle an diesem blonden Schönling ausprobieren, bis er schließlich brach und redete. Oder bis er sich verplapperte. ”Nun, es ‘atte ja sein Gutes, non? So sind Sie jetzt ‘ier und ‘aben die Chance, sisch freisukaufen. Sagen Sie mir, was Sie wissen und isch garantiere Ihnen, es wird Ihr Schaden nischt sein. Isch gebe Ihnen mein Ehrönwort als Befehls’aber der Marine.“ “Eins… Zwei… Drei…” ”Selbst wenn ich rede – wer sagt Ihnen, dass ich Sie nicht auf eine falsche Fährte locke, weil mir das Entkommen meines Kumpanen wichtiger ist als alles andere? Mein Leben mit eingeschlossen.“ An dieser Stelle lachte Arthos, es war ein leiser, glucksender Laut der ein wenig klang wie ein ertrinkender Frosch. ’A. ‘A. ‘A. ‘A. Dümmer Junge. Isch kenne dieses Gefängnis wie meine Westöntasche. Jede Lüge, die Sie mir ersählen, wird sofort auffliegen, wenn Sie auch nur den kleinsten Fehlör machen. Und glauben Sie mir, sie wollen misch wirklisch nischt süm Feind, c’est vrai?“ Damit holte er aus und gab Marlon eine kräftige Ohrfeige, die das Gesicht des Mannes zur Seite fliegen ließ und seine getroffene Wange brennen ließ wie Feuer. Marlon stöhnte auf und schnappte nach Luft, doch er machte nicht den Fehler, jetzt klein bei zu geben. Und Arthos merkte das. ”Schafft ihn weg. Ein paar Stünden in einer gemütlischen Selle werden ihm schon klar machen, wer ‘ier sein wirklischer Freund ist.“ Die mitgekommenen Marinesoldaten nickten und packten Marlon nach einem kurzen Salut in Richtung ihres Befehlshabers bei den Armen. Zum zweiten Mal an diesem Tag wurde der ehemalige Mafioso wie ein Mehlsack davongeschleift, nur diesmal bestimmt nicht zu einer Zelle mit Wasser und Zellengenossen. Auch das war ein Teil der Verhörstrategien: Psychische Folter, entweder durch Flüssigkeitsentzug oder durch Dunkelhaft, nicht selten durch beides zusammen. “Lucian, egal wo du bist.. ich könnte jetzt wirklich etwas Hilfe gebrauchen.“
 

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Die Soldaten, die Marlon zu seiner neuen Unterkunft begleiteten, behandelten ihn gerade auf die respektable und freundliche Art, wie Arthos es im Verhörzimmer getan hatte. Der Flüchtige war auf diese Taktik nicht herein gefallen, nun musste er mit den Konsequenzen leben. Die anfänglich fünf Soldaten hatten sich schnell auf zehn verdoppelt, um sicher zu stellen, dass der Mann, der ihren verehrten Leutnant Aramis getötet hatte, sich auch wirklich klar war, in welcher Situation er sich befand. Und natürlich damit der Kriminelle keinen weiteren Fluchtversuch unternehmen würde. Aber den meisten schien es wichtiger zu sein, den Mafiosi anzustoßen, ins Straucheln zu bringen oder zu beleidigen. Das „das Monster aus dem Nebel“ unter den Stationierten sehr beliebt gewesen war, erklärte sich damit wohl von selbst, ohne das irgendjemand es laut aussprach. Dementsprechend war der Weg für Marlon, doch glücklicherweise war er auch nicht sonderlich lang. Schließlich stieß man ihn in eine Zelle, die sich stark von der ersten Unterschied. Gitterstäbe gab es hier nicht, nur vier eng beieinanderliegende Steinmauern und eine Metalltür. Die Kammer war zu klein um in ihr zu liegen und kaum hoch genug um aufrecht zu stehen. An einer Wand war etwas, dass vage an Blutflecken erinnerte. Wahrscheinlich hatte der letzte Bewohner sich den Schädel eingeschlagen, um dem Elend zu entkommen. Einer der Soldaten wollte gerade die Tür hinter dem Blondschopf zuschlagen, als sich ein hochgewachsener Wachmann durch die Reihen nach vorne drängte. Erst auf den zweiten Blick konnte man die Wurfklinge erkennen, die der Emporkömmling umklammerte. Langsam hob er sie hoch, während er immer näher kam. Die Schirmkappe verdeckte den Blick auf sein Gesicht, aber der Mund wirkte todernst. „Das Endet hier und jetzt ...“ Niemand machte anstallten ihn aufzuhalten.


“Ich muss total wahnsinnig geworden sein!“ fluchte Lucian leise vor sich hin, während er die Treppe hinunter lief. In die falsche Richtung! Wegen einen Typen, den er kaum kannte! Aber auf Monte Gomero gab es ein Sprichwort. Ein Ehrenmann bezahlt immer seine Schulden. Darauf konnte man sich verlassen, wie darauf, dass die Sonne am nächsten Morgen aufgehen würde! Und was auch immer man über Lucian sagen wollte, seine Ehre war ihm wichtiger als sein Leben. Ohne diesen Schnösel im Anzug würde er noch immer in seiner Zelle versauern. Ein Rettungsversuch war das mindeste, um diese Schuld abzubezahlen. Aber trotzdem ... der Turm würde bald im Alarmzustand sein und wahrscheinlich hatte er immer noch Verfolger im Nacken. Es wäre wesentlich klüger gewesen, Marlon einfach zurück zu lassen und die Flucht nach vorne anzutreten. Irren war menschlich ...
Außeratem blieb Lucian einen Augenblick in dem kurzen Abschnitt stehen, in dem vom Treppenaufgang ein Weg zur eigentlichen Etage abging. Er konnte keine Geräusche hinter sich hören. Vielleicht waren seine Verfolger auch nach oben gestürmt, in der Annahme, der Gefangene würde seine Flucht weiter versuchen. Vielleicht war es auch nur eine weitere Falle dieses verdammten Gefängnisses. Er hatte keine Ahnung. [/i]’Beruhige dich!’ Für einen Moment schloss er die Augen und versuchte in sich zu gehen. Wenn das hier seine Festung wäre, was würde er dann machen? Natürlich erst einmal Verhör. Dafür war die Etage unter ihm gedacht. Zeitlich gesehen müsste man ihn wohl gerade dort hin runter bringen. Je nach dem wie geduldig der Direktor war und wie gut sich Marlon schlug, kämen dann 10 bis 15 Minuten verhör. Die Lage war zu angespannt für mehr. Danach würde man ihn zum schmoren einsperren. Lucian kniff die Augen vor Anstrengung noch fester zusammen. Die Sicherheitszellen waren ganz unten. Das leichteste wäre es, Marlon auf den Weg dorthin zu befreien. “Aber es wäre viel zu umständlich, ihn nach unten zu bringen,“ kommentierte er seine eigenen Gedanken und öffnete die Augen wieder. Abwesend sah er den Gang entlang. Dieser ort war schon immer ein Gefängnis gewesen, noch bevor die ersten Siedler Monte Gomero erreicht hatten. Die Marine hatte diesen Ort nur Modernisiert und sich selbst eingerichtet. Sein Blick wanderte die Wendeltreppe hinunter. Diese verdammten Treppen kotzen ihn langsam an. Wenn das sein Gefängnis wäre, hätte er Marlon entwaffnet und die Wurfklinge wieder dorthin gebracht wo sie vorher war. Das war Schritt eins. Die Waffe wieder beschaffen, solange das Verhör andauerte. Zehn, vielleicht fünfzehn Minuten. Das musste reichen.

