Aktuelles

Der königliche Palast

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link


Der Palast der königlichen Familie Amaterasu, die über die gesamte Sonnen Insel herrscht, ist eines der eindrucksvollsten Gebäude im gesamten North Blue. Das Gebäude, das in seinem Stil dem üblichen, hellen Standart von Sunny entspricht, fügt sich zwar nahtlos in das Stadtbild ein, dennoch ist es aufgrund seiner Größe und zentralen Lage leicht zu finden. Um die Sicherheit und Ruhe der königlichen Familie zu wahren steht das Anwensen Tag und Nacht unter strenger Bewachung durch die Sonnengarde. In der Geschichte der Insel gibt es nur zwei bekannte Fälle, in denen jemand aus dem Schloss fliehen oder in das Gebäude eindringen konnte...

Das Sonnensymbol des Anwesens
Das Treppenhaus
Innenansicht
 

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link
Immer mehr Menschen trauten sich nach und nach auf die sonst wohl so überfüllten Straßen der großen Hauptstadt Sunny. Händler eröffneten ihre Läden, Kinder quälten sich unter dem Zetern ihrer Mütter aus den Betten, Wachleute lösten ihre Kollegen ab. Die hohen Häuser, allesamt in sanften Pastelltönen gehalten, umhüllten Straßen und Gassen noch immer mit ihrem langen Schatten, doch bald würde das Pflaster im Sonnenlicht dunkel schimmern. Ein Blick zum Himmel genügte um erkennen zu können, dass die Sonnen Insel ihrem Namen wohl einen weiteren Tag gerecht werden würde.

"Ein herrlicher Morgen, findet ihr nicht?"
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht blieb Shien, der bisher an der Seite seiner Navigatorin in Richtung Stadtmitte geschlendert war, stehen, schloss die Augen und streckte sich genüsslich. Ein kühler, salziger Wind brauste vom Meer her durch die von Menschenhand geschaffenen Täler von Sunny. Die struppigen, weißen Haare brausten dem Kapitän einen kurzen Moment um den Kopf, dann beruhigte sich die Luft erneut. Shien schmatzte zufrieden, dann begann er, seinen Weg fortzusetzen.
Als die beiden Piraten an der nächsten Ecke abbogen begann Shien mit dem Blick nach vorn gerichtet zu sagen:
"Ich frage mich, wie sich unsere Gefährten schlagen werden. Noa und Sona sind im Moment wohl auf der Dragon und regen sich darüber auf, dass sie nichts anderes zu tun haben als aufzuräumen. Eol, Tim und Dwain... ich hoffe, sie belästigen nicht die falschen Leute. Was haltet ihr von unseren Kameraden, meine Liebe?"

Die Unterhaltung führte die Navigatorin und ihren Kapitän weiter durch die Straßen Sunnys, vorbei an alten und neuen architektonischen Meisterwerken, grimmig dreinschauenden Wachmännern und mit sich selbst beschäftigten Geschäftsleuten. Je näher die beiden dem Zentrum von Sunny kamen, desto breitere Straßen erstreckten sich vor ihnen.
*Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis wir da sind. Ob wir dort etwas herausfinden werden, das ist die Frage...*
Ein paar weitere Abzweigungen später erhoben sich bereits hell getünchte Wände mit exquisit geschmücjten Fenstern vor Jennifer und Shien. Links von ihnen knickte das Gebäude, zu dem sie gehörten, nach hinten ab. Rechterhand dagegen führte der feste Stein zu einem eindrucksvollen Tor, dessen Schutz durch zwei in gold gewandete Wachmänner gewährleistet war. Ein paar Schritte auf das Tor zu, dann blieb Shien sehen und bedeutete seiner Gefährtin, es ihm gleich zu tun.
"Miss Black... wir sind da. Lasst uns dort hinüber gehen."
Geschwind zeigte Shien vor einen recht ausladenden Platz vor dem Gitter, auf dem sich trotz der frühen Stunde bereits einige Menschen tummelten. Ein hochgewachsenes Weißhaar und eine Barfüßige dürften schon fast nicht mehr auffallen. Am Rande des Platzes angekommen fasste Shien das gesamte Gebiet ein, wobei er beim vergitterten Tor innehielt. Dahinter breitete sich der Komplex eines eindrucksvollen Palastes aus.
"Seht: Das Anwesen der von allen verehrten Familie Amaterasu. Von dort ist die allseits beliebte Prinzessin Sakura verschwunden. Doch wie? Warum? Und vor allem, wohin?"
Mit zu Schlitzen verengten Augen schaute Shien zum Tor hinüber. Mit seiner Rechten kratzte er sich dabei über das Kinn, das für den Geschmack des Kapitäns schon wieder zu sehr von widerspänstigen Stoppeln übersäht war.
*Ein Bart... sähe mit Sicherheit eindrucksvoll aus. Und zudem passend für einen erfahrenen Krieger...*
Hastig schüttelte Shien den Kopf, um den unpassenden Gedanken zu verscheuchen. Mit Blick auf das Tor sagte er zu seiner Navigatorin.
"Dort drinnen könnten wir mit Sicherheit einiges über das Verschwinden unserer Prinzessin herausfinden. Doch sicherlich lassen uns die Wachen nicht einfach so hinein..."
Der Kapitän nickte, dann blickte er die Dame neben sich an. "Ich weiß nicht, woher ihr es habt, doch euer Talent, euch zu jeder Tages- und Nachtzeit auf mysteriöse Weise in Luft auflösen zu können, ist nicht von der Hand zu weisen. Deshalb übertrage ich euch hiermit den Auftrag, uns in das Zimmer der Prinzessin zu schleusen. Dabei stehen euch nicht nur eure, sondern auch meine Fähigkeiten zur freien Verfügung. Ich werde tun, was immer ihr verlangt."
Mit einem weiteren Blick in Richtung der beiden bewaffneten wachen fügte Shien schließlich hinzu: "Also... wie gehen wir es an?"
 
J

Jennifer Black

Guest
Sie folgte Shien. Nicht wie ein Schoßhündchen, stets breit sein Herrchen zu verteidigen, sondern eher wie eine Nebenrolle, oder ein Mitschreiber des Geschehens. Ihre Miene war an jenem Morgen ausdruckslos, einfach weil sie nicht recht wusste, was sie von dieser Situation halten sollte. Sie hatte keine Meinung dazu, es lag lediglich ein gewisser Grad Skepsis in ihrem kühlen Blick. Er stellte rhetorische Fragen. Es war wie das Plaudern über das Wetter oder über unumstößliche Fakten - es war schlicht und ergreifend uninteressant. Doch dann stellte er eine Frage, die nicht besonders einfach zu beantworten war. "Ich kenne sie kaum", gab sie zu denken. "Zudem zweifel ich an keinerlei Kompetenzen, jedoch... vor allem bei diesem Küchenjungen fehlt mir eine gewisse Loyalität". Sie drückte sich mit Absicht förmlich aus. Das hier würde kein Nachmittagsspaziergang werden, dessen war sie sich völlig bewusst. Zwar hatte sie keine Ahnung, was sie erwarten würde, doch selbstverständlich hatte sie einen Verdacht. Shiens Schritte lenkten ihren Weg gen Palast - wie sie erwartet hatte. Natürlich. Die junge Black hätte, wenn sie allein gewesen wäre, auch zunächst hier nach Informationen gesucht. Ein Blick auf Shien ließ ihn jedoch eher wirken, wie ein Klotz an ihrem Bein. Sie selbst, auf sich gestellt und allein, war ein Naturtalent im Beschaffen von Informationen. Einfach aus dem einfachen Grund, dass sich hinter ihrem Talent eine Teufelskraft verbarg. Eine Tatsache die ihr selbst häufig missfiel. Sie besaß eine grundlegende Verbundenheit zum Ozean, doch hatte sie nicht die Möglichkeiten eines nicht infizierten Menschen. Auf ihren Reisen hatte sie einige Leute mit Teufelskräften gesehen. Einige hatten panische Angst vor dem Wasser und wieder andere waren so wie sie. Sie provozierten die Gefahr, liefen auf der Reling eines Schiffes, einen Fehltritt vom sicheren Tod entfernt. Jennifer blickte auf und wich elegant einem Passanten aus, der sie beinahe umgerannt hätte. Gleich darauf musste sie abrupt stoppen, als sie bemerkte, dass Shien angehalten hatte.

