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Kapitel 3 - In der Unterwelt (Akt 2)

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Vex

Guest
Verbindung zu -> Das South Blue Meer

Obwohl es auch auf der Insel Grandmole Stellen gab, an denen tagsüber Streifen von Sonnenlicht in die Höhlen fielen, gab es zum mindest einen, der davon nichts mitbekam. Denn dieser jemand verbrachte den Morgen zu seiner eigenen Frustration hinter der Theke seines kleinen Ladens „Vielzweck-Werkzeuge und Metallwaren - A. Tox“, den er von seinem Vater geerbt hatte, und wartete vergeblich auf einen Kunden. Obwohl die Tageszeit in der immer währenden Finsternis von Grandmole eine eher geringe Bedeutung für die Bewohner hatte, kamen grade zu dieser Tageszeit herzlich wenig Kunden. Deshalb wäre Vex auch grade lieber ganz wo anders, doch er wusste selbst nur zu gut, dass es töricht wäre einfach später aufzumachen. Es würde schlechtes Licht auf seinen ohnehin schon unbeliebten Laden werfen. Er musste der Konkurrenz einen Schritt voraus sein wenn er gute Geschäfte abschließen wollte, mal davon abgesehen, dass seine Ware sowieso die beste der Insel war und die Leute nur wieder zu dämlich, das zu erkennen.
Doch wenn grade keine Kunden da waren, was die meiste Zeit des Tages der Fall war, widmete Vex sich seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Erfinden neuer und einzigartiger Geräte. Ideen für solche holte er sich meistens aus dem Alltag. Wenn ihm etwas zu umständlich war, erfand er eine entsprechende Apparatur, die sein Problem zu lösen vermochte. Im Moment arbeitete er an einer Art Greifarm, den man mit einer Hand bedienen konnte. Er hatte gemerkt, dass er selten Lust hatte sich zu bewegen oder gar aufzustehen, wenn er unbedingt etwas brauchte, aber grade gemütlich in einem Sessel oder ähnlichem saß. Mit dem Greifarm sollte man sich entsprechenden Gegenstand dann bequem und ohne große Kraftanstrengung zu sich holen können. Oder aber man brauchte etwas, dass weit oben im Regal stand. Mit seinem Greifarm könnte man es sich ohne Leiter runterholen. Vex sah es schon vor sich, wie jedermann auf der ganzen Welt einen Greifarm mit seiner Signatur auf dem Griff benutzte. „Ja das ist genial! Wenn das mal keine Erfindung ist…“, dachte er zufrieden. Den Bauplan des Gerätes hatte er schon beinahe fertig gezeichnet. Es fehlten nur noch ein paar Details und er konnte mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Eigentlich machte sich Vex nicht viel aus Plänen, er war ein Mann der Tat, doch bei so einem tief greifenden und Welt verändernden Projekt griff selbst er zu Stift und Papier, um seine Ideen festzuhalten.
Er war gerade dabei die letzten Feinheiten an seinem Bauplan zu vollenden, als doch tatsächlich die Ladentür aufschwang und sein erster Kunde an diesem Tag hereinspazierte. Eigentlich war Vex von Natur aus eher unfreundlich zu seinen Kunden, doch heute wollte er es einfach mal mit der schleimerischen Art probieren, um diesem potenziellen Käufer am Ende doch noch etwas Geld abzunehmen.
„Einen schönen Guten Tag der Herr, kann ich ihnen behilflich sein?“, fragte er, während er hinter der Theke hervor kam und seinem Kunden, mit einem gespielten Grinsen auf dem Gesicht, von dem dieser wegen des Tuchs vor Vex’ Mund, das er überall in der Öffentlichkeit trug, zum Glück nichts mitbekam, viel zu nah auf die Pelle rückte. „Suchen sie etwas Bestimmtes?“ „Ähm…nunja, eigentlich brauche ich nur ein paar der Standart-Werkzeuge, sie wissen schon – Hammer, Schraubendreher…“. Bevor er seinen Satz beenden konnte packte Vex ihn schon bei der Schulter und zerrte ihn, immer noch mit gespieltem Optimismus, dass dieses Geschäft nun nicht mehr platzen könne, zu einer Wand des Ladens an der, sogar mehr oder weniger geordnet, lauter Werkzeuge in verschiedensten Ausführungen hingen. Dort angekommen präsentierte er seinem verwirrten Kunden der Reihe nach die besten Modelle, anscheinend ohne die gelegentlichen Unterbrechungen des Kunden mitzubekommen, der wohl nicht mehr wollte als das Nötigste zu kaufen und dann so schnell wie möglich zu verschwinden.
„Und was ist das hier?“, fragte er plötzlich laut. Vex realisierte erst jetzt, dass der Typ schon nicht mehr neben ihm stand, sondern vor der Theke und den noch aufgeschlagenen Bauplan begutachtete. „Ahh, das ist meine neuste Erfindung, ein voll mechanischer Greifarm“, antwortete Vex stolz. „Nun ich will ihnen ja nicht den Spaß verderben, aber ich glaube kaum, dass das so funktioniert wie sie es gezeichnet haben“, meinte der Kunde und betrachtete den Plan nun mit kritischem Blick. „ Nicht funktio…“ „Zufällig kenne ich mich hiermit recht gut aus und ich kann ihnen sagen, dass dieser Greifarm größeren Belastungen nicht standhält.“
Der Kerl fing langsam an Vex auf die Nerven zu gehen. „Wollen sie mir damit etwa sagen meine Erfindung taugt nichts?“, fragte er verärgert. „So wie sie es bauen wollen ist es allenfalls durchschnittlich. Die Liebe zum Detail fehlt einfach und die Materialwahl lässt zu wünschen übrig…“, antwortete sein Gegenüber gelangweilt. „Wie Bitte?!“ „Ich würde vorschlagen…“ „Ich würde vorschlagen sie verziehen sich besser bevor ich sauer werde!“, unterbrach ihn Vex, in dem der Zorn hoch kochte und der seine gespielt schleimige Art nun vollständig abgelegt hatte. „Ich wollte doch nur…“, setzte der Kerl noch einmal an. „Raus hier, sofort!“ „Ist ja gut, ist ja gut“, meinte er ängstlich und verschwand schneller als er gekommen war. Vex hätte ihm liebend gern noch ein paar ordentliche Beleidigungen an den Kopf geworfen, aber er schaffte es, sich dieses Mal zurückzuhalten.
„Und mit so was muss ich Tag für Tag klarkommen. Natürlich hält er auch größeren Belastungen stand das sieht doch ein blinder mit nem’ Krückstock! Idiot…“.
Zu wütend und deprimiert, um noch weiter im Laden herum hängen zu können packte er ein paar Sachen, darunter seinen Bauplan, in einen Rucksack, schloss den Laden ab und machte sich auf den Weg zu seiner Höhle.
 