Die Asservatenkammer befand sich immer noch im Halbdunkeln, als Lucian sie betrat. Mehrere Regalgänge lagen mehr oder weniger zusammengebrochen und in Trümmern dar, aber der Nebel hatte sich vollends gelichtet und anscheinend hatte jemand die Leichen beiseite geschafft. Das Glück war ihm indes holt. Am anderen Ende der Halle standen drei Soldaten zusammen und einer warf ungeschickt die erbeutete Wurfklinge in die Luft, nur um sie wieder aufzufangen. In der Stille konnte er ihre Unterhaltung bis zu seiner Position hören. „... total unbalanciert. Aber wenn Leutnant Aramis damit gekillt wurde, ist es doch zu schade, dass Ding hier verstauben zu lassen. Einer von uns sollte damit trainieren und sie an den zukünftigen Ausbrechern anwenden!“ „Und dieser eine bist wohl du, heh?“ Lucian hörte nicht mehr zu. Ohne große Hast, ohne auf seine Deckung zu achten und dank des fehlenden Schuhwerks auch ohne Geräusche ging er auf die drei zu. Er hatte sie fast erreicht, als der erste ihn bemerkte, aber sofort waren alle drei in Alarmbereitschaft. Der Kerl, der die erbeutete Waffe hielt, richtete deren Spitze gegen den Grafen und begann zu stottern. „K-komm keinen Sch-sch-schritt näher, krimineller A-abschaum! I-i-ich w-weiß genau w-w-wer du bist!“ Davon lies sich der Adelige jedoch nicht im geringsten beeindrucken. “Diese Waffe gehört meinem Partner. Ich will sie wieder haben.“ Die Ruhe in seiner Stimme war das schlimmste. Einer der drei machte einen Schritt nach hinten, während der dritte ebenfalls eine Waffe zog. Ein armseliger Versuch. 30 Sekunden Später stand Lucian mit Marlons Wurfklinge da, um ihn herum drei ausblutende Kadaver. Die Klinge steckte er neben seine eigenen Schwerter in den Gürtel. Schritt eins abgeschlossen. Jetzt kam das eigentlich knifflige, Marlon befreien und bewaffnen, ohne dabei drauf zu gehen. Er hatte schon eine gewisse Vorstellung, wo Marlon sich befand. Wenn es SEIN Gefängnis wäre, hätte er ihn dort zumindest unter gebracht. Gerade als er losgehen wollte, legte sich jedoch eine Hand mit eisernem Griff um seine Schulter und drehte den Vicomte gewaltsam herum. Ein weiterer Marinesoldat stand vor ihm, Uniform mit Schulterpolstern irgendeines unwichtigen Stabs und die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen. „Du gehörst zu denen, die Leutnant Aramis getötet haben. Dafür wirst du jetzt verrecken!“ Lucian hatte eine Zuckung am rechten Augenlied, als ihn der Schlagring an die Stirn traf.

“Das Endet hier und jetzt ...“ Die erhobene Wurfklinge sirrte durch die Luft und traf ihr Ziel genau zwischen Hals und Schulter. Der Soldat, welcher der Tür am nächsten gestanden hatte, gab ein Gurgeln von sich, ehe er zusammen brach. Sein Angreifer lies den Griff der Wurfklinge los und zog die beiden Shirasaya blank, die in weißen Hüllen auf seinen Rücken gebunden waren. Die Schirmmütze fiel zu Boden und offenbarte weiße, von Blut verklebte Haare und eine Platzwunde an der Stirn. Die perplexen Soldaten, die keinen Angriff aus ihren eigenen Reihen erwartet hatten, wurden von den beiden Flüchtigen fast ohne Gegenwehr niedergemetzelt. Das Überraschungsmoment hatte sich bezahlt gemacht. Lucian rammte dem letzten Überlebenden seine beiden Waffen ihn den Rücken, als dieser versuchte wegzukriechen und nestelte an dem blauen Halstuch herum, dass er um den Kragen trug. Der Typ, von dem er die Kopfwunde kassiert hatte, besaß praktischerweise ungefähr seine Statur. Seine eigenen Klamotten hätte er ja ohnehin nie wieder sauber gekriegt ... “Damit sind wir Quitt.“ Der weißhaarige Mann atmete tief aus und sah zwischen den Marinesoldaten hin und her und dann schließlich zu Marlon. Sie hatten zwar Zeit verloren, aber nicht viel an Weg. Sie befanden sich in dem Stockwerk unter dem, in dem die Falle zugeschnappt war. Lucians Gefühl war richtig gewesen. Auch in den Quartieren gab es noch Zellen, von den alten Erbauern. Wenn er der Leiter dieser Einrichtung gewesen wäre, er hätte Marlon in seiner nähe behalten wollen, aber nicht wieder runter in die Massenzellen gebracht. Das hier war die logische Wahl gewesen. “Das hab ich dir geschuldet. Aber jetzt müssen wir endlich von hier weg!“

„Isch fürschte, davür isst ess su späd...“ Leiser Applaus erhalte und wurde durch die hohen Wände in vielfaches Echo reflektiert. „Lucio’ de Villefor’. Begeistertör Schachspieler. Strateje. Auf seine Ehre versessön.“ Kapitän Arthos kam langsam auf die Beiden zu und warf dabei eine braune Papiermappe auf den Boden, so dass diese sich öffnete. Darin waren allerlei Unterlagen und mehrere Bilder von Lucian selbst. „Wir ’aben wor edwa einer Stünde deine Akte er’alten. Isch ’abe sie studierd. Uund mein Plan isst genau sso aufjegangön, wie isch es mir ausgömalt ’abe.“ Das Applaus stoppte abrupt und die freundliche, Gönnerhafte Art viel von Arthos ab. Mit einer schnellen Schulterbewegung lies er seinen langen Kapitänsmantel zu Boden gleiten und lies auch seinen weißen Dreispitz mit einer raschen Handbewegung auf diesen Haufen segeln. Die Uniform die er darunter trug, unterschied sich kaum von denen eines normalen Soldaten, abgesehen davon, dass sein Hemd lange Rüschenärmel hatte. Seine Statur war kleiner und schmaler als die von Porthos, aber immer noch etwas größer als der Vicomte es war. Zwei Duellpistolen steckten auf der einen Seite in seinem Gürtel, an der anderen Hing ein Degen mit einem wunderschön verzierten Handschutz. Zum schluss zog sich der Gefängnisleiter die weißen Handschuhe von den Händen und warf diese fast schon angewiedert weg. „Spass beiseite. Isch ’abe mit deutlisch weniger Verlusten gereschnet. Meine beiden kleinen Brüder ... sie kannten das Risiko, aber ihr werdöd mir daas trotzedem büßen! Solange der Konteradmiral nischt ihr isst, bin ISCH, Capitano Arthos, die oberstö Gereschtigkeit dieser Anstallt! Isch werde ...“
"Jetzt halt endlich DEINE SCHNAUZE!", unterbrach Lucian die endlose Litanei und zog beide Waffen aus der Leiche vor sich. "Ich hab genug. Ich will hier RAUS und keiner von euch wird mich aufhalten, egal wie viele ihr noch schickt!" Damit stürmte er vor und breitete beide Arme aus, um Arthos mit Attacken von beiden Seiten in die Zange zu nehmen. „Wie vor’ersehbar,“ kommentierte der Kapitän. Er richtete den linken Arm gegen den anstürmenden Lucian und es knallte laut. Gerade noch rechtzeitig wich der Weißhaarige der Kugel aus, die mit der versteckten Unterarmpistole abgefeuert worden war. Ein blutiger Streifen zog sich über seine Wange. Aber er lies sich davon nicht lange ablenken. Nachdem er zur Seite hatte ausweichen müssen, versuchte er nun, mit beiden Klingen die ungeschützte rechte Seite des Marinekapitäns zu verletzen. Aber Arthos war schnell. Schneller als Porthos. Schneller als Lucian. Mit der Linken zog er seinen Degen halb aus der Scheide. Die beiden Shirasaya hinterließen an der dünnen Klinge des Rapiers nicht einmal einen Kratzer, obwohl der Vicomte mit aller Kraft zugeschlagen hatte! Gleichzeitig traf ihn die rechte Hand seines Gegners auf den Kehlkopf. Lucian würgte und wurde nach hinten geschleudert. Gemächlich zog Arthos seine Waffe ganz aus der Hülle und sah mitleidig auf den am Boden liegenden Gefangenen runter. „Übrigöns waren in deiner Akte auch Informacionen über deine Seit in den Gruben und deinen sogenannten Kampfstil. Dein Vater war äußerst großzügig in diesör ’insicht. Isch kennö alle deine Tricks, junger Vicomte. Und du wirst sterben, ehe der Konteradmiral wieder ’ier ist. Er wird wütönd sein, aber daas nehme Isch in kauf!“
 