Als Shien seine kurze Ansprache hielt folgte Jennifer mit ihren grünen Augen dem Verlauf der Fensterreihe am Palast. Das Gebäude war imposant, allein in den vielen Zimmern könnte man sich verirren... Wer weiß, vielleicht war die Prinzessin auch einfach nur in einen großen Wandschrank gefallen? Gott weiß... Urplötzlich stockte Jen und sah zu Shien. "Was weiß er?", fragte sie sich und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Einerseits, weil sie skeptisch war, andererseits, weil sie befürchtete Shien einige Dinge erklären zu müssen. Es gab niemanden der von ihrer Teufelskraft wusste. Außer ihrer alten Crew und die hatte es geheim gehalten. Jen war nicht eine der Personen, die leicht Vertrauen fassten - auch nicht in eine treue Seele wie Shien es zu sein schien. Immerhin fragte er nicht nach. Er stellte lediglich fest. Jennifer schluckte, dachte kurz nach, sah noch einmal zum Palast hinauf und widmete sich dann Shien. Einmal holte sie Luft - "zieht eure Schuhe aus" - dann wandte sie sich auf dem Absatz um und stolzierte Richtung Tor. "Na los, kommt schon", befahl sie ihrem Captain und winkte ihn zu sich hinüber. "Ihr seid nicht aus Luft, ihr seid lediglich nicht zu sehen, bitte reagiert nicht über, nehmt es einfach hin. Ihr dürft niemanden Berühren, kein Geräusch verursachen - tut so als wäret ihr nicht anwesend!". Mit dieser Erklärung wanderte sie auf die beiden Wachen zu und ging einfach zwischen ihnen hindurch, ohne dass sie auch nur die geringste Regung zeigten. Wenn Shien an sich hinunter sehen würde, würde er nichts sehen. Es gab viele Menschen, die diese Tatsache verwirrte. Sie verloren ihren Gleichgewichtssinn oder schlicht und ergreifend die Kontrolle über ihren Geist... allerdings hatte sie die stille Hoffnung, dass ihr Kapitän seriös und zielorientiert genug war die Tatsache, dass er gerade rein anatomisch gesehen keinen Körper mehr besaß, ignorieren zu können. Immerhin würde er ihn nach wie vor spüren...

Jennifer Black blieb hinter dem Tor nicht gleich stehen. Der kiesgesäumte Weg war problematisch, die junge Black zog es daher vor auf den Pflastersteinen am Rand zu laufen - balancieren eher... Nach gut zehn oder zwanzig Metern (außer Hörweite der beiden Wachen) blieb sie stehen. "Wo ist das Zimmer der Prinzessin?", fragte sie und sah Shien fragend an. Fragend aber kühl, weil sie nach wie vor nicht überzeugt davon war hier mit einem Klotz am Bein nach Informationen zu suchen. Doch sie konnte schlecht ihren Kapitän aus seiner eigenen Mission ausschließen. Allein wär sie längst im Palast gewesen und hätte angefangen nach Informationen zu suchen... aber nein... man sah ihr deutlich an, dass sie ein wenig genervt war. Genervt von jemandem, der einfach keine Ahnung hatte wie er mit diesem Talent umzugehen hatte.
 

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link
"Zieht eure Schuhe aus."
Der Befehl kam bestimmt und prompt. Seine linke Augenbraue wanderte ein kleines Stück nach oben ob der seltsamen Aufgabe, und zwar nicht nur wegen der Sache an sich, sondern auch wegen der Art, wie die sonst so zurückhaltende Navigatorin ihrem Kapitän das Kommando gab.
*Kaum gibt man ihr das Steuer in die Hand, schon blüht sie auf. Da tritt auf einmal die Navigatorin zum Vorschein.*
Brav schlüpfte Shien aus seinen für ihn obligatorischen Holzsandalen und befestigte sie klackernd an seinem Gürtel. Der sandige Stein, aus dem die Straßen Sunnys gemacht worden waren, fühlte sich angenehm warm an, dennoch schien eine dunkle Schmutzschicht auf den Sohlen schon jetzt in greifbarer Nähe. Was erwartete man schließlich, wenn man barfuß durch eine geschäftigte Stadt lief?
Entspannt blickte Shien seine Kameradin an. "Und jetzt?"
Ohne Vorwarnung packte Jennifer ihren Kapitän bei der Hand und zerrte ihn in Richtung Tor. Wehrlos stapfte er der jungen Frau hinterher, die schnurstracks auf die beiden Wachen zuging.
*Was hat sie vor? Will sie uns als Bettler verkaufen? Will sie sie mit einem Überraschungsangriff einfach niederschlagen? Nein, es wird etwas gewiefteres sein. Mit Sicherheit wird sie den Soldaten gleich eine Lügengeschichte par excellence auftischen, sodass wir... nanu?*
"Ihr seid nicht aus Luft, ihr seid lediglich nicht zu sehen, bitte reagiert nicht über, nehmt es einfach hin. Ihr dürft niemanden Berühren, kein Geräusch verursachen - tut so als wäret ihr nicht anwesend!"
Mit diesen Worten schritten die beiden Kabukis auf die beiden Wachmänner zu, nur noch wenige Schritte trennten sie, doch keiner der beiden schien die Neuankömmlinge zu bemerken... wollten sie sich diesen barfüßigen Obdachlosen nicht widmen? Oder... konnten sie nicht?
Die nächsten Augenblicke straften die grünhaarige Navigatorin tatsächlich nicht Lügen. Als wären sie Luft huschten der Kapitän und seine Navigatorin einfach zwischen den Männern hindurch, passierten das Tor und blieben einige Meter jenseits des Gitters stehen - völlig unbemerkt.

Jens erste Frage ignorierend starrte Kagayaki Shien die kleine Frau aus großen Augen an: "Wie habt ihr das gemacht? Was ist das für ein Trick? Habt ihr etwas mit den Männern angestellt? Oder liegt es an uns? Was habt ihr gemacht?"
"Wer ist da?!"
Blitzartig wandte sich Shien in Richtung der Stimme ab, die ganz offenbar von seiner lauten und wilden Fragerei aufgescheucht worden war. Einige Meter von ihnen entfernt, direkt vor einem reich geschmückten Portal - dem Haupteingang des großen Anwesens - waren zwei weitere Männer postiert. Die goldene Rüstung des vermeintlichen Sprechers schepperte leise, als er einige Schritte auf Jennifer und Shien zu machte. Sein Kopf drehte sich nach links und nach rechts, dabei streifte sein Blick einige Male ganz direkt die beiden Eindringlinge. Doch egal was die grünhaarige Navigatorin angestellt hatte, es funktionierte noch immer.
"Oy, Lev! Was machst du da?"
Eine zweite Stimme, genauer gesagt die des zweiten Wachmannes an der Haustür des Anwesens, ließ den Suchenden anhalten. Dieser kratzte sich kurz am Kopf, dann spuckte er aus (glücklicherweise standen Jennifer und Shien nch immer weit genug entfernt, um vor der Ladung Speichel sicher zu sein) und wandte sich seinem Kollegen zu, um seinen ursprünglichen Posten wieder einzunehmen.
"Das frag ich mich auch. Fang wohl schon an, Stimmen zu hören."
Der zweite Wächter atmete hörbar aus. "Keine Sorge, bist nicht der einzige. Seit Hime-sama verschwunden ist scheint einfach jeder ne ganze Ecke nervöser zu sein. Als würde das tägliche Geballere von drüben nicht reichen."
Nach dieser kurzen Unterhaltung verfielen beide Wächter wieder in das stramme Schweigen, dass sie für Jennifer und Shien im ersten Augenblick unsichtbar sein gelassen hatte.
Erst einige Augenblicke später wandte sich Shien erneut seiner Navigatorin zu. "Das war..." Ein nervöses Räuspern seitens des Kapitäns, der weitaus leiser fortfuhr: "Das... ja, was passiert hier denn nun eigentlich?"
 