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Vex

Guest
Vex’ Höhle befand sich im abgelegenen und ärmeren Teil des Wohnviertels von Grandmole. Der Weg durch die Stadt wäre kürzer gewesen, doch er bevorzugte den durch die Pilzfarmen der Insel. Hier gab es weniger Leute, also auch weniger Idioten, die ihm hinterher starren konnten. Außerdem konnte er sich hier immer ein paar Leuchtpilze abgreifen, aus deren Saft er Säure herstellte. Er wusste zwar noch nicht so recht was er damit anfangen sollte, doch einige seiner Tests hatten ergeben, dass sie ätzender war als alles was man im gewöhnlichen Handel erwerben konnte. Die Glimmersäure, wie er sie nannte, war schon eher etwas für den Schwarzmarkt, vor allem deshalb, weil er der einzige ihm bekannte war, der es schaffte den Saft aus den Pilzen heraus zu bekommen. Er hatte sich nämlich ein spezielles Werkzeug gebaut, mit dem er die extrem harte Hülle aufbrechen konnte. Es bestand aus einem Metallbogen, der fast zu einem Kreis geschlossen war. Die Lücke zwischen den beiden Enden des Bogens war gerade so groß, dass der Stiel eines Pilzes hinein passte. Oben hatte der Bogen ein Loch, durch das eine Art Bohrer führte, mit dem man mit ein wenig Kraft ein erbsengroßes Loch in die Hülle des Pilzes bohren konnte. Die ganze Konstruktion erinnerte ein wenig an einen Korkenzieher.
Die Bewohner Grandmoles benutzten die Leuchtpilze anstelle von Kerzen als Lichtquellen. Kerzen von anderen Inseln zu importieren, wäre viel zu teuer und bis jetzt war hier noch kein Tier entdeckt worden, dass eine ähnliche Substanz wie Bienenwachs produzieren konnte.
Vex nahm sich nie viele Pilze, der Verlust würde erst sehr spät oder gar nicht auffallen. Trotzdem sollte er nicht länger herum trödeln und unnötig Aufmerksamkeit erregen. Also setzte er seinen Weg fort und kam eine halbe Stunde später an seinem eigentlichen Ziel an. Seine Höhle war chaotisch wie immer und voll gestopft mit allem möglichen Gerümpel. Überall lagen kaputte Teile von Maschinen und Geräten, der Werktisch, der eigentlich in einer Ecke des Raumes stand, war vor lauter Bauplänen nicht mehr zu sehen und das schmutzige Geschirr türmte sich im Spülbecken auf. Vex machte sich nicht die Mühe aufzuräumen. Er hatte sich an das Chaos gewöhnt und zu Besuch kam sowieso niemand.
Nachdem er seine neuste Zeichnung aus seinem Rucksack genommen hatte, schmiss er auch diesen achtlos in die Ecke. Den Plan breitete er über den unzähligen anderen auf seinem Werktisch aus und besah sich die Zeichnung noch einmal genauer.
„So muss es einfach klappen“, dachte er überzeugt und machte sich daran aus dem Schrott, den er im Laufe von vielen Jahren zusammen gesammelt hatte, die nötigen Materialien für den Greifarm zu suchen. Vex war ein wahrer Meister darin seine Erfindungen aus altem Metallschrott herzustellen, den andere schon für nutzlos gehalten hätten. „Wertlos ist es alle Mal, aber niemals nutzlos…“, dachte er und sagte dann laut:„Fangen wir an!“, worauf ein asthmatischer Hustenanfall folgte.
Nach mehreren Stunden Arbeit, in denen es immer wieder zu kleineren Pannen gekommen war, die jedoch in seiner Konzentration an ihm vorbei geflogen waren, stand schon das Grundgerüst des Arms. „Gar nicht schlecht für den Anfang. Es wird funktionieren, ich bin mir sicher!“ Er rannte er hinaus vor die Tür und brüllte seine Euphorie heraus: „Seht, all ihr Kritiker und Neider, bald schon werde ich ein reicher Mann sein!“ Dann lachte er triumphierend, was in einem weiteren Hustenanfall endete. Es war zwar weit und breit kein Lebewesen zu sehen, aber Vex fühlte sich nach so einer Ansage trotzdem immer besser. Irgendwann würden sie ihn hören können. Doch nun galt es seine geniale Arbeit zu vollenden, um seinen Triumph komplett zu machen. Er brauchte nur noch einen vernünftigen Greifer und die nötige Mechanik um ihn bedienen zu können. Doch grade jetzt waren ihm die nötigen Einzelteile ausgegangen. „Verdammter Mist!“, fluchte Vex und trat gegen eine kaputte Dampfmaschine, was ihm Schmerzen im großen Zeh und noch mehr Frustration einbrachte.
„Was soll’s, ich brauche eh eine Pause…“, dachte er und ging wieder nach draußen. Kurzerhand beschloss er in eine der Kneipen am Hafen zu gehen, um seine Frust herunterzuspülen. Auf dem Weg dorthin musste er zwar durch die Stadt, aber er war sowieso so mies drauf, dass ihn das gegaffe der Leute nicht weiter interessierte. Am (natürlich unterirdischen) Hafen angekommen, wählte er die dunkelste und schmierigste Kaschemme und bestellte sich ein violett rauchendes Getränk. „Auf meine Arbeit“, dachte er und kippte das Zeug in einem Zug runter.
 