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Die Rettung durch den weißhaarigen Adeligen war früher gekommen, als Marlon es erwartet hätte. Die zahlreichen Tritte, Püffe und Schimpfwörter der Marinesoldaten hatte er mit einem gewissen Gleichmut hingenommen, der zeigen sollte, wie wenig er sie fürchtete. Nichts, was diese Leute ihm antun konnten, war wirklich gefährlich, denn Arthos, da war Marlon sich sicher, würde ihn noch benötigen. Und so weit, dass sie den Zorn ihres Vorgesetzten riskierten, würde die Abneigung dieser Männer gegen ihn wohl kaum gehen, ganz egal wie sehr sie an dessen Bruder auch gehangen haben mochten. Jedenfalls nicht, wenn dieser es wert war, Anführer genannt zu werden. So behielt Marlon seine Fassung und verlor diese auch dann nicht, als ein besonders großer Marinesoldate auf ihn zutrat, seine eigene Wurfklinge erhoben, und die Worte sprach "Das endet hier und jetzt..." Marlon neigte leicht das Haupt, um zu demonstrieren, dass er sich nicht fürchtete. Es war, da war er sicher, nur ein weiterer Scherz den sie sich hier mit ihm erlaubten, dieser Kerl würde nicht wirklich zuschlagen, nicht so lange er noch wertvoll genug für sie war.. doch dann tat er es.

Marlons Überraschung war mindestens genau so groß wie die der Marinesoldaten, doch im Gegensatz zu diesen fing er sich schnell wieder. Mit einem dankbaren Nicken fing er die Waffe auf, welche sein Retter fallen ließ und zielte bereits auf einen der Soldaten. Der darauf folgende Kampf war kurz, zu kurz um ihn wirklich einen "Kampf" zu nennen. "Gemetzel" hätte es eher getroffen. Die zehn Soldaten lagen tot vor ihnen auf dem Boden und Marlon steckte seine Waffe ruhig wieder weg. Ja, er hatte gut daran getan, auf diesen Mann zu sezten, auch wenn Lucian sofort wieder klar gemacht hatte, dass er nur hier war um seine Schuld zu begleichen. Wieder etwas, was vielleicht hart klang, ihm aber hoch an zu rechnen war. Sein Leben für jemanden zu riskieren, dem er nichts schuldig war, wäre töricht gewesen. Marlon jedenfalls hätte das nicht getan, jedenfalls nicht für einen Mann. Doch um seine Ehre zu retten oder sich für eine Rettung des eigenen Lebens zu revanchieren, war das Gefährden desselben wieder akzeptabel. Ehre war eine nicht immer ganz einfache Sache, doch wollte man den Charakter eines Mannes beurteilen gab es nichts besseres, als dich anzusehen, wie hoch er diese bewertete und wie er sie definierte. Auch das hatte Marlon früh in seinem Leben beigebracht bekommen.

Der leise, sarkastische Applaus des Marinekapitäns riss ihn aus seinen Gedanken. Zunächst sprach Arthos noch leise und fast freundlich, doch schnell fiel all diese Fassade von ihm ab und er machte sich bereit zum Kampf. Marlon zog seine Wurfklinge und musterte den Marinekapitän aufmerksam. "Zwei Pistolen.. eine Klinge.. Rüschenärmel. Entweder will er einfach nur angeben oder er hat irgendetwas darin versteckt..." Zwar konnte der Mafiosi schwer abschätzen, wie stark dieser Mann tatsächlich war, aber seine beiden kleinen Brüder waren nicht zu unterschätzen gewesen und da er einen höheren Rang als sie beide inne hatte, war davon auszugehen, dass er mindestens genau so stark wie sie, wenn nicht stärker. Oder womöglich baute er auch darauf, dass seine beiden Gegner bereits zu erschöpft waren, um ernsthafte Gegenwehr zu leisten. Was auch immer es war, Marlon nahm sich vor, auf der Hut zu sein. Ein unterschätzter Gegner war der gefährlichste von allen.
Noch bevor Marlon sich mit Lucian auf eine Strategie verständigen konnte, hatte dieser jedoch etwas gebrüllt und war nach vorne gestürmt, nur um schlagartig zurück zu weichen. Hatte Marlon es sich doch gedacht! Dieser Kerl hatte eine Pistole in seinem Ärmel versteckt gehabt. Mindestens eine.. und der andere Ärmel war damit gewiss auch nicht leer. Er musste diesem Zauberkünstler möglichst schnell seine Trickkiste rauben, um ihn etwas ungefährlicher zu machen, denn so lässig wie er gerade Lucians Attacke parierte, war er gewiss kein Schwächling. Die Tatsache ausnutzend, dass Arthos gerade dadurch abgelenkt war, Lucian zu verhöhnen, warf Marlon seine Klinge mit einem scharfen Drall, wobei er auf den ausgestreckten Arm des Marinekommandanten zielte.

Gerade noch rechtzeitig zog Arthos seinen Arm weg, sodass die Wurfklinge haarscharf daran vorbeipfiff. Er sah zu Marlon hinüber und hob die Klinge, wie ein Schullehrer den mahnenden Zeigefinger vor einem ungehorsamen Schüler. "Ah, ah, ah, isch 'abe disch nischt vergessen! Dein Stil kam mir gleisch vertraut vor und nun weiß isch auch, wo'er. Du bist ein Anwönder des Gentle Throw, c'est non? Euresgleischen kann man eigentlisch kaum verwechsöln, eure Klingen ssind einsigartisch. Doch leider..." Er seufzte theatralisch, "Macht das euren Kampfstil so bereschenbar..." Noch bevor Marlon reagieren konnte, hatte sein Gegner einen Schritt nach vorne gemacht und zielte mit seiner Klinge direkt auf das Herz des Mafiosi, der sich nur durch einen schnellen Sprung nach hinten retten konnte. Wo gerade noch sein Körper gewesen war, zitterte nun die Klinge von Arthos' Degen. "Ah, dü bist meiner Vitesse du Puma ausgewischen.. nischt schlescht. Doch nün kannst du deine kostbare Klinge nischt auffangen und bist wehrlos.. wie schade..." Feixend trat Arthos einen Schritt zur Seite, damit die zurückkehrende Klinge ihn nicht traf, wobei er eine Pistole aus seinem Gürtel zog und damit auf Lucian deutete.
 

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Leises Röcheln war alles, was Lucian von sich gab, während er auf dem Boden lag und mit beiden Händen seinen Hals umklammerte. Im ersten Augenblick hatte er überhaupt keine Luft mehr gekriegt und bereits befürchtet, dass seine Luftröhre zerquetscht war. Der Marinekapitän hatte ihn aber auch mit sehr viel Kraft und Präzision an einer ziemlich empfindlichen Stelle erwischt. Jetzt wo der erste Schock abklang ging das Atmen zwar wieder, aber jeder Luftzug und jedes Schlucken tat seinem geschundenen Hals weh. Außerdem schien nur die Hälfte der eingeatmeten Luft tatsächlich in seinen Lungen anzukommen. Aber das musste wohl genügen! Mit aller mühe stemmte er seinen Oberkörper hoch und sah gerade noch, wie Marlon dem Schwertstoß des Kapitäns entging, doch dadurch auch nicht imstande war, seine Wurfklinge aufzufangen. Arthos stand jedoch in diesem Moment mit dem Rücken zu ihm. “Nün kannst du deine kostbare Klinge nischt auffangen und bist wehrlos.. wie schade..." Jetzt oder nie, wer konnte sagen, ob der Gefängnisleiter noch einmal eine solche Lücke in seiner Deckung offen lies? Mit eiserner Willenskraft drückte er sich nach oben und sprang auf die Füße. Für seine beiden Waffen fehlte ihm die Zeit, deshalb stürmte er mit geballten Fäusten nach vorne, gerade in der Sekunde, da Arthos eine seiner Pistolen zückte und sich zu drehen begann, wohl mit der klaren Absicht, ihn mit einem Schuss auszuschalten. Der Vicomte setzte zum Sprung an und winkelte dabei den rechten Arm an. Arthos bekam nur noch ein überraschtes „Oh...“, hervor, da schloss sich Lucians Hand schon um den Schädel seines Gegners. Der Kapitän wurde von den Beinen gerissen und beide flogen ein kurzes Stück durch die Luft, bis sie kurz vor einer der Mauern waren. "INSEI!" Auch wenn seine Lungen brannten brüllte er seine Wut aus voller Kehle heraus. Sein angewinkelter Arm schnellte nach vorne und rammte Arthos Schädel mit aller vorhandenen Wucht gegen die Steinmauer. Dem Kapitän lief ein kleines Blutrinnsal vom Scheitelansatz ins Gesicht und einzelne Steinsplitter mischten sich in die entstandene Staubwolke. Mit einem zweiten Schlag wollte Lucian das Schauspiel beenden, doch das Überraschungsmoment war vorüber. Der Fausthieb, der auf seine Magengegend gezielt hatte, wurde von dem Aufseher abgefangen, der nun seinerseits dem Vicomte in den Magen trat, um ihn wieder los zu werden. Lucian taumelte zurück und würgte erneut, aber dieses mal nicht weil ihm die Luft ausging, sondern weil er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Schwankend wich er zurück, während Arthos sich durch die langen Haare strich. Auch wenn er blutete schien Lucians Attacke nicht viel mehr bewirkt zu haben, als seine Frisur durcheinander zu bringen und dass er eine seine Pistolen verloren hatte. Das schien ihn jedoch nicht weiter zu stören, da er fast schon in aller Seelenruhe die zweite Pistole zog und anlegte. Auf diese Distanz war das ausweichen so gut wie unmöglich, nicht während er so wackelig auf den Beinen war.