J

Jennifer Black

Guest
Offenbar hatte er es nicht verstanden. Andere hätten Panik geschoben, als der Wächter nun doch auf sie aufmerksam wurde, als Shien mal wieder seinen Mund nicht halten konnte. "Wär ja auch zu schön gewesen", grummelte si e in sich hinein und zog Shien einige Dutzend Meter weiter - raus aus der Hörweite der beiden Wachen. Noch immer hielt sie Shiens Hand fest, alles andere hätte nur noch mehr Probleme verursacht. Glücklicherweise hatte sie allerdings eine Hand frei, mit der sie nun ein lautes, klatschendes Geräusch auf Shiens Wange verursachte und ihn wütend anstarrte. "Wenn ich sage Ruhe", erklärte sie ruhig, "dann meine ich auch Ruhe!". Ihre grünen Augen funkelten böse, als sie zu erklären begann. "Ihr seid unsichtbar, euch sieht niemand, wohl aber können sie euch sehr gut hören und wenn sie uns entdecken, haben wir mehr als nur ein Problem am Hals. Ich weiß ja nicht, wie es mit ihnen steht, aber für meinen Kopf zahlt manch einer hier mehrere Hunderttausend Berry", ihr Stimme klang, auch wenn sie etwas leiser sprach als gewöhnlich, fest und bestimmend. Sie duldete keinen Widerspruch, Shien war für sie ein Klotz am Bein, den sie mit sich herumschleppen musste. Lästig. Zudem hielt er sich nicht an das, was sie sagte, doch, Kapitän hin oder her, das war ab jetzt seine einzige Möglichkeit hier heile wieder rauszukommen. "Wenn sie sich nicht an das halten, was ich sage...", drohte sie und nickte auf ihre Hand, die Shiens nach wie vor festhielt. "Ich muss nur eure Hand loslassen und ihr seid dem Feind ausgeliefert". Es schien als habe sie sich allmählich wieder beruhigt, denn es klang nicht so, als wolle sie ihre Drohung unbedingt wahr machen. Dafür lag ihr ein wenig zu viel an dem weißhaarigen Kapitän der Dragon. Davon abgesehen würde die Crew sicherlich fragen, was sie mit ihm angestellt hätte. Nein, es wäre keine gute Idee jetzt loszulassen. Jennifer seufzte leise. Sie sprach es zwar nicht aus, doch in ihrem Blick lag eine Bitte, nahezu ein Flehen, die folgenden Worte niemandem weiter zu erzählen: "Es ist eine Teufelsfrucht. Suke-Suke no Mi. Dinge, Personen - egal was ich anfasse, ich kann es verschwinden lassen. So ist es nicht mehr sichtbar für andere, aber es ist nach wie vor da". Sie schluckte. Entweder er würde jetzt durchdrehen, schreien und weglaufen, weil er Angst hatte, oder aber er würde es hinnehmen und die Mission weiterführen. Die meisten Menschen reagierten auf Teufelsfruchtesser jedoch eher allergisch. Es war etwas unbekanntes, etwas Neues, dem sie nicht trautem. Etwas, das sie nicht kannten, deshalb waren sie ihnen suspekt und daraus, aus dieser Skepsis, folgte Angst... und aus Angst wurde Abwehr - bis aus Abwehr die totale Offensive wurde und Leute, die eine Teufelsfrucht gegessen hatten, von Fackelträgern und tobenden Menschenmengen verfolgt wurden. Einen Augenblick lang spielte sich ein solches Desaster vor Jennys innerem Auge ab, dann schüttelte sie eilig den Kopf und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. "Können wir dann?", fragte sie zögerlich. Sie hatte ein wenig Angst vor der Reaktion des Kapitäns. Ihm würde sicherlich bald bewusst werden, dass sie ein Schiff kapern konnte, ohne dass irgendjemand es merkte. Dass sie jemanden töten konnte, ohne dass jemals jemand erfuhr, dass jemand beim Tod dieses Jemands anwesend war... und genau das könnte sie auf der Dragon veranstalten. Wäre ja nicht das erste Mal...
 

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link
Langsam aber sicher nahm die Szenerie den Schein einer seltsamen Komödie an: Die sonst so stille Navigatorin zerrte ihren Kapitän von einem Ort zum anderen, scheuchte ihn mit ihren Befehlen umher, und tadelte ihn nun auch noch mit einer Ohrfeige! Die Lippen zu einer scheiefen Schnute verzogen rieb sich Shien mit der Hand, die die Black nicht fest gedrückt hielt, die brennende Wange.
*Und wieder einmal hat mich mein eigenes Genie in des Teufels Küche gebracht. Da gibt man einer zarten Rose das Kommando, und schon zeigt sie ihre Dornen. Verflicht noch eins, ich sollte mit diesen Experimenten aufhören.*
Der Rückschlag - im wahrsten Sinne des Wortes - war jedoch nur von kurzer Dauer. Jens folgende Worten ließen den verwirrten Kapitän erst ein leichtes Lächeln, dann ein Grinsen, und schließlich das Gesicht eines sabbernden Idioten annehmen. Unsichtbarkeit durch Berührung... die Kräfte einer Teufelsfrucht... kein einfacher Taschenspielertrick... ECHTE Unsichtbarkeit!
Während Jennifer ihren Kapitän wohl nun mehr als verwundert anstarren würde, gab sich der Kapitän der Kabuki-Piraten ganz dem Filmchen hin, das vor seinem inneren Auge abliefen...