K

Käpt'n Flint

Guest
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"Na also. Genau wie ich es mir gedacht hatte."
Es war inzwischen Mittag geworden und am Horizont hob sich ein kleiner dunkler Fleck vor dem blauen Hintergrund ab. Dort lag Grandmole, ihr nächster Hafen. Flint zückte ein kleines Fernrohr aus seinem Mantel, zog es auseinander und spähte hindurch. Leichte Rauch- oder Nebelschwaden stiegen von der Insel empor und waberten durch die Luft darüber. "Land in Sicht!" rief der Ausguck für diejenigen, die es noch nicht bemerkt hatten, vom Mast herunter. "Hört zu, Männer! Wir können nicht wie gewohnt an Land gehen, da die Erde dort verseucht ist!" Die Besatzung blickte sich - zunächst untereinander, dann ihn - verwundert an. "Aber Käpt'n..." brachten die ersten Kleingeister ihre grundlose Bestürzung zum Ausdruck. "Ich sagte, ihr sollt mir zuhören!" rief Flint gereizt. "Wir werden die Insel umkreisen! Es muss einen Eingang zu ihrem Inneren geben - einen Tunnel, eine Grotte, irgendetwas dieser Art! Also haltet eure Augen danach offen!" befahl er und auf einen weiteren verwirrten Blick seiner Mannschaft fügte er hinzu: "Tut einfach, was ich euch sage! Je mehr ihr euch anstrengt, desto greifbarer ist der nächste Hafen! ... Na los!" Die Crew setzte sich wieder in Bewegung und Flint sah erneut durch sein Fernrohr.
Die zerschundene Oberfläche der Insel, auf der Mann von Weitem - aufgrund des Qualms - ein soeben niedergebranntes Dorf hätte vermuten können, glich bei näherer Betrachtung in etwa einem rauchenden Kessel. Die überall zu sichtende schwarze Asche und so gut wie keine Vegetation ließen sie gänzlich tot erscheinen. Und selbst, wenn dem nicht so war und es dort noch immer Leben gab, konnte sich der junge Pirat kein Wesen vorstellen, dass auf diesem Boden zu leben in der Lage war. Langsam begann er zu zweifeln, ob an der Geschichte von der irrwitzigen Evakuierung der Bewohner überhaupt etwas dran sein konnte.
Während sie die Insel umkreisten, sorgte sich der eine Teil der Crew, dass sie möglicherweise aufliefen und an solch einem Ort festsaßen, und der andere, dass sie den Eingang nicht entdeckten und den Hafen nicht anlaufen konnten. Flint suchte angestrengt die Klippen ab. Er vermutete, dass, wenn es einen Weg gab, er an der Küste liegen musste und möglicherweise nur mit dem Schiff zu passieren war.
Sie hatten mittlerweile mindestens drei Viertel der Insel abgesucht und noch immer war kein Anzeichen einer Höhle sichtbar. Einige gaben die Hoffnung bereits auf und achteten nur noch halbherzig mit einem Auge auf die Felswand. Doch auf einmal kam ein erneuter Ruf vom Ausguck: "Käpt'n! Dort drüben zwischen den Felsen!" Flint fuhr herum. Auch ohne sein Fernrohr konnte er die beiden Massive aus dem Wasser ragen sehen - zwei Steinsäulen, die sich an die steile Felswand schmiegten. Er blickte wieder durch das Glas. Noch war der Winkel zu groß. Doch als sie näher heran kamen, wurde der Ruf des Ausgucks bestätigt. Flint erblickte einen Spalt im Fels - erst winzig, als sie beikamen immer größer und breiter. Selbst ein Schiff von weit größerem Ausmaß als die Iron Maiden würde durch dieses Loch hindurchfahren können. Der Käpt'n riss die Augen auf. "Geoffrey! Hart Steuerbord!" "Aye, Käpt'n!" Der erste Maat tat augenblicklich wie ihm geheißen. Das Schiff drehte bei und hielt nun direkt auf den Tunnel zu. Mit einem Mal wurde es wieder laut an Bord. Die allgemeine Aufregung war deutlich zu spüren. Und bedachte man, dass selten ein Mensch woanders als unter freiem Himmel gesegelt war, war sie auch leicht nachzuvollziehen. "Bringt ein paar Laternen an Deck! Wir werden sie dringend brauchen!" rief Flint, der ganz am Bug seines Schiffes stand. Er war nicht minder aus dem Häuschen als seine Männer, doch hatte er gleichzeitig auch ein mulmiges Gefühl bei der ganzen Sache. Es könnte jeden Moment passieren, dass die Iron Maiden auf Grund lief oder die Felswand rammte. Und selbst, wenn sie den Weg ins Innere heil überstanden, hieß das noch lange nicht, dass sie auch wieder hinaus gelangten, ob des wenigen Platzes zum manövrieren oder der Dunkelheit wegen. Doch Flint musste Ruhe bewahren. Er hatte seine Leuten dazu gekriegt, direkt unter die Erde zu segeln. Jetzt musste er sie dazu kriegen, ihrerseits ruhig zu bleiben und mit gutem Gewissen nach vorn zu blicken. Etwas Licht in der Finsternis würde ihnen wenigstens einen Teil ihrer Furcht vor dem Unbekannten nehmen. "Holt die Segel ein! Lasst das Schiff treiben!" Seine Stimme hallte von den Wänden wieder und trug das Echo weit in die Höhle hinein. Hier brauchte er nicht einmal schreien. Der Wellengang, der draußen das Wasser gegen die Klippen gepeitscht hatte, war hier drinnen nicht mehr als ein Schwappen.