Marlon unterdessen war nicht untätig geblieben. Er hatte seine Waffe aufgelesen und sich in Position gebracht, während Lucian und der Aufseher in ihre kurze Rangelei verwickelt waren. Er zielte sehr gründlich, denn ein falscher Wurf konnte jetzt auch den Weißhaarigen erwischen und dann wäre seine Flucht zu Ende gewesen. Als Arthos schließlich Lucians Angriff unterbrach, sah Marlon diese Chance gekommen und warf. Er zielte auf den Schussarm des Aufsehers, der dadurch entweder den Angriff abbrechen oder seinen Arm riskieren musste. Gleichzeitig gab er seiner Waffe einen leichten Linksdrall sodass sie, wenn er seinen Arm aus ihrer Flugbahn zog, weiter nach links fliegen und somit die Haut des Aufsehers zumindest ankratzen würde.

Gerade als Arthos seinen Finger krümmen wollte flog die Wurfklinge auf ihn zu. Erst im letzten Augenblick bemerkte der Marinesoldat das Zischen des Wurfgeschosses und zog gezwungenermaßen den Arm zurück. Durch Marlons geschickten Wurf teilte das Bumerangschwert den den Ärmel des Marinesoldaten und zog eine feuchte, rotglänzende Furche über den Pistolenarm. Die Unterarmpistole fiel zu Boden, da dass Lederband um sein Handgelenkt aufgetrennt worden war. Leider war es die bereits benutzte Waffe. Der weißhaarige Adelige war vollkommen vergessen, während Arthos seine Konzentration wieder auf Marlon schwenkte. Den vorbereiteten Schuss setzte er nun statt für Lucian gegen die Wurfklinge ein, als diese sich auf ihren Rückweg machte. Es gab ein lautes, metallisches Pling und die Waffe des Blondschopfes geriet ins trudeln, veränderte ihre Flugbahn und knallte schließlich gegen die Mauer hinter dem ehemaligen Mafiosi.
Die Zeit hatte Lucian genutzt um sich wieder zu fangen und zumindest eines seiner Schwerter aufzuheben. Mit der langen Klinge fühlte er sich wohler als mit seinen bloßen Fäusten. Sofort ging er wieder in die Nahkampfdistanz, während Arthos seinen linken Arm gegen Marlon richtete, höchstwahrscheinlich mit der Absicht, den zweiten versteckten Schuss abzugeben. Es blieb keine Zeit lange nachzudenken, also Schlug Lucian auf das erste Ziel, dass ihm in den Sinn kam. Eine Blutfontäne spritzte auf, als der Silberstahl durch die Haut schnitt und am Unterarmknochen des Kapitäns entlang scharrte. Der Schuss löste sich zwar, ging aber vollkommen fehl, während ein großer Brocken Fleisch auf den Boden klatschte. Einen Moment lang schien der Aufseher vor Schock starr zu sein, doch als Lucian nachsetzen wollte, schnellte der Degen hoch und parierte den Angriff. Der Soldat vollführte eine Seitwärtsbewegung und verpasste dem Gefangenen einen Stoß mit dem verstümmelten Arm gegen den Rücken, der ihn ins Taumeln brachte. Mit einem Rückhandschlag schlitzte Arthos Lucian den halben Rücken samt gestohlenem Marinehemd auf. Erneut spritzte Blut, dieses mal jedoch kein feindliches. Aber in dem Augenblick wurde es Lucian klar. Selst verletzt und verstümmelt war Arthos im klar überlegen, genauso wie er Marlon überlegen war. Aber immer wenn der Marinekapitän sich auf einen der beiden Konzentrierte, konnte der andere einen Treffer landen. Damit war die Sache eigentlich klar. “Ist das alles was du kannst? Und ich dachte deine Brüder wären erbärmlich gewesen!“ Er drehte sich seinem Gegner wieder zu und stellte mit einem kurzen Blick aus den Augenwinkeln sicher, dass Marlon in etwa hinter dem Kapitän war. Dann riss er sich den Fetzen vom Oberkörper, während Arthos Oberlippenbart zuckte. „Du wagst es zo über meine Brüder zu spreschen? DU WAGST ES?“ Die Provokation schien gefruchtet zu haben, denn nun setzte der Kapitän selbst zum Angriff an. Der Degen blitzte immer wieder hin und her und Lucian hatte alle Mühe, die Angriffe zu parieren. Vier mal ging es gut, dann fand der Degen eine Lücke und stach zu. Der Vicomte biss die Lippen zusammen, als sich die Nadelartige Waffe durch seinen Oberkörper bohrte. Sofort verließen seinem rechten Arm alle Kräfte und die gefühllose Hand um den Schwertgriff öffnete sich. Klirrend fiel die Waffe zu Boden. Aber es war wie geplant gelaufen. Lucians unverletzte linke Hand umklammerte den Waffenarm von Arthos und verhinderte, dass dieser von ihm weg kam. „Ah, ah, nischt gut genug!“, grinste der Marinesoldat und zog mit seiner freien Hand einen Dolch aus dem Gürtel. “Gut genug für dich,“ erwiderte der Flüchtige und sah an Arthos vorbei.

Keuchend hechtete Marlon seiner Klinge her, schon zum wiederholten Mal an diesem Tag. Innerlich tadelte er sich, wie achtlos er mit diesem kostbaren Stück umging, das er immerhin hatte pflegen sollen, als wäre es ein Teil von ihm. Mittlerweile wäre wohl jeder Teil von ihm unbrauchbar geworden und als er nach einer kurzen Inspektion feststellte, dass seiner Klinge nichts geschehen war, atmete er dankbar auf. Ihr markanter Knick hatte sich kaum verzogen, so wenig dass es nicht ins Gewicht fiel, doch noch einen Treffer würde es nicht aushalten. Er musste den nächsten Wurf zählen lassen, denn ansonsten würde Arthos höchstwahrscheinlich gewinnen. Sogar jetzt, wo Marlons Wurf ihn leicht verletzt und Lucian ihn weiter zugerichtet hatte, war der Aufseher enorm gefährlich und ihnen mit Sicherheit überlegen.
Als Lucian seinen Gegner solcherart provozierte, nickte Marlon ihn leicht zu. Er wusste, was der weißhaarige Adelige da tat und er nahm sich vor, es nicht umsonst sein zu lassen. Um ihrer beider Willen durfte er jetzt nicht scheitern. Und so stellte er sich ruhig hin, in der Standardposition des Gentle Throw, und atmete einmal tief durch. Mit aller Sorgfalt zielte er auf Arthos, nicht wie auf einen Menschen, sondern wie auf eine Zielscheibe. Der kleine Punkt zwischen seinen beiden obersten Halswirbeln war das Ziel, 100 Punkte wert wie damals die winzig kleine Likörflasche unter den zahlreichen anderen Gläsern, die Marlon vor so langer Zeit mit seiner Holzklinge zerbrochen hatte. Als Lucian zuckte, Marlon erkannte es als das schmerzhafte Zusammenzucken nach einem Angriff, ließ er die Klinge sausen und hielt den Atem an. Wenn sich Arthos jetzt auch nur einen Millimeter bewegte...