Der warme Dampf jagte dem weißhaarigen Mann einen Schauer über den Rücken. Die von süßen Gerüchen schwangere Luft zog ihm drängend in die Nase und benebelte seine Sinne. Normalerweise hätte er sich dieser verlockenden Ablenkung zu entziehen versucht, doch nicht heute...
Ein unsichtbares Grinsen huschte über seine Züge, als der Mann durch die offene Türe schritt. Es war ein Bild für die Götter, das dort auf ihn wartete: Das ausladende, von grobem Stein eingefasste Becken einer heißen Quelle breitete sich direkt vor ihm aus. Trotz des heißen Nebels und der nächtlichen Dunkelheit konnte er die gesamte Wasseroberfläche überschauen, bis hinüber zu der dunklen Trennwand aus feuchtem Holz, die die üblichen zwei Hälften einer öffentlichen Badeanstalt voneinander trennten. Es war eine ganz normale Trennwand, dennoch kicherte Shien als er sie sah - es war schließlich das erste Mal, dass er sie von der
anderen Seite sah.
Auf nackten Zehenspitzen schlich der Pirat an den schmalen Stufen vorbei, die hinunter in die Quelle führten, und positionierte sich etwa einen meter vom beckenrand entfernt. Schnell prägte er sich den Ausblick ein, den er nun genießen durfte, in der festen Absicht, ihn nie wieder zu vergessen. Es waren so viele, so unglaublich viele, und keine schaute zu ihm rüber... er war tatsächlich unsichtbar. Ihre zarten Stimmen, mit denen sie sich kichernd unterhielten, verschmolzen in den Ohren des Kapitäns zu Musik, einer himmlischen Kantate, die all seine Sinne berührte. Könnte Sona dies in ein weltliches Stück umwandeln... Shien würde dem Musiker die Dragon zum Geschenk machen.
Gerade, als der Kämpfer sich ganz und gar seinen Eindrücken hingeben wollte, schälten sich zwei bekannte Stimmen aus der Masse. Ruckartig wirbelte herum und stierte in Richtung Umkleide, durch die er die Quelle betreten hatte. Die Tür stand so offen, dass er die zwei Frauen, die dort miteinander sprachen, eindeutig identifizieren konnte. Reflexartig erhob er seine Stimme:
"Noa? Jennifer?!"
Sofort verstummten die anderen Gäste und blickten in Richtung Kapitän. Auch die beiden angesprochen sahen Shien aus großen Augen an. Doch halt... sie sahen nicht nur in seine Richtung, sie sahen ihm direkt ins Gesicht, was bei einem Unsichtbaren nicht möglich sein durfte! Mit schmerzhafter Härte fuhr ihm die Erkenntnis durch Mark und Bein: Wenn die grünhaarige Navigatorin dort drüben stand, wie konnte er dann unsichtbar sein?
Mit einem ohrenbetäubenden Rauschen standen plötzlich alle Frauen auf und schrien, als ob es um ihr Leben ginge...


Als hätte ihn der Blitz getroffen zuckte Shien zusammen und kehrte damit ins Hier und Jetzt zurück. Ein unangenehmer Geschmack nach Eisen ließ ihn einmal mit der Zunge über seine Lippen fahren. Tatsächlich, das widerliche Aroma war echt. Hastig zauberte er aus den Falten seiner Kleider ein Tuch hervor und befreiete sein Gesicht von dem Blut, das sie saubere Eleganz des Schauspielers ankratzte. Einmal kurz geschneuzt, und schon war der Kapitän wieder mehr oder weniger einsatzbereit.
Anschließend sah Shien seine Navigatorin an und fragte völlig unschuldig: "Warum sind wir eigentlich noch immer hier? Los, kommt mit!" Diesmal war es an Shien, die Leitung zu übernehmen und jemanden durch die Gegend zu ziehen. Zielstrebig machte er ein paar Schritte auf die Türe zu, die noch immer von zwei Wachen flankiert war, hielt dann alleridngs abrupt an als er sah, dass das Portal geschlossen war.
*Hmm... wir sind zwar unsichtbar, aber das heißt nicht, dass eine sich selbst öffnende Türe nicht verdächtig wäre. Wir brauchen... genau das!*
Nun war es eines der vielen Fenster mit Blick auf den Innenhof des Palastes, auf das Shien zustapfte. Wie bei solch einer großen Menge an Fenstern und der strikten Bewachung durch Soldaten nicht anders zu erwarten war standen einige der Scheiben weit offen. Der weißhaarige Kapitän wählte hierbei für seinen Plan eine Öffnung im Erdgeschoss - ein Sprung von ein, zwei Metern, und schon wären Jennifer und er einen Schritt weiter.
Mit erneutem Blick auf seine Navigatorin sagte Shien: "Nun denn, Miss Black. Wir müssen Körperkontakt halten, richtig? Dann sehe ich wohl nur zwei Möglichkeiten: Entweder ihr klettert auf meinen Rücken, oder ihr erlaubt mir, euch über die Schwelle zu lüpfen. Die Wahl liegt bei euch."
 
J

Jennifer Black

Guest
Er bekam einen glasigen Blick. Ein Sabberfaden lief seinen linken Mundwinkel hinab... und dann begann er wie irre zu grinsen... Jennifer Black beschloss einfach abzuwarten, sie kannte auch diese Reaktion. Und genau darum wusste sie, dass es vorbei gehen würde. Irgendwann. Während Shien wie in Trance vor sich hin, durch sie hindurch starrte, musterte sie ihn. Seine irren, manischen Gesichtszüge, seine verwuschelten, weißen Haare - Bartstoppeln an seinem Kinn und ein extravaganter Kleidungsstil... Nun ja er sah einfach ein wenig fertig aus. Später musste Jen sich eingestehen, dass sie an einer gewissen Stelle mit dem weiterschauen gezögert hatte, weil sie der festen Überzeugung war gesehen zu haben, wie sich etwas bewegte, doch im Nachhinein versuchte sie auch diesen Gedanken wieder zu verdrängen. "Naa? Jennifer?", hörte sie ihn plötzlich sagen und ruckartig löste sich ihr Blick vom Gemächt des Kapitäns und sie blickte ihn perplex an. Doch er schien nach wie vor in Trance. Auf seinen Gesicht breitete sich Entsetzen aus und Jennys Perplexität wich einem genervten Gesichtsausdruck. Und dann wachte er plötzlich vollständig auf, riss sie mit Worten der Verwunderung an der Hand und zerrte sie förmlich weiter. Die junge Black begnügte sich mit einem verhaltenen Seufzen. Nicht anders war sie es nun mal gewohnt, obgleich ihr Kapitän all ihrem Erfahrungen ein Sahnehäubchen aufzusetzen vermochte. Zielstrebig rannte er auf die geschlossene (!) Tür zu, dann schlug er einen Haken und wirbelte seine Navigatorin förmlich über den Kies. Doch im Gegensatz zu ihm verursachte sie dabei keinen Laut. Ihre nackten Füße glitten beinahe lautlos über die einzelnen Steinchen und sie schien dabei noch nicht einmal bemüht zu sein. Erfahrung. Pure Erfahrung. Mit einem Ruck blieb er stehen - nahezu gänzlich fehlte ihm Eleganz, doch davon besaß Jennifer eine ganze Menge. Federnden Schrittes blieb auch sie stehen und erblickte den Bruchteil einer Sekunde nach ihm das Fenster. In dem Moment, in dem er sich zu ihr wandte, hatte sie bereits das Problem erkannt und sah ihn mit einer Mischung aus Schock und Verzweiflung an. "Och nööö", dachte sie und seufzte innerlich. "Zwei Möglichkeiten? Spinner! Ich könnte dich auch einfach hier lassen, Kopfgeldjägern und Wachen ausgesetzt - und dann sehe ich von dort drinnen aus zu, wie du ganz und gar aufgeschmissen bist! Und während ich das tue male ich mir aus, was ich mit dem Lösegeld für die Prinzessin anstellen werde! Pah. Pah! PAH!". Doch während sie das dachte knurrte sie in sich hinein und begab sich hinter ihren Kapitän. Ihre eine Hand glitt seinen Arm hinauf und legte sich auf seine Schulter, die andere tat dies sofort. Nur kein Augenblick ohne Berührung. Man hörte nicht, wie sie vom Boden absprang, doch würde Shien den leichten Druck auf seinen Schultern vernehmen. Die zierliche Black war ein Fliegengewicht, alles, was vielleicht etwas mehr wog, waren Muskeln in ihrem Armen und Beinen, doch genau die machte sie sich jetzt zunutze, denn sie klammerte sich mühelos mit ihren Beinen um die Taille des Weißhaarigen und hielt sich nur mit diesen fest. Ihre Hände ruhten nach wie vor auf seinen Schultern. Für ihn war sie vermutlich ein Fliegengewicht sondergleichen... Als er nicht sofort reagierte, zischte sie einige gereizt wirkende Worte in sein Ohr. "Beweg dich endlich, oder ich überlegs mir anders!". Richtig, sie hatte keine Lust auf diese Nummer - allein wäre sie um einiges schneller. Dann wäre sie längst im Palast - vielleicht schon wieder draußen...
 