Einer seiner Männer brachte ihm eine der Öllampen, sodass Flint den Weg vor ihnen erhellen konnte. Das Wasser war dunkel und glasklar und warf ein merkwürdiges Licht zurück. Flint brauchte eine Weile, um zu bemerken, dass das Licht nicht von seiner Laterne herrührte. Erst als sich seine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bot sich ihm ein Anblick, den er sich in seinen Träumen nicht hätte ausmalen können. Der Tunnel war nicht im Ansatz von der Länge, die die Mannschaft vermutet und gefürchtet hatte. Der Fluss vor ihnen wurde schnell breiter und immer breiter und mündete in einen unterirdischen See von beachtlicher Größe. Das Licht, welches der Käpt'n zunächst seiner Lampe zugeordnet hatte, kam tatsächlich von einem Hafen am anderen Ende der Grotte. Wenige Boote lagen dort, die allenfalls zum Fischen geeignet waren. Dennoch waren dort auch Docks auszumachen, die größeren Schiffen dienen sollten. Die Iron Maiden trieb immer langsamer voran. Keiner aus der Besatzung machte auch nur einen Mucks. Geoffrey steuerte das Schiff unmittelbar an einen der Kais heran. Flint durchbrach die Stille: "Holt die Brücke und werft den Anker aus. Wir gehen an Land." "Aye, Käpt'n!"
Er setzte als Erster einen Fuß auf den fremden Boden. Das Holz unter seinen Stiefeln war alt und glitschig. Die anderen folgten ihm vorsichtig, als Flint sich mit der Laterne in der Hand in Bewegung setzte und den Steg entlang schritt. Der Hafen bestand aus vielen kleinen Häusern, die zum Großteil in die Erde und den Fels gehauen waren. Die einzige Straße, die sich an ihnen vorbei zog, war menschenleer. Trotzdem brannten Lichter in den Gebäuden und auch Stimmen und anderer allzu menschlicher Lärm war deutlich zu vernehmen. "Das sieht doch schon fast nach einer Taverne aus", bemerkte Flint, als sie unter einem Schild mit der Aufschrift "X" stehen blieben. Zum ersten Mal in dieser Unterwelt lachten die Söldner. "Hier sollten sich schon mal ein paar Informationen sammeln lassen", dachte der Käpt'n, schob seine Brille auf der Nase zurück und ging durch die Schwingtür in die Kaschemme, dicht gefolgt von seinen Leuten. Drinnen sah er sich um. Es war an sich nichts Besonderes. Lediglich wenig Kundschaft und ein intensives blaugrünes Licht, welches von Lampen ausgestrahlt wurde, die wie große gläserne Pilze aussahen, machten diesen Laden aus. "Hey, Fremder! Hast du mit der Funzel da irgendwas vor?" fragte der Mann hinter dem Tresen und wies auf die Öllampe in Flints Hand. Dieser kam sich plötzlich ziemlich albern vor, war eine Lampe hier doch gar nicht von Nöten. "Ich bitte um Verzeihung. Wir sind nicht von hier", antwortete er und löschte die Laterne mit den Fingern. "Sag bloß", meinte der Wirt und lachte. Seine Augen leuchteten seltsam, bis Flint darauf kam, dass ihr Weiß nur das Licht der Pilze reflektierte. Vielleicht war er blind. "Nehmt ruhig Platz. Ich komme gleich zu euch." Der Pirat nickte und setzte sich auf einen hohen Schemel an der Theke. Er sah sich erneut um. Im Regal vor Kopf standen einige Flaschen, die mit einer leuchtenden Flüssigkeit gefüllt waren. Andere waren nach außen hin verspiegelt. Er wandte den Blick ab. Zu seiner Linken saß einer der wenigen Gäste ebenfalls auf einem der Hocker. Doch anders als bei den Menschen umher, konnte man das Erscheinungsbild dieses Mannes kaum in Worte fassen. Das lange dunkle Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab. Er trug eine Brille auf der kahlen Stirn und die untere Hälfte seines Gesichts war von einem eng gebundenen Tuch komplett verhüllt. Ein in Fetzen hängender Umhang mit hohem Kragen verbarg den Rest bis auf die knochigen blassen Arme, von dessen krankem Äußeren auch die im Dunkeln glühende grüne Tätowierung nicht ablenken konnte. Er hatte ein Gläschen vor sich stehen, welches er mit einem trüben Blick seiner weißen Augen anstierte, und beugte sich so weit darüber, dass es aussah, als wenn er jeden Moment mit der Nasenspitze in die rauchende Flüssigkeit kippen würde. Flint kam es unhöflich vor, jemanden so lange anzustarren und warf scheinheilig einen Blick in die Runde. Als er sich noch einmal kurz zu dem bizarren Unterweltler drehte, war das Gläschen leer.
 