„Das glaube isch nischt! Au revoir mon Ami!“ Ein Lebe wohl war es wirklich, jedoch nicht so, wie Arthos sich das festgestellt hatte. Er war so auf Lucian fokussiert, dass er die tödliche Gefahr in seinem Rücken nicht bemerkte, bis es zu spät war. Die Wurfklinge schnitt durch Fleisch, Muskeln und Knochen. Ein dünner Blutstrich spritzte Lucian ins Gesicht. Ein Ausdruck purer Verwirrtheit stand ihm im Gesicht und er sah Lucian fragend an, dann löste sich sein Schädel vom Hals und fiel mit einem dumpfen Aufprall zu Boden. Für einen Augenblick stand sein Körper noch aufrecht, bevor ihn die Spannung verlies und er schlaff zusammen sackte. Lucian umklammerte indes die Klinge des Degens, der noch immer in seinem Fleisch steckte und zog ihn heraus. Sofort lies der Druck in seiner Schulter nach und er konnte seine Finger wieder Bewegen. Ein paar Sekunden lang betrachtete er die verzierte Waffe mit der erstaunlichen Wiederstandsfähigkeit und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, sie als Trophäe zu behalten. Dann verwarf er die Idee wieder. Das war weder sein Stil, noch war es eine Waffe, die er für sich selbst wählen würde. Polternd fiel die ziselierte Klinge neben dem Leichnam zu Boden. Und dann lachte Lucian. Nicht wahnsinnig oder kalt, sondern wirklich. Nur ganz kurz, nur ganz leise, aber tatsächlich froh und – aus Ermangelung eines besseren Wortes – menschlich. “Wir haben es geschafft ... wir haben es wirklich geschafft,“ man konnte deutliche Erleichterung in seiner Stimme hören. “Was können die uns noch schlimmeres entgegenstellen, als den Leiter dieser Festung!?“
Sofort fasste sich der Vicomte wieder und die gelöste Seite, die er soeben von sich gezeigt hatte, war wie weggefegt. “Los jetzt, weiter! Er klopfte Marlon gegen die Schulter und setzte sich in Bewegung, jedoch nicht ohne vorher den Kapitänsmantel aufzulesen, den Arthos vor dem Kampf abgelegt hatte. Es war nicht ganz sein stil, aber immer noch besser als mit nacktem Oberkörper und blutendem Rücken durch diesen Turm zu rennen.

Tatsächlich stellte sich niemand mehr den beiden Flüchtlingen in den Weg. Vielleicht lag es daran, dass man sie nicht bemerkt hatte, vielleicht wollten die Soldaten sich auch nicht mehr den Kämpfern entgegen stellen, die drei der wichtigsten Wächter ausgeschaltet hatten. Es gab keine Hindernisse mehr, keine Fallen, keine Wände die ihren Weg blockierten, keine Feinde. Sie konnten den Treppen einfach immer weiter nach oben folgen. Stockwerk 90. Stockwerk 95. Stockwerk 99. Stockwerk 100. Die oberste Ebene war ein einziger, leerer Raum, auf dem die Zinne ruhte. “Die letzte Treppe.“ Lucian deutete auf den Aufgang, der sich in der Mitte des Raums bis zur Decke schraubte. Mit einem mal war alle Anspannung vergessen, der Muskelkater in den Beinen und der strapazierte Körper fühlte sich an wie neu geboren. Freiheit. FREIHEIT! Er begann zu laufen, dann zu rennen, stieß die Tür auf und stand im hellen Sonnenlicht, Wind umspielte seine Haare ... und er fiel auf die Knie. “Das ist nicht wahr ...“ Die Zinne des Turms besaß kein Geländer, keine Verzierungen, nichts. Sie war einfach eine Flache Steinplatte, in die ein deren Mitte eine Falltür war, die ins innere führte. Aber diese Zinne war nicht leer, wie es eigentlich geplant war, im Gegenteil. Um den kompletten Rand herum hatte sich eine Doppelreihe Soldaten aufgestellt, die vordere reihe kniend, die dahinter aufrecht und alle mit gezückter und Schussbereiter Waffe. Aber das war es nicht, was Lucian zur Verzweiflung gebracht hatte. Nein, das war die Person, die fünf Meter vor ihm an einem kleinen Terrassentisch saß und ein Glas Rotwein in der Hand hielt. Es war kein schöner Mann. Er war fett und hatte ein teigiges Gesicht, mit einem dünnen Bart und langen, schwarzen Haaren. In die Strähnen, die Links und rechts sein Gesicht einrahmten, hatte er blaue Schleifchen gebunden und ein weißer Hut mit blauem Hutband saß auf dem massigen Schädel. Unter seinem Samtanzug bäumte sich ein dicker Bauch und der Mann hatte sich ein blaues Cape um die Schultern gelegt. “Konteradmiral Kanras ...“
"Präzise erkannt, Vicomte de Villefort," sagte der ekelige Marinekopf und trank den letzten Rest seines Weines aus. Als er es weggestellt hatte, begann er leise zu applaudieren, wie es bereits Arthos getan hatte. Der massige Leib erhob sich und es sah aus wie ein Akt der Anstrengung, soviel Fett in Bewegung zu setzen. "Und das müsste dann Signore Barino. Nun ich bin beeindruckt. Erbost, aber beeindruckt. Aramis und Porthos zu besiegen ist das eine, aber sogar Arthos? Chapeau!" Das schlimme war, dass Kanras sich so nüchtern anhörte, dass es wahrscheinlich die Wahrheit war. "Da sie auf Monte Gomero aufgewachsen sind, Monsieur Vicomte, kennen sie sicher die Redensart. Wie verlässt man mein Gefängnis?" Lucians Oberlippe zuckte kurz. Dann stöhnte er leise und sah zu Boden. “Die Stufen als freier Mann oder die Klippe als toter Mann,“ presste er zwischen seinen Zähnen hervor und sah Kanras hasserfüllt an. Die Klippe, dass war der Rand des Turmes, der zum Meer hin zeigte. Die Verstorbenen Bewohner werden nicht mehr den Turm hinunter getragen. Man bindet sie in einen Leichensack, befestigt eine Kugel an ihnen und wirft sie über die Klippe hinunter ins Meer. Er machte sich keine Hoffnungen. Ein Marinekapitän war etwas anderes, eine ganz andere Liga! Und schon gegen Arthos hatte er im Grunde keine Chance gehabt. "Und sind sie ein freier Mann, Vicomte?" Nein war er nicht, nicht für die Marine. Aber er sagte nichts. Der Konteradmiral spielte mit ihm. "Ich nehme also an, sie sind hier, um über die Klippe zu springen? Über 350 Meter in die Tiefe, spätestens beim Aufprall sind sie tot. Wollen sie springen?" Nach einer kurzen Pause, in der Lucian nichts erwiderte, sprach er weiter. "So wie ich es sehe, haben sie drei Möglichkeiten. Entweder sie ergeben sich und werden in Chateau d'If eingesperrt, bis sie sterben. Sie könnten auch über die Klippe springen. Oder sie töten mich, auch dann dürfen sie gehen. Also, was darf es sein?"
Lucian ballte die Hände zu Fäusten und schlug damit gegen die steinerne Decke unter sich. Seine Knöchel pochten vor Schmerz. Aber aufgeben wollte er nicht. Er würde sich nicht einfach ergeben! Er sprang auf, zückte Mugetsu und Mangetsu und stürmte Kanras entgegen. Er würde nicht so kurz vor dem Ende aufgeben! Mit einem wilden Schrei warf er sich dem mächtigen Marinemitglied entgegen, doch der bewegte keinen Muskel. "Eine schlechte Wahl," kommentierte der Konteradmiral das ganze nur, als die beiden Shirasaya in seinen Bauch schnitten. Aber es floss kein Blut. Stattdessen blieben die beiden Waffen einfach in einer gelben Masse mit äußert eindringlichem Geruch stecken. Mit aller Kraft riss Lucian sie heraus, was zu einer Wunde in Kanras Körpermitte führte, die jeden normalen Menschen getötet hatte. Aber die gelbe Masse schloss sich einfach wieder und eine Sekunde später sah man nichts mehr vom Angriff des Weißhaarigen. Nicht einmal der zu enge Anzug war beschädigt. Erst dann streckte Kanras seinen rechten Arm aus, der sich mit einem mal verlängerte, dunkelgelb und löchrig wurde. Die Substanz traf Lucian an der ohnehin schon verletzten Schulter und begann sich rasendschnell auszuweiten. Kurze Zeit später war sein ganzer Arm von dem Zeug bedeckt, dass ihm sehr vertraut vorkam. “Ist das … Käse?“ fragte er halb erschrocken, halb verwirrt, während er versuchte die Masse von seinem Körper zu kriegen. "Das sind nur die Grundlagen der Chizu Chizu no Mi. Der Käsefrucht. Sind sie bereits einmal einer Teufelsfrucht wie dieser begegnet, Monsiour Vicomte?" Nein das war er nicht. Er hatte schon zwei Tierfrüchte gesehen, aber von so etwas wie der Chizu Chizu no Mi hatte er bisher nur in Gerüchte gehört. Logia. Eine Teufelsfrucht die einen fast unbesiegbar machte. Einen Augenblick lang kämpfte er noch, dann wurde er ruhiger. Er sah zu Marlon, dann zu den Soldaten und schließlich zu Boden. “Ich wähle die Klippe...“ Kanras konnte er nicht besiegen. Das war unmöglich. Und er wollte nicht mehr zurück in die Zellen, vor allem nicht in die Sicherheitskerker. "Interessant. Nun, ihr Vater wird sicherlich sehr von ihrem Tod bewegt werden. Seien sie versichert, dass ich Comte de Villefort persönlich von dieser Entscheidung berichten werde." Der Käse löste sich von Lucians Arm und zog dabei den Kapitänsmantel mit sich. Ganz eindeutig wollte Kanras nicht, dass Lucian dieses Symbol der Gerechtigkeit beschmutzte. Der Vicomte holte tief Luft und sah dann zu Marlon. “Vertrau mir, dass ist die beste Lösung...“