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link
Die grünhaarige Navigatorin war wirklich eine sache für sich. Erst zerrte sie ihren Kapitän durch die Gegend, dann schnauzte sie ihn an, langte ihm eine... und jetzt zierte sie sich wie ein kleines Mädchen - ein brummelndes kleines Mädchen zwar, aber naja. Es dauerte eine Weile, bis Shien die Hand seiner Gefährtin seinen Arm hinauf fahren spürte. Ein leichter Ruck zog ihn nach unten, offenbar hatte es sich Jennifer inzwischen auf dem Rücken ihres zukünftigen Packesels gemütlich gemacht.
*Na also... perfekte Unsichtbarkeit... das größte Geschenk, das mir je... was ich nun alles anstellen könnte...*
Bei diesem Gedanken zeichnete sich erneut ein dümmliches Grinsen auf dem gesicht des Schwarzen ab, doch bevor Shien wieder in seiner eigenen kleinen Traumwelt versinken konnte holten ihn einige wütend gezischelte Worte ins hier und jetzt zurück.
"Beweg dich endlich, oder ich überlegs mir anders!"
Shien lächelte. *Jugendliche Neugierde... wunderbar. Kein Wunder, dass sie Navigatorin geworden ist. Ob sie uns später auch einen Plan des Gebäudes anfertigen könnte? Es wäre ein gelungenes Andenken an unser erstes Abenteuer.*
Langsam ging Shien ein paar Schritte zurück, dann drehte er sich kurz über seine unsichtbare Schulter und sagte zu seiner Kameradin alles andere als leise: "Nun denn, verehrte Miss Black, lasst uns den Vorhang lüpfen!"
Mit diesen Worten startete Shien einen schnellen Sprint, stieß sich kurz vor der Mauer des stattlichen Herrenhauses ab, und erhob sich in die Lüfte, das offene Fenster als Ziel.

*Zwei Mal rechts, ein Mal links, geradeaus... oder waren es zwei Male nach links?*
Hastig eilte Shien durch die Gänge des Hauses während er sich krampfhaft zu merken versuchte, welche Abzweigungen seine Partnerin und er an den Kreuzungen der Korridore jeweils genommen hatten. Das einheitliche Aussehen der breiten Gänge half dabei nicht gerade: Weiß getünchte Wände, geschmückt mit goldenen und sandfarbenen Ornamenten und vielerlei bunt geschmückten Tischchen voller Kunstblumen und eindurcksvollen Intarsien verliehen ihnen ein kitschig-klassisches Ambiente der Extraklasse. Kunstwerke an den Seiten und der Decke bildeten einen farblichen Kontrast zu den zarten Farben der Wände und ergänzten sich hervorragend mit dem auf Hochglanz polierten Holzfußboden.
Anstatt sich jedoch bestimmte einzelne Wandgemälde oder Tischarrangements als Anhaltspunkte zu wählen sog Shien sämtliche Eindrücke und Bilder in sich auf, die sich ihm boten - viel zu schmuckvoll waren die Gänge, als dass sich ein waschechter Kunstfreund auf einige wenige hätte beschränken können. Das Problem an der ganzen Sache war lediglich, dass ein gewisser Verlust der Orientierung schlichtweg nicht zu vermeiden war. Andererseits... das Anwesen konnte ja auch nicht so groß sein, dass man sich darin hätte verlaufen können, oder?
Rasant zog Shien deshalb weiter seine Bahnen, rannte einmal dorthin, bog dann wieder einmal ab, dann ging es ein gehöriges Stück geradeaus, anschließend wieder rechts an einem Gemälde vorbei, das dem Kapitän merkwürdig vertraut vorkam, und letzten Endes stur gerade aus, bis plötzlich ein weiteres offenes Fenster in Sicht kam - alle anderen, an denen jen und er vorbeigekommen waren, waren geschlossen gewesen. Schnell spurtete Shien hinüber und blickte nach draußen.
*So können wir uns vielleicht einen Überblick über das Anwesen verschaffen...*
Konzentriert blickte Shien sich um: Unter ihm lag der Innenhof des Anwesens, etwas abseits auf derselben Seite wie sein Fenster lag der Haupteingang, der noch immer von zwei Wachleuten flankiert wurde. Direkt geradeaus lag in einiger Entfernung zudem das gusseiserne Gatter, durch das Navigatorin und Kapitän zuvor so leicht hindurch geschlüpft waren. Kurz Zusammengefasst: Sie waren wieder dort, wo sie ihre Erkundungstour begonnen hatten.
Langsam drehte sich Shien um ohne es zu wagen, auch nur einen Blick über die Schulter anzudeuten. Mit Blick auf die ihm gegenüberliegende Wand ließ der schwarze ohne ein Quäntchen Unsicherheit verlauten:
"So meine Liebe, ich hoffe ihr konntet euch bei diesem Rundgang ein Bild des Gebäudes machen. Führt uns doch nun zum Zimmer der Prinzessin - es müsste im ersten Stock liegen, nach den Ausführungen gewisser Pasanten zu urteilen im Nordwesten. Durch das Treppenhaus sind wir vorhin wohl kurz hindurchgeschlüpft, wenn ich mich recht erinnere. Nun denn, lenkt meine Schritte, Verehrteste."
 
J

Jennifer Black

Guest
Jennifer Black war nicht die Art von Person, die sich durch die Gegend ziehen ließ. Absolut nicht. Und sie fragte sich ernsthaft, was ihr Kapitän dort tat. Sie ging davon aus, dass er den Weg kannte, immerhin hatte er vorgeschlagen ins Zimmer der Prinzessin zu gehen, um nach Hinweisen zu suchen. Allerdings kam Jenny nicht umhin sich zu fragen wieso sie mehrmals an der gleichen Ecke vorbei kamen. Die Gänge waren zwar derart prunkvoll gestaltet, dass sie sich fragte, ob sie sich vielleicht vertan hatte und einfach mehrmals, gleich aussehende Gemälde an den Wänden hingen - doch andererseits traute sie ihrem Kapitän durchaus zu, dass er sich schlicht und ergreifend nicht orientieren konnte. Wenige Minuten später seufzte die junge Black resignierend. Sie standen vor einem offenen Fenster, das ihr sehr bekannt vorkam. Ja, hier waren sie hindurch gesprungen... na hervorragend. Hier war sie von Shiens Rücken geklettert und hatte sich minutenlang durch die Gegend ziehen lassen. Räuspernd rechtfertigte Shien sein Tun - oder redete sich zumindest aus der ganzen Sache raus. Jen wäre jedoch keine Black, wenn sie nicht ruhig geblieben wäre. Shien war zuvor durch die Gänge gehastet. Dank des guten Wetters vor den Toren war jedoch keine Menschenseele zu sehen gewesen, so hatte er keinerlei Aufmerksamkeit erregt. Nun, da sie die Führung übernahm, war ihr Gang ein völlig anderer. Geschmeidig und leise schlicht sie durch die Gänge und ihre FÜße schwebten förmlich über den Boden. Geräusche verursachte sie keine. Dabei rannte sie nicht, sie schlich jedoch auch nicht vor sich hin. Es war eher ein eleganter, anmutiger Gang, den sie an den Tag legte. Je näher sie dem Zimmer der Prinzessin kamen, desto ruhiger wurde es. Ab und an hörte man es hinter einer Tür Rumoren oder Klappern. Ab und zu drangen gedämpfte Gesprächsfetzen aus einzelnen Zimmern... doch irgendwann wurde es erschreckend leise. Hier stand kein Fenster offen, die Treppenhäuser waren verlassen und die Stille wirkte nahezu erdrückend. Die Luft war schwül und stickig, denn es war entsetzlich warm draußen und kein Weg nach draußen ließ frische Luft in die Gänge. Offenbar waren die Wachen der Meinung, dass niemand mehr in das Zimmer der Prinzessin wolle, wenn sie ohnehin nicht da sei. Und vermutlich waren sie genauso der Meinung, jeden noch so kleinen Hinweis gefunden zu haben.