V

Vex

Guest
Vex’ Gedankengang wurde jäh unterbrochen als der Wirt erneut zu sprechen begann: „Also, Außenweltler, was darf ich euch bringen?“ Es war weniger die Tatsache, dass er so laut sprach, die Vex aufmerksam werden ließ, sondern die Worte, die er gebrauchte - Außenweltler. So nannte man hier Fremde von anderen Inseln. Solche kamen etwa einmal in zehn Jahren, weshalb Vex diese Bezeichnung schon lange nicht mehr gehört hatte. Als er sich umblickte, stand dort eine komplette Mannschaft vor dem Tresen und blickte den Wirt etwas verwirrt an. Vex war offenbar so in Gedanken vertieft gewesen, dass er ihr auftauchen nicht bemerkt hatte. „Ähm… Was haben sie denn anzubieten?“ fragte ein Mann in einem langen, schwarzen Mantel ein wenig verdutzt aber höflich und schaute sich die verschiedenen Getränke in den Regalen an. Sein Haar war weiß-grau und er trug eine kreisrunde Brille. Er war offensichtlich der Anführer dieser Männer. Eine Mannschaft und ihr Käpt’n, schoss es Vex durch den Kopf. Dann traf es ihn wie ein Schlag: Sie haben ein Schiff! Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. Das ist deine Chance, für immer von hier zu verschwinden. In all den Jahren hatte er natürlich schon oft versucht mit einem Boot von der Insel zu fliehen, aber mit den kleinen Nussschalen hatte er es aufgrund des Wellengangs und der Strömungen nicht einmal aus der Bucht hinaus geschafft. Zwei Mal war er sogar nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Mit einem richtigen Schiff war es jedoch gewiss ein Kinderspiel.
Während der Wirt die einzelnen Getränke aufzählte, deren Namen die Neuankömmlinge nur noch mehr verwirrten, sprang Vex von seinem Hocker, schaute, ob ihn jemand beobachtete, und schlich mit seinem üblichen, geduckten Gang aus der Kneipe.
Schon von hier aus konnte er das Schiff ausmachen, dass im Hafen vor Anker lag. Es war noch viel größer als er angenommen hatte. Die Außenweltler schienen nicht arm zu sein. Am Bug stand in goldenen, verschnörkelten Lettern „Iron Maiden“. Er musste sich zwingen, vor Aufregung nicht sofort loszustürmen. Er brauchte einen Plan, sonst war die ganze Aktion zum Scheitern verurteilt. Er musste es schaffen, unbemerkt auf das Schiff zu gelangen und es aus der Höhle hinaus zu manövrieren. Erst dann konnte er diese gottverlassene Insel endlich hinter sich bringen. Aber alleine ein so großes Schiff fahren? Ach was! Wie schwer kann das schon sein. Einfach die Segel runter und lenken und schon schippere ich damit in null-komma-nichts über den ganzen South Blue. Und dann? Es war fast zu schön, um es sich auszumalen. Er konnte dann hin wo er wollte, er war dann ein freier Mann. Er hätte ewig so weiter träumen können. Doch jetzt war nicht die Zeit dazu.
Bevor er seinen Plan ausführte, musste er unbedingt noch einmal in seine Höhle zurück. Es gab dort tatsächlich einige Sachen, die er nicht zurücklassen konnte. All die Baupläne, seine Erfindungen und auch einzelne seltene Bauteile waren ihm inzwischen ans Herz gewachsen. Er konnte nicht ohne sie gehen. Doch er musste sich beeilen. Es gab keine Garantie, dass die Fremden noch lange hier bleiben würden und nichts wäre schlimmer als die größte Chance seines Lebens ohne ihn davon fahren zu sehen. Auch wenn es ihm noch so schwer fiel, drehte er der „Iron Maiden“ den Rücken zu und rannte los.
 