[Anmerkung: Dies ist ein Hybridpost. Die Rechtsbündigen Abschnitte wurden von Marlon selbst geschrieben]
 
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Marlon hätte vor Frust am liebsten geschrien. So viel hatten sie gewagt, so viel erduldet und so viele Hindernisse aus dem Weg geräumt - Nur damit ihre Flucht jetzt von einem fettleibigen Konteradmiral versperrt werden konnte? Das durfte einfach nicht wahr sein! Doch im Gegensatz zu Lucian, der seinen Frust offensichtlich in direkter Gewalt heraus lies, nahm Marlon sich die Zeit, zu überlegen.
"Wie verlässt man mein Gefängnis? - Die Stufen als freier Mann oder die Klippen als toter Mann." Diese Worte, so zynisch sie auch waren, hatten leider Gottes nur zu viel Wahrheit an sich. Marlon konnte nicht umhin, dem fettleibigen Admiral in Gedanken zu zu stimmen. Er hatte sie sauber in die Falle gelockt, ihr Abenteuer war zu Ende, bevor es wirklich angefangen hatte. Und dann war da noch...
"Das sind nur die Grundlagen der Chizu Chizu no Mi. Der Käsefrucht. Sind sie bereits einmal einer Teufelsfrucht wie dieser begegnet, Monsiour Vicomte?" Seiner Reaktion nach zu urteilen war Lucian das bisher noch nicht und auch Marlon konnte nicht von sich behaupten, eine dieser legendären Früchte jemals in Aktion gesehen zu haben. Obwohl er natürlich von ihnen gelesen hatte. Diese Frucht, die Chiczu Chizu no mi, wie Kanras sie nannte, musste einer der sagenumwobenen Logia-Klassen sein, der seltensten und vermutlich mächtigsten Klasse unter den Teufelsfrüchten, die es ihrem Anwender erlaubten, den eigenen Körper in eine bestimmte Substanz zu verwandeln, um jeglichen Schaden von sich ab zu lenken. Selbst der Don mit all seinem Geld und seinen Beziehungen hatte es niemals geschafft, in den Besitz einer solchen Frucht zu gelangen, völlig egal, was er auch probiert hatte, woran sich nur noch weiter zeigte, wie mächtig und gut organisiert ihr Gegner tatsächlich war. Kanras hatte seinen Posten nicht nur durch sein strategisches Geschick und seine Verbindungen, so viel war klar. Wahrscheinlich hätte es all der umstehenden Soldaten überhaupt nicht bedurft, um die beiden Piraten in Schach zu halten, sie hätten eben so gut Verbündete von ihnen sein können, so mächtig war dieser beleibte Mann allein durch den Verzehr seiner Frucht. "Der König und seine Königin sind umzingelt", dachte Marlon bei sich, ohne zu realisieren, dass er sich gerade als "Königin" bezeichnet hatte. Und das würde ihm später auch nicht mehr einfallen. "Schach und Matt."

Doch gerade als Marlon seine Waffe strecken und sich ergeben wollte, verkündete Lucian neben ihm, dass es der beste Entschluss sein würde, zu springen. Er sah Marlon nun zum ersten Mal seit ihrem Gespräch in der Zelle direkt an und sagte zu ihm: "Vertrau' mir. Das ist die beste Wahl." Kanras zog zweifelnd eine Augenbraue hoch, während sein käsiger Arm mit einem widerlich schmatzenden Geräusch, das klang wie ein Stöpsel der aus einer Wanne gezogen wird, den Kapitänsmantel auf den Boden gleiten ließ. Marlon blickte zu dem fettleibigen Marinekapitän und hörte, wie hinter ihm jemand sprang, das Knattern von Kleidung im Wind und einen Schrei. "Diese letzte Genugtuun wird nicht die Ihre sein, Konteradmiral Kanras. Jemand wie ich gehört unter einen starken Mann." Damit drehte er sich um und sprang ebenfalls, die Arme weit ausgebreitet und mit dramatisch wehenden Haaren, die Wurfklinge immer noch in der rechten Hand. Es war wie in einem Theaterstück.
Als Marlon den Ozean wie ein riesiges, dunkelblaues Tuch unter sich sah, fiel ihm gleich etwas auf: Er und Lucian waren nicht die Einzigen in der Luft. Hinter sich hörte er bereits das widerliche Glucksen von Konteradmiral Kanras Käsearm, doch er ging nicht davon aus, dass dieser ihn noch würde fangen können. Seine Aufmerksamkeit galt dem zappelnden und strampelnden Marinesoldaten, den Lucian offensichtlich mitgerissen ahtte und nun offensichtlich als eine Art Schild nutzen wollte, um seinen Aufprall zu dämmen. Marlon biss die Zähne zusammen, da er nicht selber daran gedacht hatte, doch jetzt war es für solche Bedenken zu spät. Ihm blieb nur noch, seine Klinge weg zu stecken und seinen Fall ein wenig zu korrigieren, sodass er mit den Füßen zuerst aufschlagen würde. Der Wind zerrte gierig an seinen Haaren und wie von selbst öffnete sich sein Mund zu einem lauten, ekstatischen Schrei. Er hatte keine Angst. Nicht mehr. Für diesen einen Moment waren alle Bedenken über seine Zukunft, die Mafia, den Don, seine Familie und all die anderen unwichtigen Dinge vergessen. Jetzt gab es nur ihn, Lucian und den freien Fall, gefolgt von einem Getöse wie ein Donnerschlag als drei Körper weit unterhalb des Gefängnisses von Monte Gomero durch den Meeresspiegel brachen.
 