Die Tür des Zimmers war roséfarben, der Rahmen weiß. Die große Flügeltür war beeindruckend, wenn Jennifer bedachte, wo sie aufgewachsen war. In einer vier Quadratmeter-Kajüte, die sie sich mit ihrer Mutter hatte teilen müssen. Sie war kurz stehen geblieben, doch nun ging sie ohne zu zögern weiter. Geradewegs auf das Zimmer der Prinzessin zu. Doch leider musste sie stehen bleiben - denn Shien rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. Er war um die Nasenspitze herum ein wenig blass geworden und Jen befürchtete zu wissen, wo das Problem lag. Es gab ein kleines Hin und Her zwischen den beiden. Letzten Endes hatte Shien die Augen fest geschlossen und so sehr aufeinander gepresst, dass es weh tun musste, als sie durch die Tür gingen. Jennifer schloss die großen Flügel hinter sich und stockte, als sie sich umdrehte. Sie konnte ein leises "wow" nicht unterdrücken. Sie ließ sich fesseln vom Anblick des Zimmers, denn so etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen. So etwas hatten sie nie ausgeraubt, sie hatten sich eher auf Schiffe konzentriert... nicht auf Paläste. In einer Ecke des Zimmers stand ein großer Flügel. Pechschwarz. Glänzend. Der Boden war mit weichem Teppich überzogen. Dunkelrot. Die Wände waren weiß, genauso die mit goldenen Ornamenten verzierte Decke. Rechts von ihr stand ein breites Regal - über und über gefüllt mit Büchern, deren Titel sie in derart kurzer Zeit nicht lesen konnte. Daneben war eine Tür - Jen vermutete einen begehbaren Kleiderschrank. Gegenüber des Flügels befand sich das Bett. Oh Gott, was hätte Jennifer darum gegeben einmal darin liegen zu dürfen. Es war ein Himmelbett und man konnte nur durch einen schmalen Spalt des Tuches über dem Bett auf eine rosafarbene Bettwäsche blicken. Jennifers Augen leuchteten vor Begeisterung. Doch dann sammelte sie sich so schnell wie möglich wieder. "Sie konnten nur durch das Fenster da, oder durch die Tür...", murmelte sie leise. "Herrgott, Captain, jetzt machen sie schon die Augen auf!". Nach etwa einer Minute hatte Shien seine Augen geöffnet - unter Betteln und Drängen seiner Navigatorin jedoch. Und prompt fing er an zu reden. "Fenster... Tür... Schloss...! HA! In so einem Palast gibt es doch sicherlich Geheimgänge, richtig...?", er faselte weiter von Geheimgängen, während er anfing die Wand abzutasten und zu beklopfen. "Schht!", machte Jen mahnend und sah mit einem Hauch von Verzweiflung dabei zu, wie der Kapitän im Zimmer herum tapste und die Wände beklopfte... Dieser Kerl war unglaublich. Wie konnte man nur so unvorsichtig sein? Mittlerweile war er auch wieder sichtbar, was die Situation nicht ungefährlicher machte. Sie selbst war nach wie vor unsichtbar und sah gedankenversunken auf die Hand, mit der eben noch Shien festgehalten hatte. Sie hatte lange niemanden mehr mit sich gehabt bei einer derartigen Unsichtbarkeits-Aktion. Das war ungewohnt für sie - vor allem die Tatsache, dass sie ihrem Captain, den sie gerademal ein paar Tage lang kannte, einfach anvertraut hatte, dass sie eine Teufelsfruchtnutzerin war... Seufzend sah Jennifer auf und blickte sich in dem hübschen Zimmer, an dessen Wänden bunte Gemälde hingen (offenbar hatte die Prinzessin ein Auge für jede Art von Kunst), nach ihrem Kapitän um.
 

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link
Eigentlich war das Zimmer nicht zu verfehlen - viel zu auffällig war das breite Portal, das Eintritt in das Reich der Prinzessin gewährte. Umso mehr zweifelte Shien ein wenig an sich: Dieses Ding hatte er übersehen?
*Wie dem auch immer gewesen sein mochte, ich war beschäftig, ja, das muss es gewesen sein. Diese ganze Kunst, diese Farbenvielfalt... selbst ein Genie kann durch solch einen Überfluss an Reiz aus dem Konzept gebracht werden.*
Als Shien ein Zerren an der Hand wieder ins Hier und Jetzt holte, wirkte er auf seine Führerin einen Augenblick lang als eine Art übergroßer, weißhaariger Anker. Wie angewurzelt betrachtete er das Portal, dann blickte er seine Navigatorin an, wies mit der freien hand auf die Flügeltür und blickte diese schließlich wieder an. Unetrdessen murmelte Shien: "Das Zimmer... es gehört einer Lady von Welt. Es... ist mir unmöglich, dort hinein... kein Gentleman könnte solch eine Grenze überschreiten, nein, niemals, nie nicht!" Die kesse Miss Black schien sich jedoch nicht aufhalten zu wollen, und nach einem kurzen Wortgefecht gab der weise Kapitän schließlich doch nach... zumindest in gewissem Maße. Die Lider aufeinander gepresst verließ er sich ganz und gar auf die Anleitung seiner Kameradin - was er auch nicht übermäßig bereuen sollte. Weder stolperte er über irgendein Möbelstück, noch stieß er sich den Kopf, dafür wurde sein Auftreten jedoch scharf getadelt: "Herrgott, Captain, jetzt machen sie schon die Augen auf!" Noch immer Opfer einer selbst auferlegten Blindheit drückte Shien bei diesem Hinweis seine Augen sogar noch etwas fester zu. "Nein, es... es geht nicht!" *Wie könnte ich... das Schlafzimmer einer Dame... welcher Held könnte sich nach solch einem verbrechen noch als Held bezeichnen?* Dass sich der Kapitän abgesehen von diesem ungewöhnlich galanten Auftreten in jenem Augenblick nicht sonderlich um die Frauenwelt bemühte (man nehme allein gewisse erträumte Groupies in gewissen erträumten heißen Quellen) schien nicht fest im Gedankengut des schwarzen Shien verankert zu sein. Dennoch haderte der oberste Kabuki eine Zeit mit sich, bevor er vorsichtig seine Lider hob - mit einer Hand vor den Augen, versteht sich. Zaghaft lugte er durch die Schlitze zwischen seinen Fingern hindurch, bevor ihn die Pracht des Zimmers und riesige Neugierde jegliche Scham vergessen ließ. Unbewusst trennte sich Shien von seiner Führerin und damit vom süßen Geschenk der Unsichtbarkeit, nur um recht ungelenk wie ein Kind im Süßigkeitenladen durch das Zimmer zu tappsen und es Zentimeter für Zentimeter zu untersuchen. Dabei fiel ihm ungewöhnlich schnell genau das auf, wofür seine Navigatorin und er gekommen waren:
"Fenster... Tür... Schloss...! HA! In so einem Palast gibt es doch sicherlich Geheimgänge, richtig...?"
Ja, eigentlich müsste es hier Geheimgänge geben, durch die Amaterasu hätte entführt werden oder flüchten können. Hastig schritt er zu einer der Wände und begann, diese abzuklopfen und mit flinken Fingern Spalte zu erfühlen, die auf Geheimtüren hindeuteten. Als diese Versuche abgesehen von einem Rüffel seitens Jen keine Früchte trugen blickte sich Shien erneut im Zimmer auf.
"Es gibt einen Mechanismus, ja, sicherlich, den muss es geben... eine Fackel, natürlich! Doch halt... hier gibt es keine, nein, das kann es nicht sein... Das Bücherregel, aber ja!"
Blitzartig schnellte Shien hinüber zu der eindrucksvollen Sammlung verschiedenster Bücher. Jedes einzelne klappte er nach hinten und wieder nach vorn in der Hoffnung, dadurch eine Art Schalter in Gang setzen zu können, der das Regal nach hinten schwingen ließ. Am letzten Buch angekommen war noch immer nichts geschehen. Enttäuscht wandte er sich vom Objekt seines Versagens ab, fixierte aber direkt voll neuer Hoffnung die verschiedenen Gemälde an, die die Wände des Raums verschönerten. Die meisten zeigten Landschaften, zwei jedoch waren Portraits, deren Augen groß genug für die Fingerspitzen verschwörerischer Kapitäne waren. Schon in der nächsten Sekunde formten Shiens linker Zeige- und Mittelfinger ein V und stießen den Augen entgegen, trafen alleridngs nur auf Farbe und Leinwand. Kein Klicken, kein Knacken, kein Krachen. Langsam nahm Shien die erhobene Linke wieder herunter und starrte in die leblosen Augen des falschen Gesichtes.
*Wieso? Nirgendwo lässt sich ein Schalter finden... was für ein Anwesen ist das hier? Es wird doch bitte keine so profane Lösung sein wie das hier.*
Langsam schlenderte Shien zum einzigen Fenster des Raumes hinüber. Die breite Glasscheibe war von dunklen Holzstreben durchzogen, die das ins Zimmer fallende Licht in gleichmäßige Vierecke teilte. Der Schwarze drückte seine Nase daran platt und schaute hinaus. Fas Fenster führte nicht hinaus in den Innenhof, sondern auf die an das Anwesen angrenzende Umgebung. Große Bäume und Hecken zäunten hierbei einen schmalen Streifen Garten vom Rest der Stadt ab. Einer der Bäume stand so nahe des Gebäudes, das man durchaus...
*Das ist es!*
Mit beinahe zu großer Kraft riss Shien das Fenster fast aus den Angeln, als er es überstürtzt öffnete und sich halb hinausstürzte. Es waren nur wenige meter von den längsten Ästen des Baumes hinüber zur Außenwand, die überall steinerne Verzierungen aufwies, auf denen eine geschickte Person durchaus Halt finden konnte. Dazu wäre diese Art der Flucht weitaus weniger auffällig als das obligatrische Bettlaken, und vorbeigehende Patroiullen würden nicht unbedingt bemerken, wie...
"Hey! HEY! Ihr da, da oben! Weißschädel! WACHE!!!"
Überrascht zuckte Shiens Kopf nach unten, wo gerade ein gold glänzender Wachmann seiner Pflicht nachging und seine Kollegen auf einen zerzausten Eindringling aufmerksam machte. Schnell drückte sich Shien vom Fenster weg, stolperte zurück in den Raum und schaute dann, nachdem er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, unschuldig seine Navigatorin an. "Es scheint die Zeit ist ekommen, den Vorhang fallen zu lassen. Fenster oder Tür - die Wahl obliegt euch, Miss Black."
 