K

Käpt'n Flint

Guest
Flint hatte nicht vor, etwas zu trinken. Den Job übernahmen seine Leute - wahrscheinlich eifriger als ihm lieb war. Doch er nahm das in Kauf, konnte er ihnen nach den Strapazen nicht ihre Belohnung ausschlagen. Stattdessen unterhielt er sich mit dem Wirt. "Sagen Sie: Kommen hier eigentlich des Öfteren Reisende vorbei? Ich habe kein Schiff im Hafen sehen können und hatte mich darüber schon gewundert." Sein Gegenüber blickte mit seinen milchweißen Augen zu ihm hoch. Doch mit der Zeit gewöhnte Flint sich an den sonderbaren Anblick. "Ich bin mir nicht sicher, wann ich das letzte Mal einen Fremden in meiner Bar sitzen hatte. Aber es ist über drei Jahre her. So viel ist sicher. Man bekommt hier nicht viele neue Gesichter zu sehen. Und die wenigen, die man kennen lernt, sieht man danach nie wieder. Aber das ist ja auch verständlich. Grandmole hat nichts zu bieten, was es nicht auch auf anderen Inseln gibt - glaube ich zumindest. Ich bin schließlich noch nie woanders gewesen." Flint schüttelte teilnahmsvoll den Kopf. Es war klar, dass jemand wie der Wirt, der sonst nie einen neuen Gesprächspartner vor sich hatte, jede Chance auf Konversation nutzen würde. Flint hatte ihn schon da gehabt, wo er wollte, bevor die Unterhaltung überhaupt angefangen hatte. "Natürlich haben auch wir das eine oder andere, worauf wir stolz sein können. Hier in der Erde gibt es viele Erzadern und einige von uns können damit hervorragend arbeiten. Doch auch der Handel scheitert nach wie vor an dem fehlenden Kontakt zur Außenwelt... Eigentlich liegt es noch nicht einmal daran, dass wir keine Möglichkeit hätten, so einen Kontakt herzustellen. Bis auf ein paar Ausnahmen hat Unsereins gar nicht erst die Lust dazu. So gut wie jeder hier will einfach nur seine Ruhe haben - ziemlich trist, wenn du mich fragst." "Allerdings." stimmte Flint ihm zu. "Willst du wirklich nichts trinken?" fragte der Einheimische noch einmal nach. "Nein, danke." lehnte der Käpt'n wiederholt ab. "Ich bin eigentlich auf der Suche nach einem alten Bekannten. Vielleicht kannst du mir da ja weiterhelfen, wo du doch die meisten Besucher kennen gelernt hast." Der Wirt war mit einem Mal voll in seinem Element. "Selbstverständlich. Ich habe ein Gedächtnis wie ein Stein." verkündete er stolz. Der Pirat grinste. "Also. Ich suche nach einem Mann namens Ruben Bjørnson." Das reichte offenbar noch nicht. "Hm... Ich kannte nicht alle Personen mit Namen, musst du wissen. Wie sieht er denn aus?" Flint dachte nach. Er konnte schließlich nicht wissen, wie sich sein Onkel in den vergangenen zehn Jahren verändert haben könnte. Ein paar Dinge war er sich jedoch gewiss. "Er ist größer als ich und mehrere Male breiter - ein wahrer Riese. Er trägt einen Vollbart und hat eine Stimme, so laut und tief wie ein Nebelhorn." "Aha! Na das kommt mir doch bekannt vor." meinte der Schenk zufrieden und Flint strahlte ebenso. "So einen könnte ich im Leben nicht vergessen. Ich denke, er war vor etwa fünf Jahren hier. Allerdings kann ich dir nicht viel von ihm berichten. Er blieb damals mehrere Wochen auf Grandmole. Wir haben in der Zeit kaum miteinander gesprochen. Er hat gearbeitet, draußen auf den Pilzfarmen bei einem der Bauern - Archi Junz, glaube ich. Vielleicht versuchst du es dort einmal." Sofort sprang Flint auf. "Du hast es aber eilig." bemerkte der Wirt erstaunt. "Das kann man wohl sagen." antwortete sein Gast. "Ich bin dir zu tiefstem Dank verpflichtet. Wenn ich etwas für dich tun kann, dann..." "Du könntest mir deinen Namen verraten." unterbrach ihn sein Gegenüber lachend. Der Käpt'n grinste. "Mein Name ist Joshua Flint." sagte er. "Und ich bin Icks." Der Wirt reichte ihm die Hand und Flint schüttelte sie. "Ach übrigens: Du solltest lieber nur nach Junz fragen. Er kann es nicht leiden, wenn man ihn Archi nennt." "Alles klar. Ich komme noch mal wieder, um meine Männer abzuholen. Bis dann!" "Viel Glück!" Icks nickte ihm zu und Flint verlies die Taverne.
Er konnte sein Glück kaum fassen. Ruben war wirklich hier gewesen. Und die Leute erinnerten sich sogar noch an ihn. "Jetzt muss ich nur noch den Weg zu den Farmen finden und diesen Junz ausfragen. Hoffentlich habe ich dort genauso viel Erfolg..." Er sah sich auf der Straße um - mit der Zeit hatten sich seine Augen ganz gut an das trübe Licht gewöhnt - und schlug den Weg entlang des Hafenbeckens ein. Noch immer war keine Menschenseele auf den Straßen, sodass Flint nun ganz allein unter der dunklen Erde Grandmoles wandelte.
 