Lucian

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Zusammen mit Marlon ging Lucian an den Rand des Turmes. An einer Seite, jener die zum Meer hin zeigte, war nachträglich eine Platte angebracht worden, die wie die Planke eines Piratenschiffes ins nichts führte. Die Soldaten die an dieser Stelle Position ergriffen hatten, entfernten sich langsam, ließen ihre Gewehre jedoch nicht sinken, keiner traute hier dem Braten so recht. Am Rand angekommen, sah Lucian hinunter in die Tiefe. Das Meer lag spiegelglatt dar, keine Felsen, an denen man zerschmettern konnte, keine Strömungen, nichts. Hier oben wehte ein bitterer Wind und biss den Vicomte in den nackten Oberkörper. Eigentlich wäre seine blutverschmierte Kleidung im Moment gar nicht abzulehnen. Aber warum sich nach etwas sehnen, dass man nicht mehr hatte? Seine Haare wehten unkontrolliert hin und her, als er sich umdrehte und die beiden Schwerter aus seinem Gürtel zog. Bei dieser Aktion kam Bewegung in die Menge der Soldaten, sie dachten sicher, er würde etwas dummes planen. Aber Lucian lies die Klingen in die Hüllen und hielt sie mit dem rechten Arm nach vorne, vom Körper weg. "Ich habe eine bitte," meinte er abgeklärt und sah Kanras direkt an.
Der Konteradmiral hatte wieder in seinem Stuhl platz genommen und ein frisches Glas Roten in der Hand. "Einem Sterbenden die letzte Bitte abzuschlagen wäre unehrenhaft." Der widerliche Mann schaffte es sogar, dass seine Worte freundlich und gönnerhaft klangen. Am liebsten Hätte Lucan ihm seinen fetten Kopf vom Hals geschlagen, aber er beherrschte sich und sagte stattdessen "Das hier sind Erbstücke meiner Familie. Ich möchte, dass sie in den Besitz meines kleinen Bruders übergehen und nicht in einer der Asservatenkammern vergammeln." Wenn Kanras etwas über Lucian, über dessen Verhältnis zu seiner Familie, seinem Bruder gewusst hätte, dann wäre sein Plan nicht aufgegangen. Niemand der den Vicomte kannte, hätte ihn diesen plötzlichen, familiären Sinneswandel abgekauft. Aber das Motto von Konteradmiral Kanras war nicht ohne Grund „Löchrige Gerechtigkeit“. Der Fettsack übersah immer alles, was ihm nicht wichtig erschien. Und so zuckte der Marinekommandant nur mit den Schultern und bedeutete einem der am nächsten stehenden Männer, die Waffen entgegen zu nehmen. "Wenn es weiter nichts ist, gewährt." Er winkte mit der Hand, als sei es eine Lappalie, während der Soldat sich langsam näherte. "Ach ja, und ich habe eine Frage. Das quält mich sonst den ganzen Sturz hinunter. Wie nennt man es, wenn man den Turm gegen den König austauscht? Dieser Zug, bei dem man den König hinter den Bauern in Sicherheit bringt, während der Turm den direkten Weg zu ihm blockiert?" Kanras runzelte verwirrt die Stirn, während der Soldat sein Gewehr schulterte und den Arm nach den beiden Shirasayas ausstreckte. "Rochade." Lucian lächelte schwach. "Korrekt."

In diesem Moment zog er den verdutzten Soldaten ruckartig an sich heran, riss ihn den letzten Schritt zur Kante mit sich und sprang. Im ersten Moment fiel er einfach nur und so seltsam es klingen mag, es war ein befreiendes Gefühl. Dann begann der Marinestreiter in sein Ohr zu schreien, Marlon hüpfte ebenfalls über die Klippe und Lucian konnte nicht anders, als sich selbst zu Fragen, ob er wahnsinnig geworden sei. Er sah nach oben und konnte eine riesige, gelbe Faust sehen, die sie verfolgte, aber während ihr Fall immer schneller wurde, blieb die Geschwindigkeit von Kanras Arm konstant, einfach nicht schnell genug, um sie noch zu erreichen. Das Meer kam rasend schnell näher, aber dieser Turm war so unglaublich hoch, dass es trotzdem eine gefühlte Ewigkeit zu dauern schien. Und ob das, was er vorhatte, auch funktionieren würde, wusste der Weißhaarige nicht. Er hatte es einmal in einem Buch gelesen, einem Roman, der auf dieser Insel spielte. Marlon war inzwischen fast gleich auf mit ihm und der Vicomte konnte sehen, dass sein Mund offen stand, doch einen Schrei konnte er bei dem irrsinnigen Fahrtwind nicht hören. Selbst das Gekreische des Soldaten war nur noch ein Wimmern. Lucian hatte ihn inzwischen mit der Linken am Genick gepackt, aber der Mann wehrte sich nicht. Es kam jetzt alles aufs Timing an. Oder aufs Glück. Oder beides.
'Beim Glücksspiel gewinne ich immer!' Als es noch vielleicht dreißig Meter waren, warf Lucian den Soldaten mit aller Kraft von sich weg. Durch den Stoß beschleunigte der Namenlose noch einmal etwas schneller, während er selbst durch den Rückstoß fast neben Marlon war. "Beine lang, Füße spitz nach unten!" Er konnte nicht sagen, ob der Mafiosi ihn gehört hatte, oder von selbst auf das offensichtliche gekommen war, aber darüber konnte Lucian jetzt auch nicht mehr nachdenken. In diesem Augenblick traf der Soldat auf die Wasseroberfläche und zerplatzte regelrecht. Die Oberfläche geriet in Aufruhr, überall trieb rot, gemischt mit Stoffetzen. Vielleicht eine halbe Sekunde später tauchten die beiden Flüchtigen ein. Es fühlte sich an, als wäre er weichen Lehmboden getroffen, der nur wiederwillig nachgab, es tat unglaublich weh und der plötzliche Wasserdruck presste ihn zusammen. Aber im Gegensatz zu dem Soldaten war er nicht einfach zerplatzt. Er lebte! In dem Roman, den er gelesen hatte, ging es um einen Flüchtigen, der ebenfalls von der Spitze des Turmes gesprungen war. Er hatte eine Eisenkugel am Bein gehabt und als diese zuerst ins Meer tauchte, da wurde die Oberflächenspannung zerstört. Zumindest für einen Augenblick. Mangels Eisenkugel hatte Lucian dafür den armen Marinesoldaten missbraucht. Es war schwer zu sagen, wie Tief das Meer an dieser Stelle war, doch als der Schock nach lies und er merkte, dass ihm die Luft ausging, musste der Adelige ein gutes Stück schwimmen, ehe er durch die Wasseroberfläche brach. "Nicht Heute, du fette Missgeburt!", brüllte er aus voller Lunge und stieß eine Faust in die Luft. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass Kanras ihn gehört hatte, doch der ekelerregende Kommandant stand oben am Rand der Klippe und sah verblüfft nach unten. "Er hat es tatsächlich geschafft ..."

Danach hieß es schwimmen. Dadurch dass sie den Turm in einer Minute und den direkten Weg nach unten verlassen hatten, besaßen Marlon und Lucian einen kleinen Vorsprung gegenüber den Soldaten, die nun erst einmal an der Außentreppe hinunter mussten. Das erkaufte ihnen zwanzig, im besten fall dreißig Minuten. Eins war klar, sie konnten nicht hier bleiben. Beide waren sie erschöpft, verletzt und überhaupt übel mitgenommen, aber nachdem sie das Land erreicht hatten, konnten sie querfeldein dorthin, wo das Fluchtfahrzeug war. Das Ziel hieß Imil. Der kleine Hafen wurde nicht von der Marine angelaufen, wenn es nicht sein musste. Sie hatten dort nie Schiffe stationiert! Aber dafür befand sich dort die Miss Ann’s Trophy, die Luxusyacht seines Vaters. Er hatte nie geplant, dieses Schiff an sich zu nehmen, aber jetzt war es ihre beste Chance. Gespard de Villefort hatte das Schiff zwei, vielleicht drei mal überhaupt benutzt, aber die Anweisung lautete, dass es stets zum Auslaufen bereit liegen sollte. Vorrausgesetzt die Werftarbeiter taten wofür man sie bezahlte, würde ihnen dies nun das Leben retten.
Zugegeben, sie brauchten einen halben Tag durch das triste, felsige Hinterland von Monte Gomero, doch gegen Abend erreichten sie endlich die kleine Hafenstadt. Der riesige Leuchtturm war ein guter Anhaltspunkt gewesen, erinnerte aber auch erschreckend stark an das Gefängnis. In aller Heimlichkeit – zwei Männer in zerlumpter, teilweise blutbefleckter Bekleidung fielen leider auf – umgingen die beiden die Wohngebiete, bis sie den fast leeren Hafen erreichten. Ein einzelner, verlorener Perlenkutter lag vor Anker, aber mit mehr war nicht zu rechnen gewesen, mit weniger nicht zu hoffen. Lucian ging schnurstracks zu der Werft, wo die Trophy aufbewahrt wurde. Den Schlüssel für das Lagerhaus hatte er selbstverständlich nicht, deshalb zerschmetterte der Vicomte schlicht mit einer Schwertscheide eines der Fenster und kletterte hinein. "Kümmer dich um den Wachmann und öffne dann das Tor. Ich sehe zu, dass die das Schiff los kommt." Einen Augenblick später schwang er sich über die niedrige Rehling und sah sich an Deck um. Er hatte die Yacht seit Jahren nicht mehr gesehen, aber er hatte die Grundzüge gelernt, um sie zu steuern. Er spannte das Segel ein und kümmerte sich um die Leinen. Als sich endlich das Tor öffnete, kappte er das letzte Tau und die Trophy setzte sich langsam in fahrt. Kaum war Marlon an Bord, kurbelte er den Mast zu voller Größe raus und hisste das Segel. Es sah alles ziemlich unbeholfen aus, aber wie gesagt, er hatte seit Jahren keinen Fuß mehr auf ein Schiff gesetzt, um dort selber etwas zu machen. Sie nahmen auch nur langsam fahrt auf. Der Wind wollte nicht so recht ins Segel greifen. Aber immerhin entfernten sie sich von der Insel. Weg von diesem verfluchten Gefängnis. Und damit meinte er nicht den Turm.
 