J

Jennifer Black

Guest
Jennifer machte sich Sorgen, Shien könne zu laut sein. Irgendjemand würde sie hören. Wenn sie alleine war, dann verursachte sie niemals derartig laute Geräusche – und dann war sie unsichtbar! Mit anderen Worten der sonst so gleichmäßig schlagende Puls der Black begann schneller zu werden. Ihr Herz schlug schneller und sie atmete tief durch um sich unter Kontrolle zu bekommen. „Shien…“, sagte Jennifer mahnend und machte einen Schritt auf den umhereilenden Kapitän zu. Er raste gerade zu einem Porträt an der Wand und rammte seine Finger dagegen. Zu laut. „Shien!“, warnte Jen erneut und sah ihn wütend an. Doch dann ging er endgültig zu weit und öffnete das Fenster auf seine Art. Offenbar hatte er all seine guten Vorsätze vergessen und zerstörte nun mutwillig das Zimmer der Prinzessin. Einige Millisekunden später erkannte die Black jedoch weshalb. Auch sie sah den Baum – ein solch offensichtlicher Ausgang aus dem Palast, dass es beinahe peinlich war, dass sie ihn jetzt erst bemerkten. Natürlich. Sie waren nicht durchs Schloss geflohen, sondern gleich nach draußen.
"Hey! HEY! Ihr da, da oben! Weißschädel! WACHE!!!"
Genau das hatte Jennifer befürchtet. Wer würde nicht auf einen Kopf aufmerksam werden, der aus dem Fenster eines eigentlich leer stehenden Zimmers schaute? Noch bevor Shien sie vor die Wahl stellte, welchen Fluchtweg sie nehmen wollte, hastete sie zum Fenster und sah nach unten. Sie geriet nicht etwa in Panik, nein, sie sah Shien lediglich wütend an. „Wie kann man derart naiv sein?“, fluchte sie wütend und stand im nächsten Atemzug bereits auf dem Fenstersims. Wie Shien ihr jetzt hinterher kam war sein Problem, sie war nicht sein Aufpasser. Sie ließ sich am Sims hinunter gleiten und verschwand augenblicklich. Mit außerordentlichem Geschick hangelte sie sich an den Verzierungen entlang. Nichts bröckelte, sie rutschte nirgendwo ab und schwang sich nach ein paar Metern zu den weit überhängenden Ästen des Baumes hinüber. Die Äste gaben unter ihrem Gewicht nach und sie arbeitete sich weiter ins dichte, grüne Blattwerk vor. Als sie die raue Rinde unter ihren nackten Füßen spürte, war sie gleich um einige beruhigter – doch dann zögerte sie.

Zwischen den Blättern lugten nun zwei große, grüne Augen hervor – ein schwarz-grüner Wuschelkopf und zwei zarte Hände, die das Blattwerk beiseite hielten. Sie wartete auf Shien, hatte sie doch nicht genügend Mut gehabt alleine zu verschwinden. Wo hätte sie denn hingesollt? Ihr war bewusst, welchem Risiko sie sich aussetzte, angesichts der Wachen, die ihr so nah waren, dass Jens Herzschlag raste. Wo wäre denn ihre Courage, wenn sie ihren Captain hängen lassen würde? „Beweg deinen Hintern oder du wirst tagelang nicht drauf sitzen können…“, zischte sie wütend und starrte zum Fenstersims hinauf.
 