V

Vex

Guest
Die Straßen der Stadt waren zu dieser Zeit wie ausgestorben. Das wollte Vex auf jeden Fall zu seinem Vorteil nutzen. Er schlich, schon auffällig unauffällig, zum nächst besten Lebensmittelgeschäft. Feste Öffnungszeiten hatte auf Grandmole, aufgrund der nicht vorhandenen Tageszeiten, so gut wie kein Geschäft. Die Verkäufer öffneten und schlossen meist einfach nach gut Dünken. Wenn man also Pech hatte stand man plötzlich überall vor verschlossenen Türen. Vex jedoch hatte Glück. Die Tür ließ sich nach innen aufdrücken.
Wie schon draußen, waren auch hier nur vereinzelt Menschen anzutreffen. Der Laden war zwar sehr niedrig, jedoch durch Regale in lange Gänge eingeteilt. Zusätzlich hingen allerlei Waren an Seilen von der Decke. An den Wänden waren vereinzelt Lampen angebracht die den Raum in Dämmerlicht tauchten. Hier und da tropfte es durch Risse im Gestein. Leute, die es nicht gewohnt waren, würden hier sicherlich Platzangst bekommen, doch für Vex war die Enge ein Vorteil. Mit der Deckung würde er hier leicht reiche Beute machen. Während er durch die Regalreihen schlich, lies er jedes Mal, wenn niemand hinsah etwas Essbares in einer seiner unzähligen Taschen verschwinden. Er konnte nicht sicher sein wann er das nächste Mal etwas bekam und er würde diesem aggressiven Homunkulus, dem der Laden gehörte, nicht mehr einen müden Berry überlassen. Normalerweise stahl er nicht, doch in diesem Fall konnte er getrost eine Ausnahme machen. Er würde sowieso nie wieder nach Grandmole zurückkehren, soviel stand fest, deshalb scherte es ihn ab heute noch weniger als ohnehin schon, was die Leute hier von ihm dachten.
Mit den Taschen voller Essen schlich Vex sich schließlich wieder nach draußen. Gerade als er um die nächste Ecke gebogen war, hörte er hinter sich das empörte Geschrei des Verkäufers, der seinen Verlust bemerkt hatte und schäumend vor Wut aus dem Laden gestürmt kam. Zum Glück war Vex schon außer Sichtweite, sonst hätte der Typ ihn sofort bemerkt. So konnte er sich hinter ein großes Holzfass ducken. Er kauerte sich so gut es ging dahinter und wartete angespannt, mit einem Bein in einer Pfütze stehend, die, wie in einem schlechten Comic, viel tiefer war als sie aussah. Vex zog eine Grimasse. Scheiße, so was hat mir grade noch gefehlt, dachte er missmutig während er versuchte sein Hosenbein so gut wie möglich auszuwringen, ohne ein Geräusch zu verursachen. Doch der Verkäufer bemerkte ihn selbst dann nicht, als er keinen halben Meter entfernt an dem Fass vorbei in Richtung Stadtmitte lief und dabei immer noch wüste Verwünschungen gegen den Dieb nuschelte.
Als er verschwunden war, kam Vex recht zufrieden mit sich selbst aus seinem Versteck und schlich sofort zum nächsten Geschäft, um sich dort zu bedienen. Es war ein Möbelgeschäft, das auf den ersten Blick jedoch eher wie die Wohnung einer sehr alten Dame aussah, in die es die letzten hundert Jahre niemanden mehr verschlagen hatte. Tatsächlich war hier niemand außer Vex, nicht mal ein Verkäufer lies sich blicken. Umso besser für mich, dachte er und studierte den Laden während er umher schlich. Er wirkte tatsächlich, als hätte man ihn eher zum wohnen als zum verkaufen eingerichtet. Im ganzen Laden hatte man Teppiche ausgelegt, in den Schränken und Regalen standen Bücher oder teures, jedoch nicht ganz zueinander passendes Geschirr und Sessel und Sofas standen einfach kreuz und quer im Raum verteilt. Alles war in dreckigem Rosa, Braun und Grau gehalten, was wohl gemütlich wirken sollte. Vex fand es eher zum kotzen. Einzig und allein der Umstand, dass die gesamte Einrichtung so verwinkelt stand, dass der Raum zu einer Art Labyrinth wurde, lies darauf schließen, dass hier niemand wohnte.
So durchkämmte er den Laden und sackte alles ein, was klein genug war, um nicht aufzufallen. Er war gerade dabei sich ein sich interessant anfühlendes Kissen aus einem undefinierbaren Material unter sein Hemd zu stopfen, als er Schritte hinter sich hörte. Er schlich so leise und schnell wie möglich um eine Regalecke und lauschte. Die Schritte kamen von der anderen Seite des Regals und hielten genau da an, wo er vor einer Sekunde noch gestanden hatte. Dann ging die Person plötzlich wieder los und Vex konnte sich grade noch rechtzeitig mit einem Hechtsprung hinter ein großes Sofa retten. Doch dabei stieß er gegen eine Stehlampe die ein schepperndes nicht zu überhörendes Geräusch machte. Der Verkäufer wurde sofort darauf aufmerksam und kam langsam, aber bestimmt zum Sofa herüber, um nachzuschauen woher der Lärm kam. Jetzt konnte Vex auch erkennen, dass es sich um einen jungen Mann, Anfang zwanzig handelte. „Bitte nicht schon wieder Ratten. Da hat man sie einmal verscheucht und schon nisten die sich hier wieder ein, als wäre es ihr zuhause. Das muss wohl daran liegen, dass das hier so ein unglaublich toller Laden ist“, sagte dieser, schlug die Hände zusammen und lächelte dabei so zuckersüß, dass Vex nicht wusste was er davon halten sollte. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er den Typen lächerlich oder widerwärtig finden sollte. Es liegt wohl eher daran, dass du so unglaublich dämlich bist, dachte Vex und verzog das Gesicht. Während der Verkäufer nun das Sofa umrundete, kabelte Vex auf allen Vieren ebenfalls um das Sofa herum. Als der Kerl sich bückte, um unter das Sofa zu schauen, stand Vex auf schlich auf zehenspitzen in den nächsten Gang. Ich muss ganz schnell hier raus! Das dürfte jedoch nicht so leicht sein, wenn dieser Clown hier herumrennt. Ich muss ihn ablenken! Er hatte auch schon eine Idee wie. Er nahm eine der grässlich kitschig bemalten Tassen aus seiner Tasche und stellte sie in ein Regal mit Büchern. Dann nahm er eine Anleitung zum Hochseeangeln heraus und platzierte sie so auffällig wie möglich auf einem Nachtschränkchen. So machte er es noch mit ein paar anderen Gegenständen. Dabei arbeitete er sich weiter zum Ausgang vor. Schon hörte er den Verkäufer mit sich selbst reden: „Was macht denn die Tasse hier? Die gehört ganz woanders hin…Und ich wusste gar nicht, dass ich so etwas überhaupt verkaufe!“ Vex schnappte sich unterdessen noch eine extrem hässliche Nachttischlampe und schlich hinter dem Rücken des ratlosen Verkäufers aus dem Laden. Als die Tür hinter ihm zufiel rannte er in eine nahe, dunkle Seitengasse. Dort gönnte er sich ein triumphierendes Lachen, dass ihn vor Atemnot röcheln lies. Doch sein Beutezug war noch lange nicht beendet. Er schlich sich durch die halbe Stadt und klaute wie ein Rabe, bis seine Taschen zum bersten gefüllt waren, hauptsächlich mit unnützem Zeug, dass er nicht gebrauchen konnte.
Auf dem großen Marktplatz in der Stadtmitte hatte sich inzwischen ein wütender Mob aus Verkäufern gebildet, die alle beklagten bestohlen worden zu sein und anscheinend alle denselben Typen suchten. Nämlich Vex. Dieser beobachtete das Geschehen aus einer dunklen Gasse heraus, in der ihn niemand so leicht entdecken konnte. Zu gerne würde er jetzt Mitten auf den Platz rennen, jedem einzelnen ins Gesicht sagen, dass er ihn vor seiner Nase beklaut hatte und obendrein noch, was er sonst noch so von ihm hielt, und dann vor den Augen der völlig verdutzten Menge hinaus auf’s Meer segeln – und zwar lachend. Doch Vex’ epischer Abgang musste sich noch ein wenig gedulden. Er musste auf jeden Fall noch einmal in seine Höhle. Jetzt konnte er sich sogar einigermaßen Zeit lassen und ein wenig verschnaufen. Der Pöbel war beschäftigt und die Iron Maiden würde auch in einer Stunde noch im Hafen stehen, da war er sich sicher.
Bis diese Vollidioten gemerkt haben, welcher geniale Geist sie hinters Licht geführt hat, bin ich mit meinem neuen Schiff schon über alle Berge! Er lachte gewinnend, was mal wieder von einem asthmatischen Hustenanfall unterbrochen wurde. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, machte er sich, unter dem vielen Diebesgut ein wenig wankend auf den Weg zu seiner Höhle, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.
 
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