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Als Marlon auftauchte und nach Luft schnappte, war sämtliche Euphorie wie verflogen. Sein Herz raste immer noch wie wild und er konnte spüren, dass sein Mund gierig nach Luft schnappte, während der Druck des Meeres seinen Körper langsam wieder frei gab. Doch wirklich erreichen konnte Marlon nichts von alledem, während sein Verstand immer nur um die eine Frage kreiste: Was müssen wir jetzt tun?
Wie und warum sie überlebt hatten ahnte Marlon, auch wenn es jetzt natürlich zu spät war. Das Auflösen der Oberflächenspannung war ein guter Plan gewesen, insbesondere wenn man bedachte, dass Lucian nur wenige Sekunden gehabt hatte, diesen Plan zu fassen und in die Tat um zu setzen. An den herumtreibenden Fleisch- und Kleiderfetzen störte Marlon sich dabei nur wenig, er hatte im Verlauf seines Lebens schon ganz andere Dinge gesehen. Einzig um seine Klinge machte der Koch sich Sorgen, dieser Aufprall hatte das Metall mit ziemlicher Sicherheit verzogen, sodass sie zum Kämpfen nicht mehr zu gebrauchen war. Doch das war jetzt zweitrangig. Fürs Erste zählte nur, dass sie lebend entkamen, sonst hätte ihre Flucht herzlich wenig Sinn gemacht, ganz egal, wie weit sie damit gekommen waren.
Glücklicherweise schien Lucian diesen Gedanken zu teilen und bereits weiter gedacht zu haben. Zielstrebig kraulte der weißhaarige Aristokrat auf das Ufer zu und Marlon folgte ihm im Schmetterlingsstil, während er sich innerlich fragte, wohin ihre Reise sie nun führen würde. Sie mussten hier weg, also brauchten sie ein Schiff. Gab es auf dieser Insel einen Hafen, den die Marine nicht in Beschlag genommen hatte? Und wenn ja, war er in angemessener Zeit zu erreichen?

Ein halber Tag querfeldein, durch Staub und Steine, ohne die geringste Pause. Normalerweise hätte Marlon so eine Unternehmung gewiss nicht gut geheißen, doch sein Anzug war ohnehin schon im Eimer und die Marine war ihnen auf den Fersen. Jede Minute, die sie jetzt innehielten, würde sie dem Strick näher bringen und es stand anzunehmen, dass Kanras ihr Ziel ebenso gut kannte wie Lucian. Man wurde gewiss nicht zum örtlichen Vorstand der Marine, wenn man die Insel, auf der man stationiert war, nicht kannte. Der nächste Teil des Plans schien so einfach, so offensichtlich, dass Marlon und Lucian nicht einmal darüber reden mussten um sicher zu sein, dass sie auf derselben Wellenlänge waren: Sie brauchten ein Schiff und mussten damit fliehen und zwar so schnell wie möglich. Waren sie erst einmal auf See, gab es zu viele mögliche Wege, die sie hätten nehmen können um sie zu verfolgen, also würde eine Verfolgung, wenn überhaupt, nur sehr schleppend in Gang kommen. Also verbrachten sie die nächsten sechs Stunden ihres Marsches mit Schweigen, nur gelegentlich unterbrochen durch ein kurzes, stoßweises Atmen oder ein Keuchen, wenn einer von ihnen drohte, schlapp zu machen. Doch sie hielten sich gegenseitig auf Trab und in Bewegung, sodass schließlich ein kleiner Hafen in Sicht kam und mit ihm eine handvoll Boote, von denen Lucian sich mit Sicherheit bereits eines ausgeguckt hatte. Marlon wäre überrascht gewesen, hätte er sich einfach auf gut Glück hier hin begeben, ohne zu wissen, was ihn erwartete.
Schließlich blieben die beiden Männer vor einem Lagerhaus stehen, dessen Fensterscheibe von Lucian eingeschlagen wurde. Danach drehte er sich zu Marlon um und sprach den ersten vollständigen Satz seit Stunden: "Kümmer dich um den Wachmann und öffne dann das Tor. Ich sehe zu, dass das Schiff los kommt." Marlon nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Die Architektur dieser Hafenstadt war zum Glück simpel gehalten und so dauerte es nicht lange, bis Marlon das Häuschen des zuständigen Wächters fand, zusammen mit mehreren Bedienelementen, die offenbar verschiedene Tore öffneten. Langsam schlich er sich zu dem zeitunglesenden Wachposten hin, ehe er schließlich seine rechte Hand über dessen Mund und Nase legte und ihm mit geübtem Griff die Luft abschnürte. Der Wachmann sah seinen Angreifer nicht, aber kurz bevor er bewusstlos wurde, flüsterte ihm Marlon ins Ohr: "Richte der Marine aus, dass der junge Vicomte sich genommen hat, was ihm zusteht." Dann sank sein bewusstloser Körper auf den Boden und Marlons Weg war frei. Ohne groß zu überlegen, betätigte er den entsprechenden Hebel für das Lagerhaus, in welches Lucian eingestiegen war und sah zu, wie die Torflügel langsam auseinander glitten wie die Scharniere einer Auster. Nur um dann ungläubig den Mund auf zu sperren. "Grundgütiger..." Was da aus dem Lagerhaus segelte war kaum mehr als "Schiff" zu bezeichnen, sondern viel eher als luxuriöse Yacht. Überwiegend weiß gehalten und so voller Prunk, dass man die Augen abwenden musste, um nicht davon überwältigt zu werden. So glitt das Schiff langsam aufs offene Meer hinaus und Marlon sprang mit kräftigem Anlauf an Bord, um nicht zurück gelassen zu werden. Gelassen richtete er das, was von seiner Krawatte noch übrig war und holte tief Luft. Jetzt kam der spannende Teil. Er trat langsam auf Lucian zu, der am Steuerrad stand, und ging auf das linke Knie.

"Lucian. Ihr habt mein Leben gerettet, ein Leben von dem ich bis vor kurzem dachte, es sei nichts mehr wert. Ich, Marlon Barino, stehe für immer in Eurer Schuld. Als geübter Koch und Attentäter wäre es mir eine Ehre, meine Fähigkeiten in Euren Dienst zu stellen und für Euch in den Tod zu gehen, wenn ihr es befiehlt. Was sagt Ihr? Mein Leben für Euch." Damit neigte er das Haupt. Und jeder, der sich ein wenig mit den Sitten auf Cosa Nostra auskannte wusste, was das bedeutete: Nimm' mein Angebot an oder schlag' mir den Kopf ab. Die demütigste Geste, zu der ein Mann von dieser Insel überhaupt fähig war. Aber Marlon hatte keine Zweifel. Wenn er diesem Mann nicht dienen konnte, dann konnte er niemandem je wieder dienen.
 
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