Livy

Inaktiv
Beiträge
712
Posten
First Guardian
Steckbrief
Link
Teufelsfrucht
Link
Dort war er also, völlig ohne eine Idee, mit der er die Geschichte weitertragen konnte. Allein im Zimmer einer Prinzessin, verlassen von seiner Navigatorin, die wie eine Katze nach draußen gehuscht war… ein Krimineller, ein einfacher Einbrecher, der Vergessenheit ausgeliefert. Er würde in einer Zelle landen, die sicherlich nicht so sonnig wie der Name dieser Stadt war, sein einziges Essen bestünde aus trocken Brot und Wasser, er würde mit einem eisernen Becher gegen die Stäbe seiner Zelle schlagen, um dem rostigen Eisen krächzende Töne des Mitleids zu entlocken, denn außer seinem Zellenkumpanen Fat Tony und ruppigen Wächtern in glänzenden Rüstungen würde er nie wieder jemanden zu Gesicht bekommen. Der rundliche Betrüger gäbe jedoch sicherlich keinen vernünftigen Gesprächspartner ab, und das Schimmern der goldenen Rüstungen seiner Häscher würde Shien nur daran erinnern, wie hell einst seine eigene Zukunft gefunkelt hatte. Dieser Glanz war jedoch von einem Moment auf den anderen im Angesicht einiger namenloser Aufpasser dem gräulichen Schleier des Vergessens anheim gefallen.
„AUFMACHEN!!!“
Hastig wirbelte Shien herum. Die Wächter waren bereits an der Tür?
*Verflucht! Ich sollte meine Zeit in solchen Situationen nicht mit – zugegebenermaßen wunderschöner – Schwarzmalerei vergeuden. Ein Ausweg, ein Ausweg, ich brauche einen Ausweg…*
Rasch sah der Kapitän zum Fenster hinaus, dem einzigen Weg, der ihm noch offenstand. Blitzschnell spielte er die logischste sowie am nächsten liegende aller Geschichten durch: Er, erst am Fenster, dann mit einem Fuß auf dem Sims, der zweite wurde nachgezogen. Er, kauernd an der Außenwand, ob der Tiefe in Angst versetzt. Männer sammelten sich unter ihm, neben ihm, schrien zu ihm hinauf, brüllten ihn an. Er, nervös, ein falscher Schritt, eine brüchige Kante, ein Fall, Genickbruch, Ende der Geschichte.
„…zähle bis drei, dann brechen wir die Tür auf! Eins! Zwei..!“
*Doppelt verflucht! Zwei Mal..!*
„DREI!“
Ohne weiter nachzudenken sprintete Shien los, fort von der Tür hinter ihm, die krachend aus den Angeln flog. Die Soldaten, die in diesem Moment durch das Portal gestürmt kamen, konnten nur noch einen weißen Haarberg sehen, der sich schreiend aus dem Fenster stürzte.
„KAAAA-BUUU-KIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII!!!“

Der Teil der Wachen, die unter dem Fenster der Prinzessin auf den Flüchtling warteten, sahen inzwischen folgendes: Ein hochgewachsener Mann katapultierte sich mit einem selbstsicheren Sprung vom Fenstersims ihrer Thronerbin und flog laut kreischend durch die Luft. Diese Reise schien ein schnelles Ende zu nehmen, als der Irre direkt auf einen Ast zuhielt, der mitten in seiner Flugbahn hing. Statt jedoch frontal mit dem dicken Holz zu kollidieren schossen die in feinsten Stoff gehüllten Arme des Kerls nach vorn und packten den Ast. Wie ein schneeweißes Äffchen schwang sich der Mann anhand des Astes weiter und setzte seinen Freiflug fort. Da sich der Flüchtling nun jedoch einer massiven Mauer gegenüber sah – diese stellte die Wand eines einfachen Handelshauses dar, dass jenseits der Strasse auf dem der Villa angrenzenden Grundstück errichtet war – wandten viele Wächter ihre Blicke ab. Der Aufprall würde schmerzhaft werden, und viele fürchteten sich davor vom Mitleid übermannt zu werden ob des Schicksals, das der Wahnsinn diesem Kerl vermachte. Andere wiederum warteten gebannt darauf, das Leid dieses zwielichtigen Individuums zu sehen, das die Gemächer ihrer Prinzessin entweiht hatte. Und wieder andere… diese glaubten, dass der behände Fremde erneut mithilfe eines geschickten Tricks seiner sicheren Vernichtung entgehen würde.
Der Film, der sich den umstehenden weiter bot, lief unterdessen folgendermaßen weiter: Von seiner weißen Mähne umwölkt flog der Fremde weiter. Er näherte sich der festen Wand wie ein unwissender Vogel der Fensterscheibe. Noch immer ein langgezogenes „Kabuki“ von sich geben raste er auf die Wand zu, wobei er mitten im Flug sogar noch seine Sandalen aufgeben musste, die klackernd auf dem harten Boden landeten, den der Fremde sogleich selbst küssen werden müsste. Wie in Zeitlupe vergingen die letzten Momente vor dem Aufprall. Blicke wandten sich ab, starrten gebannt oder blinzelten ungläubig. Dann war es soweit, die letzten Zentimeter wurden zurückgelegt…
Und der Weiße krachte frontal gegen die Wand. Einfach so. Dort klebte er dann einige Momente wie eine halb zerschmetterte Fliege, dann noch ein paar, und immer mehr. Er schwebte dort oben weit über die normale Zeitspanne hinaus, die die Schwerkraft benötigt hätte um über die schmierige Adhäsion von Backstein und Blut zu lösen. Dann, völlig unvermittelt, begannen die Arme des Fremden zu zucken. Suchend tasteten sie die Mauer ab und gruben sich anschließend tief in die dunklen Ritzen zwischen dem alten Stein. In diesem Moment wurde vielen gleichzeitig bewusst, warum der Irre noch nicht zurück auf den Boden (der Tatsachen) zurückgefunden hatte: Über zittrige Beine hielt er sich mit den Zehen in die Mauerritzen gegraben über der Masse. Kaum war dieses Geheimnis gelüftet, da erkletterte der Fremde bereits die mauer, bis er schließlich das flache Dach des Handelshauses erreicht hatte. Mit einem hörbaren Ächzen zog er sich auf das Gebäude und verhaarte dort einen Moment.

*Ich… ich…*
Schwer atmend kauerte Shien auf dem Dach des Hauses. Eine ungewohnte Hitze auf der Unterlippe bemächtigte sich seiner Aufmerksamkeit, und nachdem er einmal mit der rechten hand über sein Gesicht gefahren war und das Ergebnis inspizierte war auch mehr oder weniger klar, woher dieses Gefühl kam: Scharlachrotes Blut sickerte aus seiner Nase wie klares Wasser aus seiner Quelle. Shien wagte bei dieser Erkenntnis nicht einmal ansatzweise, seine Nase zu betasten – warum Schmerzen riskieren wenn man auch so wusste, dass man sich gerade die Nase gebrochen hatte? Und doch – sein Körper war gegen eine Wand geprallt und schrie erbärmlich, dennoch war er am Leben. Am Leben und in Freiheit.
Ruckelnd stemmte Shien sich nach oben, blieb kurz stehen, und entledigte sich schließlich seines weiten Kimonos. Der edle Stoff wog plötzlich ungewöhnlich schwer auf den Schultern des Kapitäns, doch das war nicht der einzige Grund dieser Tat. Als sich Shien anschließend umdrehte und auf die Menge hinab sah, die dort unten auf der Strasse zwischen Herrenhaus und Handelskontor den wackeren Kapitän anfunkelte, flog vor seinem inneren Auge sein Mantel zaghaft hinter ihm davon. Die ideale Kulisse für die Pose, die der Kapitän abschließend einnahm: Mit einem nackten Fuß auf das Sims des Daches gestützt griff Shien mit einem Arm, der nun ebenso nackt war – der große Weiße hatte unter seinem Kimono lediglich eine lockere, weiße Stoffhose und ein dazu passendes schwarzes ärmelloses Shirt angezogen – nach dem griff seines Schwertes. Summend glitt die Klinge aus der Saya, durchschnitt die wehrlose Luft und erhob sich gen Himmel. Mit Blick auf die Menge brüllte Shien dann aus vollem Hals und mit fester Stimme ein felsenfestes…
„NICHTS PASSIERT!!!“
Das Echo dieser beiden Worte begleitete den weißhaarigen Kapitän, als dieser nun stumm seinen Abgang machte. Heroisch wandte er sich von seinem Publikum ab, blickte in Richtung Sonne und begann einen Sprint quer über das Dach, der in einen weiteren Sprung von Gebäude zu Gebäude mündete. Einige Augenblicke später wurden die verklingenden letzten Worte des Kapitäns durch ein einziges ersetzt, das noch lauter über die Dächer der Stadt flog:
„KAAAA-BUUU-KIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII!!!“

nach: Der Marktplatz von Sunny
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben